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Vom Sprachmagier der Weltliteratur: wie grausam ist es, vergeblich zu lieben.
Eine verzweigte Familiengeschichte aus Lissabon, in der alle Mitglieder zu Wort kommen und ihre Version eines stets vertuschten Skandals erzählen: Fünfzig Jahre lang hat sich der Vater mit seiner Jugendliebe einmal in der Woche heimlich in einem Stundenhotel getroffen, und dort ist er auch gestorben. Alle haben es gewusst, nie wurde darüber gesprochen, aber jeder hat auf seine Weise darunter gelitten.
Ein alter Mann blättert im Familienalbum und rekonstruiert anhand der Photographien sein Leben: Da ist der
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Produktbeschreibung
Vom Sprachmagier der Weltliteratur: wie grausam ist es, vergeblich zu lieben.

Eine verzweigte Familiengeschichte aus Lissabon, in der alle Mitglieder zu Wort kommen und ihre Version eines stets vertuschten Skandals erzählen: Fünfzig Jahre lang hat sich der Vater mit seiner Jugendliebe einmal in der Woche heimlich in einem Stundenhotel getroffen, und dort ist er auch gestorben. Alle haben es gewusst, nie wurde darüber gesprochen, aber jeder hat auf seine Weise darunter gelitten.

Ein alter Mann blättert im Familienalbum und rekonstruiert anhand der Photographien sein Leben: Da ist der Vater, der nach Frankreich verschwand, der Vetter, der seiner schwermütigen Mutter vergeblich Avancen machte und sich nach Amerika absetzte, die Hochzeit mit einer ungeliebten Frau, der Umzug in eine Stadtwohnung, die der Patin seiner Mutter gehörte und in der eine ältliche, unscheinbare Näherin lebte, die er ins Altenheim schickte, obwohl sie die Tochter der Patin war. Allmählich mischen sich andere Stimmen in die Betrachtung der Bilder, die seiner Frau, seiner beiden Töchter, des Schwiegersohns, und langsam enthüllt sich das große Geheimnis seines Lebens: Fünfzig Jahre lang hat er sich mit seiner Jugendliebe einmal die Woche heimlich getroffen, an verschiedenen Orten, meistens in einem Lissabonner Stundenhotel; einst haben sie sich geliebt, dann getrennt, später zufällig wiedergefunden. Alle haben es gewusst, nie wurde darüber gesprochen, aber jeder hat auf seine Weise darunter gelitten ...

António Lobo Antunes zeigt in seinem polyphonen, assoziationsreichen und bildergesättigten neuen Roman, was unerfüllte Sehnsucht in Mann und Frau, Eltern und Kindern bewirken kann und wie grausam es ist, vergeblich zu lieben.

Autorenporträt
António Lobo Antunes, geb. 1942 in Lissabon, studierte Medizin, war während des Kolonialkrieges 27 Monate lang Militärarzt in Angola und arbeitete danach als Psychiater in einem Lissabonner Krankenhaus. Heute lebt er als Schriftsteller in seiner Heimatstadt. Lobo Antunes zählt zu den wichtigsten Autoren der europäischen Gegenwartsliteratur. In seinem Werk, das mittlerweile zwanzig Titel umfasst und in über dreißig Sprachen übersetzt worden ist, setzt er sich intensiv und kritisch mit der portugiesischen Gesellschaft auseinander. Er erhielt zahlreiche Preise, darunter den 'Großen Romanpreis des Portugiesischen Schriftstellerverbandes', den 'Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur', den 'Jerusalem-Preis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft' und zuletzt 2007 den Camões-Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.10.2007

Wer das Buch schließt, hat das letzte Wort
Im Stundenhotel des Todes: Der portugiesische Schriftsteller António Lobo Antunes und sein Roman „Einen Stein werd ich lieben”
Was sammelt sich nicht alles an im Lauf eines Lebens, all der Plunder, den wir horten: Fotos und Erinnerungsstücke, die Devotionalien unserer Existenz, aber auch Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs, Geschirr, Möbel, Bücher, Kleidung. Lauter Kram, der nur für uns selbst Bedeutung hat und manchmal, in glücklichen Momenten, auch für einen anderen. Doch je älter einer wird, desto seltener werden jene Momente, in denen sich Erinnerungen teilen lassen. Die Weggefährten sterben weg. Man hockt alleine vor einem Fotoalbum, lässt Gegenstände durch die ungeschickt gewordenen Finger gleiten und alles, was vielleicht einmal ein lebendiges Gefühl gewesen ist, gerinnt zum sentimentalen Überbleibsel eines Lebens.
In seinem Roman „Einen Stein werd ich lieben”, den Maralde Meyer-Minnemann wie immer bewunderungswürdig übersetzt hat, geht António Lobo Antunes diesem Zustand nach. Das Buch beginnt scheinbar einfach. Ein alter Mann sieht sich Fotos an, kommentiert sie mit heiterer, fast kindlicher Gegenwärtigkeit: „Ich bin zwei Jahre alt und sitze auf dem Schoß meiner Mutter”. Da ist in verschnörkelten Lettern der Name des Studios auf dem Foto, das Mutter und Sohn auf einem mit rotem Samt überzogenen Stuhl zeigt, da schillert im Hintergrund eine Leinwand in bunten Farben. Doch was ist darauf zu sehen? Eine Zirkusszene, Urwald, eine Stierkampfarena oder das Schloss von Dornröschen?
Während der Erzähler das Foto betrachtet, lösen sich die Konturen auf. Was eben noch fest und sicher schien, wird zu einer Flut, die den Erinnernden überschwemmt: der Vater, der Frau und Sohn verlassen hat und nach Frankreich ging, der Cousin der Mutter, der ihr Geld zusteckte und sein Knie zwischen ihre Beine zwängte, die Nähmaschine irgendwo in einem dunklen Winkel der Wohnung. Oder ist es eine Schreibmaschine?
Als Leser von António Lobo Antunes ist man an die seltsame Schmerzlust gewöhnt, die seine Romane bereiten. Der 1942 geborene Autor ist ein großer Erotomane der Traurigkeit. Keiner kann das portugiesische Lebensgefühl der Saudade, die Stimmung des Weltschmerzes, so ins Epische ausdehnen wie er. Der Roman erzählt die Geschichte einer Familie aus den unterschiedlichen Perspektiven der einzelnen Familienmitglieder. Der alte Mann, den wir am Anfang als Zweijährigen auf dem Schoß seiner Mutter sahen, führte ein Doppelleben. Nach seiner Heirat mit einer Frau, die ihm nicht viel bedeutete, tauchte seine große, tot gewähnte Liebe wieder auf.
Während er ein normales Familienleben mit zwei Töchtern führte, traf er die Geliebte zweiundfünfzig Jahre lang jeden Mittwoch in einem Stundenhotel. Selbst an den Familienurlauben am Meer nahm sie aus der Ferne teil. Die Ehefrau stellte ihren Mann nie zur Rede, auch wenn ihr das „Einverständnis” zwischen den beiden auffiel. Nur die jüngere Tochter hat das Geheimnis des Vaters gekannt und folgte ihm manchmal zum Stundenhotel. Bis ihn eines Tages dort der Tod ereilte.
António Lobo Antunes organisiert seinen Roman in vier Großkapiteln. Das erste erzählt die Familiengeschichte anhand von zehn Fotos. Das zweite zeigt in fünf Sprechstunden die 83-jährige Geliebte nach dem Tod ihres Partners, wobei wir mehr über die Seelenlage des gelangweilten Psychiaters erfahren als über ihre. Das dritte schildert mehrere Besuche in einem Altersheim, wohin das „Bübchen” die Tochter seiner Patin abgeschoben hat. Durchnummerierte „Schilderungen” aus dem Inneren des Stundenhotels bilden das letzte Kapitel. Wer hier Bettszenen erwartet, ist bei Lobo Antunes an der falschen Adresse. Das Zimmer des Stundenhotels bleibt eine Blackbox.
„Einen Stein werd ich lieben” ist nicht nur ein seltsam diskreter Liebesroman, sondern auch ein Roman über das Schreiben und den Wettlauf gegen den Tod. Lobo Antunes, der lange Jahre als Psychiater praktiziert hat, fürchtet den eigenen Tod vor allem in Hinsicht darauf, dass er ihn beim Schreiben ereilen könnte und das Werk unvollendet zurückbleibt. Das hat er, der gewöhnliche Interviews ablehnt, in den Gesprächen mit María Luisa Blanco bekannt, die 2003 bei Luchterhand auf Deutsch erschienen sind. „Einen Stein werd ich lieben” ist die überaus produktive epische Dramatisierung dieser Angst.
Das eigentliche Geheimnis des Romans, das von Anfang an im zunächst kryptisch wirkenden, am Ende auf eine verborgene Pointe zulaufenden Titel anklingt, ist nicht die außereheliche Liebesbeziehung. Vielmehr antwortet der Roman auf die Frage, wie man dem eigenen Tod begegnen kann. „Ich bin gestorben”, heißt der eigentlich unmögliche Schlüsselsatz, der früh fällt und immer wieder variiert wird. Der Mann, der die Fotos betrachtet, ist kein alter Mann, er ist ein toter Mann. Die große Kunst des António Lobo Antunes zeigt sich nicht zuletzt darin, dass er den Leser dazu bringen kann, einen solchen Satz zu schlucken als wäre er eine Kleinigkeit.
„Einen Stein werd ich lieben” ist das Monument einer von jeder Geschmeidigkeit gereinigten Traurigkeit. Zahllos sind die Bilder der Austrocknung. Die Figuren verschlucken ihre Tränen, sie hüten sich vor allem, was weich und nass sein könnte. Der Roman ist ein einziges Bollwerk gegen die Sentimentalität. Der Autor stemmt sich mit ihm gegen das Alter, noch bevor es ihn erreicht hat.
Am Ende sucht die Geliebte verzweifelt nach dem einzigen richtigen Wort, mit dem sie den Roman abschließen könnte, um den Auftrag des Autors – „Du wirst das Buch schließen” – zu erfüllen. Diesem allerdings wird es irgendwann zu dumm, und er fasst sich selber ein Herz: „Ich brauche euch nicht, ich werde das Buch selbst schließen, verschwindet, nun ist Schluss.” Der Stein, der geliebt wird, ist ein Grabstein, also das, was am Ende eines Lebens übrig bleibt. Und dieses Buch ist ein Epitaph zu Lebzeiten, eines, das sich der Autor selbst geschrieben hat, um in Sicherheit zu sein – bis zum nächsten Roman, der den Wettlauf gegen die Zeit neu eröffnet. MEIKE FESSMANN
ANTÓNIO LOBO ANTUNES: Einen Stein werd ich lieben. Roman. Aus dem Portugiesischen von Maralde Meyer-Minnemann. Luchterhand Verlag, München 2006. 670 Seiten, 24,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Jedes Kapitel ein langer Satz einer endlosen Leidensgeschichte, beschreibt Rezensent Anton Thuswaldner die Form des Romans, die ein "Gigant" wie Antonio Lobo Antunes so ernst nehme wie den erzählten Stoff selbst. Der Autor greife zwar zur althergebrachten Form des Familienromans, doch erzählten bei ihm die verschiedenen Stimmen nicht davon, wie es war, sondern davon, wie die Vergangenheit die Erinnerung diktiere oder vice versa. Als "Zwangsgemeinschaft" unglücklicher Seelen beschreibt der Rezensent die Familiengeschichte bei Antunes, die manisch um ein offenes Geheimnis des Patriarchen kreise, eine Geliebte, die nie erwähnt, aber immer anwesend war. Erst in den Selbstgesprächen der einzelnen Kapitel breche im Rückblick dieser "Kerker der Verschwiegenheit" auf, denn diese eine Lüge habe sich in aller Leben fortgepflanzt. Eine der Töchter erinnere sich beispielsweise daran, als Kind "ohnmächtig vor Angst vor der Sünde" gewesen zu sein. Neben solchen ins Mark gehenden und gleichzeitig ausweglosen Geschichten, so der Rezensent, sei so mancher heutiger Roman doch "brave Kinderliteratur".

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