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Kolonialgeschichte
Der Traum, sich den Orient als Teil eines deutschen Weltreichs einzuverleiben, führte im 19. Jahrhundert viele Deutsche ins Osmanische Reich. In Makedonien und Westanatolien errichteten sie Handelskolonien, Landwirtschaftssiedlungen, Schulen und Kirchen. Malte Fuhrmann geht den damit verbundenen Phantasien nach und schildert das Leben der Deutschen in den beiden Kolonien. Er zeigt: Die Eroberung des Orients blieb ein Traum, doch hinterließ er in beiden Kulturen bis heute sichtbare Spuren und ist damit Teil der Geschichte des Kolonialismus.

Produktbeschreibung
Kolonialgeschichte
Der Traum, sich den Orient als Teil eines deutschen Weltreichs einzuverleiben, führte im 19. Jahrhundert viele Deutsche ins Osmanische Reich. In Makedonien und Westanatolien errichteten sie Handelskolonien, Landwirtschaftssiedlungen, Schulen und Kirchen. Malte Fuhrmann geht den damit verbundenen Phantasien nach und schildert das Leben der Deutschen in den beiden Kolonien. Er zeigt: Die Eroberung des Orients blieb ein Traum, doch hinterließ er in beiden Kulturen bis heute sichtbare Spuren und ist damit Teil der Geschichte des Kolonialismus.
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Autorenporträt
Malte Fuhrmann, Dr. phil., studierte an der Freien Universität Berlin Geschichte und Balkanologie. Ab 2006 ist er Mitarbeiter am Zentrum Moderner Orient in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die Türkei-Tour als Reise in den ganz großen Traum
Kraftprobe einer Weltmachtstellung: Malte Fuhrmann zeichnet die falschen Hoffnungen auf einen deutschen Orient nach

Das Osmanische Reich galt im späten neunzehnten Jahrhundert als der "kranke Mann am Bosporus". Die europäischen Mächte, allen voran Frankreich und Großbritannien, versuchten, sich in dieser Region einen großen politischen Einfluß zu verschaffen, betrieben dem Reich gegenüber aber eine Politik des Status quo: Anstelle einer formellen Kolonialherrschaft kam es hier zu einer "friedlichen Durchdringung mit finanzimperialistischen Methoden" (Wolfgang J. Mommsen).

Die Hochfinanz konnte sich bei ihren Aktivitäten in der Regel auf diplomatische Unterstützung durch die europäischen Großmächte verlassen. Die Herrschaft des Sultans von Konstantinopel sank sukzessive zu einem schwachen Regiment herab, welches sich mehr oder weniger willig der wirtschaftlichen Ausbeutung und politischen Gängelung durch den Westen unterwarf. Überdies räumte es den Europäern und ihren Agenten teils gezwungen, teils freiwillig eine rechtliche Sonderstellung ein. Der Einfluß internationaler Finanzkonsortien auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Reiches waren beträchtlich.

Auch das nach einem "Platz an der Sonne" suchende Deutschland entfaltete im Osmanischen Reich große Interessen. Wilhelminische Politiker, Industrielle und Bankiers entdeckten dort einen vielversprechenden Markt. Hinter der mit viel Pomp inszenierten Orientreise Kaiser Wilhelms II. im Spätherbst 1898 verbargen sich vor allem handfeste ökonomische Interessen.

Kurz darauf wurde einem Bankenkonsortium unter Führung der Deutschen Bank die Vorkonzession für den Bau der Bagdadbahn erteilt. Der Bahnbau wurde sogleich von Politikern und Publizisten zu einem Prestigeprojekt deutscher Weltpolitik hochgejubelt. So hieß es in einer Schrift von 1900: "Die ungehinderte Durchführung der Baghdad-Bahn bis ans Persermeer allein wird zeigen, ob Deutschland seinem Cultur-Wollen auch thatsächlich Weltgeltung zu verschaffen weiß, und ob es dieser wahren Kraftprobe seiner Weltmachtstellung gewachsen sein wird, freie Bahn zu schaffen zur Ausübung wohlerworbener deutscher Rechte, für deutschen Unternehmungsgeist und deutsche Arbeit auf jedem Punkte der Erde." Freilich geriet das ursprünglich als multinational, unter Beteiligung von Deutschland, Frankreich, England und Rußland konzipierte Vorhaben rasch zum Gegenstand nationaler Interessen und Rivalitäten. Die erhofften wirtschaftlichen Gewinne blieben aus.

In der Studie von Malte Fuhrmann taucht die Geschichte der Bagdadbahn nur als Hintergrundgeschehen auf. Der Berliner Historiker zeichnet die kolonialen Ambitionen und Aktivitäten Deutschlands im Osmanischen Reich anhand ausgewählter Regionen - Makedonien und Westanatolien - nach. Inspiriert von einer "postkolonialen Diskursanalyse foucaultscher Prägung", will Fuhrmann gleichwohl nicht nur den Inhalt der Diskurse herausarbeiten, sondern sie auch in den Kontext der Kultur- und Sozialgeschichte stellen. Es geht ihm darum, ältere Ansätze der Imperialismusgeschichte und "postcolonial studies" zu vermählen. Zu diesem Zweck bilden klassische Quellen die Grundlage der Untersuchung: diplomatische, militärische und kirchliche Akten, Korrespondenzen, Memoiren und Reiseberichte.

Im Zentrum der Untersuchung stehen die kulturelle Praxis der Deutschen in der Ägäisregion sowie das, was Fuhrmann "moralische Eroberung" nennt: das Bestreben der Missionare, Militärs, Händler und Forscher, über die Transformation der osmanischen Kultur hegemonialen Einfluß zu erlangen und langfristig koloniale Herrschaft zu errichten.

Die meisten Studien zur Rolle Deutschlands im Osmanischen Reich konzentrieren sich auf die Jahre 1888 bis 1918, die Herrschaftszeit Wilhelms II., oder nur auf die "heiße Phase" des deutsch-osmanischen Austausches nach der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert. Fuhrmanns Studie setzt bereits 1851 ein, als sich in Makedonien und Westanatolien deutsche Bestrebungen einer Zivilisierungsmission sowie Handelsinteressen erstmals nachhaltig manifestierten.

Die Ägäisregion nahm fortan einen prominenten Platz im Traum von einem deutschen Orient ein. Zahlreiche Deutsche zogen in das Gebiet und errichteten Handelskolonien, Landwirtschaftssiedlungen, Schulen und Kirchen. Bis zur Reichsgründung dominierten missionarische Aktivitäten, etwa in Gestalt der Diakonissen oder der religiös inspirierten Siedlungsbewegung der Karmeliter. Danach gewannen kommerzielle, Siedlungsund Investitionsprojekte größere Bedeutung. Mit dem Ersten Weltkrieg endeten diese Aktivitäten zunächst.

Fuhrmanns facetten- und faktenreiches Buch ist nicht leicht zu lesen. Insbesondere die ausführlichen einleitenden Kapitel sind etwas umständlich geraten, auch sonst enthält die Studie einige opake Passagen. Insgesamt vermag der Autor aber überzeugend die deutschen Aspirationen im Mittelmeer nachzuzeichnen, die er treffend als "schwärmerisches, mehrfach gebrochenes und unter starker Konkurrenz stehendes Projekt" charakterisiert.

Doch welche Folgen hatte der Traum von der Eroberung des Orients? Wie bedeutend war dieses Kapitel für den deutschen Kolonialismus, wie signifikant war es für das europäische koloniale Projekt?

Die Rückwirkungen dieses Vorgangs auf Deutschland und auf die Gesellschaften des Osmanischen Reiches bleiben in der Darstellung blaß. Auch hätte man sich eine Gesamteinschätzung gewünscht, welche die in der Einleitung aufgeworfenen Fragen zum Themenfeld Kolonialismus noch einmal systematisch aufgreift. Fuhrmann charakterisiert sein Buch bescheiden als "Werkskizze", die zu weiteren Überlegungen anregen soll. Den Zweck hat es erfüllt.

ANDREAS ECKERT.

Malte Fuhrmann: "Der Traum vom deutschen Orient". Zwei deutsche Kolonien im Osmanischen Reich 1851-1918. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2006. 419 S., br., 45,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Malte Fuhrmanns "facetten- und faktenreiche" Studie über die kolonialen Ambitionen Deutschlands im Osmanischen Reich hat Rezensent Andreas Eckert insgesamt überzeugt. Im Mittelpunkt der Arbeit sieht er die Analyse der kulturellen Praxis der Deutschen in der Region und ihr Bestreben, hegemonialen Einfluss zu erlangen. Als Quellen werden diplomatische, militärische und kirchliche Akten, Korrespondenzen, Memoiren und Reiseberichte herangezogen. Eckert hebt hervor, dass die Studie nicht immer leicht zu lesen ist. Besonders die einleitenden Kapitel wirken auf ihn langatmig, und auch sonst findet er immer wieder undurchsichtige Passagen. Zudem hätte er sich mehr über die Rückwirkungen der deutschen kolonialen Bestrebungen auf Deutschland und auf die Gesellschaften des Osmanischen Reiches sowie eine systematische Gesamteinschätzung gewünscht.

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Die Türkei-Tour als Reise in den ganz großen Traum
"Facetten- und faktenreich ... Überzeugend zeichnet der Autor die deutschen Aspirationen im Mittelmeer nach." (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.11.2006)