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Die Prostituierte Ahuli wird von ihrer erlesenen Kundschaft hochgeschätzt. Gibt es doch nichts, über das sie nicht kenntnisreich zu parlieren weiß. Ihre Freier ahnen nicht, dass Ahuli nur auswendig gelernt hat, was die anderen ihr erzählten. Und sie ahnen nicht, dass die anschließenden wilden Liebesspiele mit ihr nur in ihrer Phantasie stattfinden. Denn Ahuli ist eine Werfüchsin, die die Kunst der Hypnose beherrscht und ihre Energie aus den wüsten Träumen ihrer Kunden bezieht. Eines Tages aber trifft sie auf einen Mann, der sich nicht hypnotisieren lässt. Es ist Alexander, Generalleutnant der…mehr

Produktbeschreibung
Die Prostituierte Ahuli wird von ihrer erlesenen Kundschaft hochgeschätzt. Gibt es doch nichts, über das sie nicht kenntnisreich zu parlieren weiß. Ihre Freier ahnen nicht, dass Ahuli nur auswendig gelernt hat, was die anderen ihr erzählten. Und sie ahnen nicht, dass die anschließenden wilden Liebesspiele mit ihr nur in ihrer Phantasie stattfinden. Denn Ahuli ist eine Werfüchsin, die die Kunst der Hypnose beherrscht und ihre Energie aus den wüsten Träumen ihrer Kunden bezieht. Eines Tages aber trifft sie auf einen Mann, der sich nicht hypnotisieren lässt. Es ist Alexander, Generalleutnant der Staatssicherheit und seinerseits ebenfalls ein Werwolf. Obwohl die Anarchistin Ahuli und der wackere Patriot Alexander in ihren Aussichten weit auseinander liegen, verlieben sie sich ineinander. Aber sie streiten sich über den Erlöser-Werwolf, den die alten Prophezeiungen versprechen. Ist er ideologischer Humbug, wie Ahuli meint? Oder ist es gar Alexander selbst wie Alexander meint? Arbeiten
im Vorstand von Gasprom nur Werwölfe? War der wilde Sex vorgestern nur krude Täuschung? In seiner unnachahmlichen Mischung aus exakter Phantasie und anarchistischer Analyse gibt Pelewin Antworten auf Fragen, die wir nie zu stellen wagten. Und hält dem Russland unserer Tage einen bizarren Zerrspiegel vor.
Autorenporträt
Viktor Pelewin, geboren 1962, ist der meistgelesene Autor Russlands und hat vor allem bei jungen Lesern längst "Kultstatus". Seit Erscheinen der Romane "Omon hinterm Mond" (1992, dt. 1994), "Das Leben der Insekten" (1993, dt. 1997) und "Buddhas kleiner Finger" (1996, dt. 1999) gilt er auch international als einer der interessantesten Autoren seiner Generation. The New Yorker nahm ihn 1999 in die Liste der "besten europäischen Erzähler unter 35" auf. Viktor Pelewin lebt in Moskau.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.10.2006

Schwarze Tränen
Viktor Pelewins „Buch der Werwölfe” / Von Sonja Zekri
Das Buch beginnt mit einer Selbstdemontage, es endet mit einer solchen, und dazwischen streut der Autor alle paar Seiten Bemerkungen über das Unvermögen ein, diese Geschichte überhaupt zu erzählen. Viktor Pelewins Roman „Das heilige Buch der Werwölfe” ist ein melancholisches Märchen, ein Schauerroman, eine erotische Fantasie, vor allem aber ist es eine große narrative Verunsicherung.
Zum Anfang: Der vorliegende Text, so heißt es in der Vorbemerkung, sei eine „platte literarische Fälschung”. Unter rätselhaften Umständen sei die Datei auf einem Notebook in einem Moskauer Park gefunden worden und „selbstredend keiner ernsthaften Analyse durch Kritik und Wissenschaft wert”. Unterzeichnet von einem Milizionär, einem Philologen und einem TV-Moderator.
Die Datei enthält die Aufzeichnungen einer Prostituierten, die aussieht wie eine 14-Jährige, auftritt wie eine 17-Jährige, aber in Wahrheit 1200 Jahre alt ist. A Huli, deren Name auf Russisch wie eine schlimme Obszönität klingt, ist ein Werfuchs, ein wunderschönes, aber gnadenloses Wunderwesen. Sie trägt einen buschigen rubinroten Schweif, mit dem sie die Freier in einen sexuellen Taumel versetzt, dessen energetischer Überschuss auf sie wiederum erfrischend wie ein Vitaminstoß wirkt. Nur bei einem ihrer Kunden versagen ihre Künste: Alexander, ein General des Geheimdienstes FSB, ist ein noch mächtigeres Geschöpf als A Huli, ein Werwolf, mächtig, grauhaarig und ausgestattet mit einem Gemächt von ungeheuren Ausmaßen. Die beiden sind füreinander bestimmt, es kommt zu Liebesnächten, die so entsetzlich und so großartig sind, dass es, wie es gelegentlich heißt, ein müßiges Unterfangen wäre, sie „einem Uneingeweihten erzählen zu wollen”. Doch Alexander will höher hinaus, er möchte das „Überwerwesen” werden, eine spirituelle Supermacht. Und er verlässt A Huli, die so grausam und so rein zugleich ist, die sich am Ende buchstäblich auflöst und nichts hinterlässt außer einem Brandfleck, ihren Kleidern und der Textdatei.
Auf den ersten Blick hat „Das heilige Buch der Werwölfe” alles, was ein Pelewin-Roman braucht und was Werken wie „Buddhas kleiner Finger” den Ruf einer fast unheimlich hellsichtigen Exegese des postkommunistischen Russland eingebracht hat: die Volksmythen, die grellen Ungeheuerlichkeiten des russischen Alltags – Alexander ist die buchstäbliche Verkörperung eines „Werwolfs in Uniform”, einer Metapher für die korrupten Sicherheitskräfte –, und ein paar regenbogenfarbene transzendentale Ausflüge.
Aschenputtel
und die Kuh
Und manchmal kriegt Pelewin, dieser große Geheimniskrämer der russischen Literatur, der kaum an die Öffentlichkeit tritt und wenn, dann nur mit dunkler Sonnenbrille, immer noch großartige Szenen hin: Wenn der Werwolf Alexander in Sibirien einen Kuhschädel anheult, damit das Öl wieder sprudelt und die „Atlantisten”, also die Amerikaner, Russland nicht zur Kolonie degradieren, dann verbinden sich die Neurosen der neuen Petro-Macht mit dem alten Märchen vom russischen Aschenputtel: Darin hilft keine Fee, sondern eine bunte Kuh dem armen Waisenmädchen, alle Schikanen der bösen Stiefmutter zu überstehen, und als das Tier geschlachtet wird, wächst aus den vergrabenen Knochen ein goldener Apfelbaum, dessen Früchte dem Kind Glück bringen. In Pelewins Russland – das halb an Bulgakows „Hundeherz” und halb an Lovecrafts Gothic Novels erinnert – ist davon nur der Schädel übrig geblieben, der fette schwarze Tränen weint und den die Geheimdienstler anwinseln, „alle heulten sie, Nase zum Mond gereckt, um sich, ihr unvergleichliches Land, dieses jämmerliche Leben, den dummen Tod und die ersehnten fünfzig Dollar pro Barrel”. Zwar sprudeln die Quellen irgendwann wieder, doch das ist nur ein Aufschub für Russland, keine Erlösung.
Inzwischen aber wirken Pelewins Beschreibungen der russischen Wirklichkeit matt, fast pflichtschuldig, als interessiere ihn das alles gar nicht mehr. Umso größeren Aufwand betreibt er bei seinen spirituellen Spielereien, die im letzten Drittel des Buches in einem ziemlich anstrengenden poststrukturalistisches Delirium gipfeln: „Es gibt den Traum, aber keinen, der ihn träumt. Die Träume sind Teil des Traums. Manche sagen, der Traum träume sich selbst. Aber streng genommen ist dieses ,selbst’ auch schon wieder zu viel.” Oder: „In den meisten Fällen führt ein Verstehen dazu, dass du es kein zweites Mal verstehen wirst und zwar gerade weil du es schon zu wissen glaubst.” Dieser philosophische Dadaismus mündet nach vielen Seiten in die rührende, aber auch nicht brandneue Überlegung, dass für Wertiere und Menschen die einzige Gewissheit in der Liebe liegt.
Zurück bleibt der Leser und ein nagender Zweifel: Vielleicht war alles nur ein Traum, den niemand träumt? Eine Fälschung? Ein Missverständnis? Vielleicht wirken die Bücher Pelewins aber inzwischen auch nur deshalb so verspätet, weil er zwar ein brillanter Chronist des Übergangs war, aber in Russland die Zeit des Übergangs längst vorüber ist.
Viktor Pelewin
Das heilige Buch der Werwölfe
Roman. Aus dem Russischen von Andreas Trentner. Luchterhand-Verlag, München 2004, 320 Seiten, 19,95 Euro.
Viktor Pelewin
Foto: Ullstein
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.12.2006

Ein Werwolf ist immer im Dienst
Viktor Pelewins Splatter-Parabel auf das heutige Rußland / Von Kerstin Holm

Nicht erst der Fall Litwinenko hat die Frage nach der Macht der russischen Geheimdienste aufgeworfen. Viktor Pelewin karikiert den Agenten als Übermenschen unserer Tage.

Die Beobachtung, daß die Dinge nicht das sind, was sie scheinen, gilt in Rußland in besonderem Maß. Die Fähigkeit oder der Fluch, seine Werte radikal umwerten zu können, machte aus Kommunisten im Rekordtempo Demokraten und wieder zarentreue Patrioten. Bescheidene Sozialismuszöglinge mutierten zu glamourösen Kapitalismuskrokodilen. Polizei, Gerichte, Parlament sind bekannt dafür, daß sie alles tun, nur nicht ihre nominellen Aufgaben. Wen wundert es da, wenn russische Intellektuelle überzeugungslose Zyniker sind, oder, spiritueller ausgedrückt, Krypto-Buddhisten, die sich mit philosophischem Humor gegen die Welt wappnen. Das literarische Idiom für diese Haltung hat Viktor Pelewin gefunden, der mit aktuellem Polit- und Werbejargon, historischen Theorien und ostasiatischer Weisheitsakrobatik ein wildes Jonglierspiel treibt, das jedes Sujet fadenscheinig macht wie einen Majaschleier. Eine derart bruchreiche Optik braucht offenbar, wer, ohne das eigene Nervensystem zu gefährden, jene Dämonen studieren will, die das heilige Rußland heute regieren.

In seinem "Heiligen Buch der Werwölfe", soeben in deutscher Übersetzung erschienen, ortet Pelewin auf dem Grund des kapitalistischen Lebenskampfes das Märchen vom Aschenputtel, ausgebeutet von Geheimdienstsuperwerwölfen. Poetische Keimzelle war die Parole von den "Werwölfen in Uniform", mit denen russische Ordnungshüter seit Jahren Korruptionäre in den eigenen Reihen als schwarze Schafe brandmarken und zu bekämpfen vorgeben. Das Schlagwort vom Werwolf, erfunden als Sündenbocketikett, eröffnet Pelewin die große Welt der Jägermythen mit ihren Supertieren, die den Menschen an übermenschlichen Fähigkeiten teilhaben lassen. Daß Geheimdienstler, politische Führer und Verkaufsgenies Talente haben müssen, die den normalmenschlichen Sittenkodex sprengen, ist ein offenes Geheimnis. Pelewin macht aus dem Werwolf den Übermenschen unserer Tage, im bürgerlichen Beruf FSB-General, ohne den sich Rußlands "schwanzlose Affen" längst in einem Homeland transatlantischer Übernahmegeier wiederfinden würden.

Ohne eigene Werwolf-Ethik geht das nicht ab. Die wird entwickelt von der Heldin, der weiblichen Form des Werfuchses, in deren kupferrot geschwänzten Luxuskörper der Erzähler schlüpft. Die jahrtausendealte Fuchsfrau, die immer aussieht wie eine unwiderstehliche Lolita, lebt vom ältesten Gewerbe, was sie angesichts der Prostituierung von allem und jedem als Inbegriff von Ehrlichkeit und Bescheidenheit anpreist. Denn eine Hure will von einem Mann hundert Dollar dafür, daß sie es ihm ein bißchen nett macht. Die anständige Frau aber will sein ganzes Geld dafür, daß sie ihm den letzten Blutstropfen aussaugt, wie die erfahrungsgesättigte Moskauer Prostituiertenweisheit lautet. Ihre menschliche Kundschaft befördert die Werfüchsin kraft Zauberrute in Traumwelten, während sie sich am sexuellen Energietransfer labt. Doch dann erlebt die Menschenverächterin mit dem rassigen Werwolf wahre Liebesleidenschaft.

Auch der ausgelaugten Erde entlockt allein der Monstermensch geheime Ölvorräte. Das ist die Schlüsselszene, weit hinter der Buchmitte, da das Geheimdienstraubtier eine Kuhschädelreliquie durch Geheul in sibirischer Mondnacht zu petroleumschwarzen Tränen rührt. Die Mutterkuh war die Beschützerin des russischen Aschenputtels, die, als die bösen Stiefeltern sie schlachten, aus ihren Knochen einen Apfelbaum wachsen läßt mit Früchten für das Kind. Ja, längst werde immer mehr Öl verlangt statt Obst, singt Pelewins Werwolf seinen Beichthymnus an den Dripple-Down-Effekt, und aus den Stiefeltern wurden Schutzmachtnetzwerke. Doch solange Öl fließt, kann sich die Waise - gemeint ist offenbar der Werfüchsin menschliche Niedrigpreiskollegin - einen Apfel leisten.

Drum herum spinnt Pelewin einen dichten Kokon aus Werwolftheorien, Werfuchs-Korrespondenzen, Wortwitzen, Bildungswiederkäuerei. In der Wolfsrute, so hat ein englischer Okkultist herausbekommen, setzen sich die Wirbelsäulen-Chakren, über welche man per Meditation seine Kundalini-Energie vergeistigend emporsteigen lassen kann, fort ins animalische Kellergeschoß. Die wahre Liebe aber raubt auch in Supertiersphären dem Mann eher die Kraft, macht den Werwolf zum Hofhund, während sie der Füchsin beim Sprung ins Nirwana Schubkraft gibt. Nur schade, daß Pelewins Assoziationssaltos und Kalauergirlanden, vom Werfuchsnamen A-Chuli, der auf russisch wie ein grober Fluch klingt, bis zum Staatsapparat, in dem eine Oberratte (upper rat) steckt, in der nicht nur zur Hälfte verlorengehen, sondern auch, jenseits des real existierenden Werwolfreichs, sich in Wortklaubereien verwandeln, die keine Bewußtseinssplittertheorie lebendig macht.

Viktor Pelewin: "Das heilige Buch der Werwölfe". Roman. Aus dem Russischen übersetzt von Andreas Tretner. Luchterhand Literaturverlag, München 2006. 349 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Mit hohem Lob bedenkt Rezensent Uwe Stolzmann diesen Roman des umstrittenen russischen Schriftstellers Viktor Pelewin. Sicher, die Geschichte, die sich Pelewin diesmal ausgedacht hat, um den Wahnsinn der russischen Gegenwart abzubilden, klingt auch für Stolzmann zunächst "überspannt" und "kitschig". Da geht es um die betörende Luxushure Ahuli, die in Wirklichkeit eine mit der Kunst der Hypnose begabte Werfüchsin ist, und sich in den Geheimdienstmann Alexander verliebt, einen Werwolf, wie sich herausstellt. Der Gefahr, einen unlesbaren romantischen Schauerroman zu schreiben, ist der Autor nach Ansicht Stolzmanns durch seine Fähigkeit zu "zaubern" entronnen. Pelewin könne nämlich Versatzstücke, Schund und Schutt in Literatur verwandeln. Hinreißend etwa findet er die Figur der Ahuli, ausgestattet mit Charakter, Seele und Sex-Appeal. Auch die Werwolf-Maskerade scheint ihm sehr gelungen, kann Pelewin so doch das "Vertraute merkwürdig fremd" erscheinen lassen. Außerdem zeigt er sich überaus angetan von der Mischung diverser Stilebenen, von elegant bis schnoddrig. Und nicht zuletzt überzeugt ihn das Buch auch als weiterer Versuch, die monströse, ungeheuerliche und bizarre russische Realität literarisch ins Bild zu setzen. Er räumt ein, dass Pelewin den Bogen oft überspanne, abschweife, gegen Genreregeln und den guten Geschmack verstoße. Das ändert nichts an seiner Begeisterung.

© Perlentaucher Medien GmbH
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