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Zu den kulturellen Widersprüchen, die den Kapitalismus kennzeichnen sollen, gehört der Gegensatz von romantischem Liebesideal und der kalten Welt der Ökonomie. Das in den USA preisgekrönte Buch zeigt dagegen auf, inwiefern die beiden Sphären sich längst wechselseitig beeinflussen und ineinander übergehen: So, wie die Konsumsphäre in wachsendem Maße auf die Erzeugung romantischer Gefühlszustände abzielt, so geraten die Intimbeziehungen immer stärker in Abhängigkeit von der Inszenierung und dem Erlebnis des Konsums. Die kollektive Utopie der Liebe, einst als Transzendierung des Marktes…mehr

Produktbeschreibung
Zu den kulturellen Widersprüchen, die den Kapitalismus kennzeichnen sollen, gehört der Gegensatz von romantischem Liebesideal und der kalten Welt der Ökonomie. Das in den USA preisgekrönte Buch zeigt dagegen auf, inwiefern die beiden Sphären sich längst wechselseitig beeinflussen und ineinander übergehen: So, wie die Konsumsphäre in wachsendem Maße auf die Erzeugung romantischer Gefühlszustände abzielt, so geraten die Intimbeziehungen immer stärker in Abhängigkeit von der Inszenierung und dem Erlebnis des Konsums. Die kollektive Utopie der Liebe, einst als Transzendierung des Marktes idealisiert, ist im Prozess ihrer Verwirklichung zum bevorzugten Ort des kapitalistischen Konsums geworden.
Autorenporträt
Eva Illouz ist Dozentin am Fachbereich für Soziologie und Anthropologie der Hebräischen Universität in Jerusalem. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Soziologie der Emotionen, der Konsumgesellschaft und der Medienkultur. Zuletzt erschien von ihr Oprah Winfrey and the Glamour of Misery: An Essay on Popular Culture (Columbia Univ. Press, 2003).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2003

Wir blickten über Paris, und dann der Eiffelturm
Romantischer als Bier ist immer noch der Champagner: Eva Illouz über wahre Liebe und souveräne Verschwendung in den Zeiten des Kapitalismus / Von Christian Geyer

Was gibt's denn daran zu deuteln? Der Kapitalismus ist eine Himmelsmacht wie die Liebe. Da er sich ohnehin vollzieht, da er die Sphäre ist, in der wir atmen, bedarf er keiner weiteren Rechtfertigung. So hätten wir es denn auch gern: Die Kapitalismuskritik ist aus, wir gehn nach Haus. Aber gehen wir wirklich alle nach Haus? Ein kleines Völkchen unbeugsamer Kapitalismuskritiker hört nicht auf, Widerstand zu leisten und die Nacht zum Tag zu machen.

Es behandelt Kapitalismus nach wie vor und in den Zeiten der Globalisierung mehr denn je als Kampfbegriff, mit dem sich die Fiktion des unguten Ganzen erst erzeugen läßt. Nicht daß de facto ganze Länder vom Markt ausgeschlossen sind, ist dann der Mißstand, den es zu beheben gilt, sondern der Markt selbst erscheint als das Ungetüm, das die Welt vor die Wand fahren läßt. Wie das Völkchen der Fundamentalkritiker ein solches Ungetüm braucht, um sich als Völkchen zu erhalten, so brauchen andere wiederum das Völkchen, um als Apologeten des Kapitalismus auftreten und Nahrung finden zu können. Man findet solche Apologien zyklisch in Kulturzeitschriften. Hinter ihren geschlossenen Türen werden dann entschlossen offene Türen eingetreten, etwa jene der historischen Entfremdungskritik. Man merkt schon: Solche Rechtfertigungen haben etwas Stapfendes, man möchte ihnen abends nicht auf der Straße begegnen. Charmante Stimmen sind nicht dabei.

Eine einnehmende Stimme indes ist jene von Eva Illouz. Die Jerusalemer Soziologin hat eine gänzlich spielerische Verteidigung des Kapitalismus geschrieben. Sie verteidigt den dynamischen Unternehmer mit den Mitteln der Liebe. "Liebe und die kulturellen Widersprüche des Kapitalismus" heißt der Untertitel ihres Buches "Der Konsum der Romantik". Der Titel zeigt in Richtung Kulturgeschichte, gemeint ist aber eine Soziologie alltagsromantischer Vorstellungen und trivialromantischer Redeweisen. Das Buch denkt angenehmerweise stets mit, daß eine solche Verteidigung sich eigentlich nicht gehört. Zum einen, weil es, wie gesagt, im strengen Sinne nichts zu verteidigen gibt bei etwas, das da ist wie die Luft zum Atmen. Zum anderen, weil die Kollateralschäden eines Systems der globalen Konsumentensouveränität natürlich ins Auge springen - und sei es in der Tatsache, daß etliche Erdbewohner den Status des Konsumenten noch gar nicht erreicht haben, in ihrem Leben auch nie erreichen werden. So mußte Eva Illouz beinahe zwangsläufig das Vergrößerungsglas der Liebe wählen. Wie Georg Simmel die Philosophie des Geldes für die Liebe fruchtbar machte, so nutzt Eva Illouz die Philosophie der Liebe von Georges Bataille, um Erotik und Kapital zu versöhnen. Eine ihrer Thesen lautet: Im Bild der außergewöhnlichen Stunde setzt sich romantische Liebe gerade dadurch dem Markt entgegen, daß sie rituell Luxusartikel konsumiert, welche nur innerhalb des Marktes zu erwerben sind. Champagner halten deshalb die Interviewpartner von Illouz für "romantischer als Bier, Lachs oder Kaviar für romantischer als Hamburger, förmliche Kleidung für romantischer als den Jogginganzug, ein französisches Restaurant für romantischer als eine Imbißstube".

Erzählen läßt sich "Der Konsum der Romantik" als eine Kulturgeschichte des Rendezvous. Eva Illouz benutzt den Begriff der Romantik in seiner angelsächsischen Unbescholtenheit. Als solcher ist er frei von ideengeschichtlichen, kulturkritischen Ambivalenzen, er bezeichnet schlichtweg Momente intensiver, atmosphärisch stark aufgeladener Begegnung: It's magic. Ein Kameramann drückt es so aus: "Ich denke, wenn mich eine Frau zu einem sehr teuren Essen einladen würde, das wirklich gut wäre, und der Wein wäre großartig, und es wäre ein offensichtlich gutes Restaurant, dann würde mich das ihr gegenüber sehr positiv stimmen."

Die Autorin beschreibt zunächst die Verschränkung von Ökonomie und Intimbeziehung im ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts in Amerika: Die Konsumwerbung richtet sich verstärkt auf "romantische" Ideale aus, während die Manifestationen der Zuneigung mehr und mehr vom Warenkonsum imprägniert sind. Im Sinne Simmels kommt es zu einer Versachlichung der Liebe, die nicht als Reinigung von Affektgehalten mißverstanden werden darf, sondern als Darstellung der Affekte im Medium des Konsumguts zu deuten ist. Axel Honneth weist im Vorwort auf die kulturelle Revolution hin, die das Rendezvous als Ersatz für die bürgerliche Institution des "Vorsprechens" bedeutete. Von hier aus wird in der Tat die institutionelle Neuerung des Rendezvous erst greifbar, des selbstarrangierten Treffens eines verliebten, aber noch unentschlossenen Paares außerhalb der elterlichen Wohnung - zentral für Illouz deshalb, weil erst so der Warenwelt im größeren Stil ein Weg in die Romanze eröffnet wird. Ganz anders als zuvor ist man nun darauf angewiesen, eine Konsumkultur zu entwickeln, um der Beziehung eine Gestalt zu geben. Eva Illouz untersucht dies recht anschaulich und faktengesättigt anhand der Lokalitäten, an denen sich öffentlich die intime Anbahnung der Beziehungen vollzog: Restaurant, Kinosaal, Tanzstätte, Auto. Und ihre Interviews zeigen auch die Grenzen der Romantik, wenn die Beziehung wiederum die häusliche Gestalt der Ehe angenommen hat: "Er hat mir nie Blumen gebracht, er ging nie mit mir zum Essen aus, das hörte alles auf! All diese romantischen Gesten!"

Sie springt dann von den dreißiger zu den neunziger Jahren als der "postmodernen Liebesordnung", in welcher es nicht mehr der pure Luxus als solcher ist, sondern die Codes der Natur, des Reisens und der Intimität, welche zur suggestiven Verknüpfung von Liebe mit bestimmten Konsumartikeln herangezogen werden. Zwar bestimmt, so das Resümee, weiterhin der Bedeutungshorizont des romantischen Erlebens den größten Teil der Werbung, aber im optischen Vordergrund stehen die mit dem Konsumgut verbundenen Gelegenheiten zum gemeinsamen Ausstieg aus den Alltagsroutinen. Wie sich Konsumbotschaften und Selbstwahrnehmung der Adressaten wechselseitig stabilisieren und interpretieren, blättert Eva Illouz in einer prägnanten Empirie von Werbemedien und Einzelinterviews mit Hausfrauen, Rechtsanwälten, Kellnern, Ärzten, Dirigenten, Privatdetektiven, Raumpflegern oder Lehrern auf. So entsteht ein Bild von romantisch gefaßter Liebe als konsequent konsumgestützter Passion. Ein Schauspieler: "Wir blickten über Paris, und dann der Eiffelturm."

Mehr als mit Victor Turners Ritualbegriff stützt sich Illouz auf die nur beiläufig erwähnten, aber durchgängig verwendeten Denkfiguren Georges Batailles. Akkumulation und Investition machen den Apparat des Wirtschaftens aus - im Sinne Batailles ein Verschwendungsapparat wie Krieg und Liebe, in welchem die Grenzüberschreitung keine Denkbewegung ist, sondern eine Angelegenheit der Erfahrung, die am Ende nicht vernünftig bewerkstelligt werden kann. Die Unersättlichkeit des dynamischen Unternehmers ist auf das Verbot als Sonderfall der Grenze unbedingt angewiesen, um es überschreiten zu können (nur der Puritaner spricht von "übertreten"). "Wirtschaftsethik" erscheint als Analogon zum Sprachspiel sexueller Normen - man braucht beide, um überhaupt erst eintreten zu können in den Prozeß der menschlichen Entgrenzung, der in seiner Tendenz exzessiv ist - in der Liebe wie im Kapitalismus. Von hier aus erscheint Batailles transgression indéfinie als ein marktkonformes Überschreitungsmodell, das die Grenzen der Nachfrage stets neu durch den Stimulus des Angebots sprengt. Wobei "sprengen" gerade nicht "abschaffen" heißt: Die Grenzen müssen in Kraft bleiben, soll von ihnen der Impuls ausgehen, überschritten zu werden.

Wer sind Roß und Reiter des Völkchens, gegen das Eva Illouz das Schwert Batailles führt? Zu nennen sind auf seiten des deutschen Ostens Wolfgang Engler, auf seiten der transzendentalen Unbehaustheit die "Empire"-Autoren Antonio Negri und Michael Hardt, auf seiten des Populismus Naomi Klein. Während Negri und Hardt in der Globalisierungszeit einen Wechsel des revolutionären Subjekts von der Klasse zur Masse (zur metaphysisch obdachlosen multitude) ausmachen, ist Naomi Klein gegen die Privatisierung von Wasser und Strom.

Zur letzten Konsequenz getrieben sind diese Dinge bei Wolfgang Engler, im Bund der Kapitalismuskritiker gleichsam ein Quereinsteiger. Im letzten Jahr hat er ein Buch mit dem Titel "Die Ostdeutschen als Avantgarde" geschrieben. Darin war zu lesen, daß in Zukunft alles schrumpfen werde, mit Ausnahme der Produktivität, die sich aber auf immer weniger Köpfe verteilen wird, welche sich zu Tode arbeiten, während die anderen in Gefahr sind, sich zu Tode zu langweilen. In dieser Situation sind die Ostdeutschen, die mangels Job jetzt nichts zu tun haben, Avantgarde. Sie können laut Engler dem Rest des Landes schon einmal vormachen, wie man ohne Job mehr zu sich selbst kommt, zum "Leben" eben, weswegen der Staat ihnen fraglos auch das nötige Lebensgeld im Sinne einer Grundversorgung bereitzustellen hätte. Die Masse der Beschäftigungslosen wird zum Altar, auf dem die Gesellschaft in einer ununterbrochenen souveränen Verausgabung ihrer materiellen Überschüsse grandios opfert.

Im genau entgegengesetzten Sinne - statt unser Lebensgeld an der Trinkhalle für Bier zu opfern, opfern wir Champagner für die Romantik - macht auch Illouz geltend, daß es dem Menschen darum geht, Überschuß anzuhäufen, um ihn souverän verausgaben zu können, daß er also im Kern gar nicht auf das Notwendige, sondern auf das Überflüssige gerichtet ist.

Mit dem Buch von Eva Illouz gibt es ein kleines theoriepolitisches Ereignis zu vermelden. Man malt es sich vielleicht am besten so aus: Wenn es Abend wird auf dem Globus, zieht das Völkchen der Kapitalismuskritiker - Engler, Negri, Hardt und Klein - im Fackelzug nach Frankfurt, macht dort halt vor dem Institut für Sozialforschung und ruft Axel Honneth ans Fenster. Der Nachfolger Adornos als Theoretiker des kapitalgestützten Verblendungszusammenhangs gilt ihnen als sicherer Kantonist. Doch Honneth, statt sich wie erwartet in den Protestzug einzureihen, reicht den Wartenden das Büchlein von Eva Illouz - und gibt ihnen damit durch die Blume einen Korb. Und bleibt im Haus. Wie sich vor dem Fenster herausstellt, hat er gar die Schirmherrschaft des Bandes übernommen, hat nicht nur das empfehlende Vorwort geschrieben, sondern das Buch auch in die Publikationsreihe seines Instituts hineingenommen. Im Kapitalismus gibt es keine Liebe - dieser Refrain, bei dem nie so recht klar wurde, was eigentlich Kapitalismus, was Liebe sei, ist in der Frankfurter Sozialforschung von nun an verstummt. Ja, Honneth steigert sich geradezu in das Paradox hinein, für dessen Formulierung er keine Zuspitzung scheut: "Es ist allein der Warenmarkt, sein Reichtum an affektiv besetzbaren Symbolen, der heute die antiutilitaristischen Motive des romantischen Liebesideals am Leben erhält." Wer möchte nach einem solchen Satz noch daran zweifeln, daß sich die Kritische Theorie von dem, was sie einmal Kapitalismuskritik nannte, nachhaltig verabschiedet hat? Auch dies eine Note zum Adorno-Jahr.

Gleichsam im Exkurs entwirft Eva Illouz eine Phänomenologie der Liebe in den Zeiten der wirtschaftlich unabhängigen Partner. Ihnen ist es möglich, auch die Liebe selbst stärker unter dem Gesichtspunkt einer Ökonomie der Gefühle zu fassen. Illouz interpretiert dies als quasi-institutionalisierte Möglichkeit, Liebe und Sexualität auseinandertreten zu lassen, als Tendenz zur "Konsumentenrationalität" auch im Beziehungsleben. Dabei handelt es sich um eine Ökonomisierung des Intimlebens, die hier als historische Errungenschaft betrachtet wird. Denn für Illouz steht fest: Im Blick auf die Emanzipationsbewegungen der romantischen Epoche stellt "die heutige romantische Kultur, wie hedonistisch und ,gewichtslos' sie mitunter auch immer erscheinen mag, den postumen Sieg dieser Liebenden dar".

Illouz nimmt es als gegeben, daß das Reservat romantischer Liebe die Affäre bleibt, derweil die Ehe immer mehr ein Gegenstand therapeutischer "Arbeit" wird. Während die Berufsarbeit mit diesem Typus Ehearbeit voll kompatibel erscheint, stellt der Exzeß der Affäre umgekehrt eine Bedrohung der Erwerbsarbeit dar, des kapitalistischen Herzens. Man versteht von hier aus, warum Bataille für den Ursprung der Verbote den Schrecken verantwortlich macht. Die Verbote, so schreibt er in seiner alle Kritische Theorie jetzt auch von innen sprengenden "Erotik", "haben sich mit einer Art Schrecken aufgedrängt, weil die Geistesverfassung, die die ruhige Ordnung der Arbeit garantiert, anders nicht aufrechterhalten werden kann".

Aber so unbedingt das Verbot daherkommt, so unbedingt bleibt der Anspruch, es hinter sich zu lassen. Denn ein Schrecken steht nicht nur am Ursprung der Verbote, ein Schrecken steht auch am Ursprung ihrer Überschreitungen: Es ist der Schrecken, den Exzeß nicht zu wagen. "Es ist nur ein Exzeß", schreibt der tumultuarische Geist Bataille, "ein schwindelerregender Exzeß, doch ist es der exzessive Gipfel dessen, was wir sind. Wir können uns von diesem Gipfel nicht abwenden, ohne uns von uns selbst abzuwenden. Wenn wir uns diesem Gipfel nicht nähern, wenn wir uns nicht bemühen, wenigstens die Abhänge zu ersteigen, leben wir wie eingeschüchterte Schatten - und zittern vor uns selbst."

Ist das Lob von wahrer Liebe und souveräner Verschwendung, von dem uns Eva Illouz erzählt, am Ende vergiftet? Es ist nicht vergiftet. Es ist nur schrecklich - der ganz gewöhnliche Schrecken, der wir selber sind.

Eva Illouz: "Der Konsum der Romantik". Liebe und die kulturellen Widersprüche des Kapitalismus. Aus dem Amerikanischen von Andreas Wirthensohn. Vorwort von Axel Honneth. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2003. 322 S., br., 24,90 [Euro].

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.10.2003

Er hat mir nie Blumen gebracht
Venus und Marx: Eva Illouz hat ein melancholisch-kluges Buch über das Schicksal der Liebe geschrieben
„Wenige Leute würden sich verlieben, wenn sie nicht davon gehört hätten”, behauptete La Rochefoucauld. Mehr als dreihundert Jahre später gehört es zu unserem kulturellen Selbstverständnis: Liebe ist eine der wirksamsten kollektiven Einbildungen der Moderne. Anstelle von Religion versammelt die Utopie der romantischen Liebe alle Sehnsüchte nach Befreiung vom Alltag, nicht-instrumenteller Verschwendung und Überschreitung der ökonomischen Rationalität.
Die Übertragung des Heiligen auf die Liebe hat Emile Durkheim, auch er ein Franzose, beschrieben. Gleichgesetzt mit Glück, als reines Gefühl herausgelöst aus ökonomischen und familiären Zwängen wird die Liebe mit Bedeutungen angereichert, die aus ihr ein höchst wirksames Gebräu machen, ein Mittel zur Transgression des Alltäglichen und gleichzeitig ein Mittel, um das Profane zu romantisieren. In den Händen des Marktes und der Konsumkultur wird sie zur Superdroge. Manch einer behauptet heute, sie sei der Stützpfeiler unserer herrschenden Ordnung. Der Kapitalismus hat die Liebe kolonisiert und trotzdem: Ohne sie läuft nichts. Die romantische Liebe steht im Gegensatz zur kalten Welt der Ökonomie, und doch ist ihre Verwirklichung abhängig von Konsum im weitesten Sinne. Umgekehrt: Was wäre unsere Werbung, unsere Warenwelt ohne die Energie der Liebesutopie, mit der sie die Waren zu Sehnsuchtsobjekten auflädt, zum abrufbaren Traum?
Eh man sich versieht, ist man mitten drin in der Kapitalismuskritik. Schlägt sich herum mit diesen Franzosen, Kultursoziologen, Medienphilosophen. Und die Liebe? Wie halten es die Kinder und Kindeskinder von Marx und Coca-Cola mit der Liebe? Es wird fleißig weiter geliebt, nur anders. Aber wie anders? Da wird es erst eigentlich interessant. Das wusste Eva Illouz, Soziologin und Anthropologin an der Hebräischen Universität Jerusalem, und schrieb ein Buch darüber. Preisgekrönt in den USA, wurde „Der Konsum der Romantik” jetzt eingereiht in die Schriften des Frankfurter Instituts für Sozialforschung.
Illouz hat ein gedankenreiches, anregendes Buch geschrieben, gut lesbar auch dort, wo der wissenschaftliche Charakter zutage tritt. Sie kommt zu einigen überraschenden Ergebnissen, die dem gängigen Kulturpessimismus ein freundliches Schnippchen schlagen. Undogmatisch und souverän, lässt sie sich von keiner Idee hinreißen. Sie bleibt immer im Diskurs, zu jedem Ergebnis hat sie drei neue Fragen.
Eva Illouz beginnt, wo der ganze Schlamassel angefangen hat: wo der kapitalistische Markt in die private Sphäre der Liebe eingedrungen ist. In den ersten Kapiteln des Buches folgt sie dem „Vermarktlichungsprozess”, der schließlich Konsum und Liebe so widersprüchlich verschränkt hat. Ihre historische Rückschau auf das erste Drittel des 20. Jahrhunderts in den USA illustriert anhand von damaligem Werbematerial eine komplementäre Entwicklung: einerseits die „Romantisierung der Waren” durch die Werbeindustrie und die Unterhaltungsmedien – etwa beim Champagner, der den romantischen Abend zu zweit suggeriert, oder beim Auto, mit dem man den gemeinsamen Wochenend-Ausbruch aus dem Alltag assoziiert – und andererseits die „Versachlichung der romantischen Liebe”: Eine wachsende Zahl von Konsumartikeln drang in die Liebesbeziehung ein, indem sie die entsprechenden Gefühle, Wünsche und Phantasien symbolisch verkörperten: all die Blumen, Geschenke, Schmuckstücke und andere Accessoires wie Champagner, gutes Essen, festliche Kleidung, aber auch Konsumartikel im weiteren Sinne wie der Urlaub am Strand und der Kinobesuch, die ihrerseits wieder an die Benutzung weiterer Konsumartikel geknüpft sind.
Möglich wurde all dies vor allem durch eine kulturelle Revolution, nämlich das date, die Verabredung zweier Liebender außerhalb der familiären Sphäre. Nun, wo sich das Kennenlernen und Werben in der marktvermittelten Öffentlichkeit abspielt, wo sich Liebespraktiken mit dem Akt des Konsumierens verschränken, wird das Konsumieren selbst zum symbolischen Ausdruck des Verliebtseins. Das Konsumieren wird zum Ritual der Liebe: „Romantische Praktiken beinhalten grenzüberschreitende Rituale, die den Werten der Produktionssphäre entgegenstehen . . ., doch diese Rituale basieren letztlich auf dem Markt.” Die Autorin sieht diese im Konsum eingebetteten Rituale durchaus als probates Mittel, Liebesbeziehungen, die heute – als reine Emotion – unter einem großen Druck stehen, zu erneuern und zu verfestigen. Gut so. Deshalb wird eben fleißig weitergeliebt. Denn es funktioniert.
Das rettende Wort
In der zweiten Hälfte des Buches – und gegen Ende des Jahrhunderts – geht Eva Illouz noch weiter. Indem zunehmend die Utopie der romantischen Liebe von der Ehe, sprich von Arbeit, Disziplin und ökonomischen Erwägungen, dissoziiert wurde, wuchsen ihr immer stärkere Bedeutungen zu. Die Liebe wurde eine Art wirkmächtige Gegenwelt, wiewohl sie vom Diskurs des Konsums nicht mehr zu trennen ist. Die romantische Liebe, so Illouz, weist die Widersprüche unserer Kultur des Spätkapitalismus in gleichsam konzentrierter Form auf.
Und da liegt das Problem. Im selben Maß, wie die Narrative der Massenmedien den alltäglichen Liebesgeschichten Bedeutung verleihen, messen sich diese auch an ihr – ein Spannungsverhältnis, das vor allem langfristige Beziehungen unter Druck setzt: „Er hat mir nie Blumen gebracht, er ging nie mit mir zum Essen aus, das hörte alles auf! All diese romantischen Gesten!” klagt eine Frau aus der Arbeiterklasse – eine von vielen Befragten. Die Untersuchung von Illouz zeigt an einer Vielzahl von Gesprächen die Innenansicht dieses Spannungsverhältnisses. Die Affäre und der von Zwängen befreite Sex bieten noch die Intensität und die Transzendenz der profanen Welt. Den meisten ist jedoch bewusst, dass die Verwirklichung der Utopie der Liebe im Alltag und vor allem in der Ehe einer Menge profaner Mühe und Rationalität bedarf. Eva Illouz stellt einleuchtend dar, wie Liebende aus der Mittel- und oberen Mittelschicht dabei privilegiert sind: Ihnen stehen nicht nur durch ein höheres Einkommen und mehr Freizeit die Konsum-Mittel zur Verfügung, ihr Liebesverhältnis rituell zu erneuern. Sie verfügen auch über eine höhere „kulturelle Kompetenz” und damit über ein größeres Repertoire, besonders über den Weg des Redens ihre Liebesutopie mit dem Alltag zu verweben. Die soziale Ungleichheit, die daraus erwächst, ist ein Preis, der im Kapitalismus zu zahlen ist.
Axel Honneth, Leiter des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, hebt in seinem ausgezeichneten Vorwort diesen Aspekt der politischen Ökonomie besonders hervor. Ein anderer Zusammenhang liegt Illouz mindestens ebenso am Herzen: Ihr ist es wichtig, ohne moralischen oder kulturkritischen Blick die Widersprüche zu entwirren, in die die Liebe in den Zeiten des Kapitalismus verwickelt ist. Dabei stößt sie auch auf eine Reihe von Vorteilen, die besonders die postmoderne Ausprägung unserer Kultur mit sich bringt: größere Gleichberechtigung der Geschlechter in der Liebe, mehr Autonomie in der Partnerwahl und in den Liebespraktiken, größere Kontrolle über unser Liebesleben, mehr Selbsterkenntnis und Bereitschaft zur Reflexion.
Gleichwohl wird sie im Lauf des Buches, im Verlauf der Gespräche mit den Befragten immer skeptischer. Den sozialen und kulturellen Kosten, den unwiederbringlichen Verlusten widmet sie ihr Schlusskapitel. „Ob wir bereit sind, diesen Preis zu zahlen, ist eine wichtige, jedoch müßige Frage, denn wir haben ihn bereits bezahlt.” Vielleicht wird eben doch nicht fleißig weitergeliebt. Die postmoderne Liebe dreht La Rochefoucaulds Behauptung um: Viele Menschen bezweifeln schließlich, dass sie verliebt sind, weil sie zu viel darüber gehört haben.
KATHRIN KOMMERELL
EVA ILLOUZ: Der Konsum der Romantik. Liebe und die kulturellen Widersprüche des Kapitalismus. Aus dem Englischen von Andreas Wirthenson. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2003, 297 Seiten, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Elisabeth von Thadden hat in Eva Illouz eine legitime Nachfolgerin der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule ausgemacht und ist der israelischen Soziologin durch das Verstrickungsgebilde von Liebe und Kapitalismus gefolgt, bis hin zu der Erkenntnis: Je mehr die Liebe, die romantische Liebe moderner Spielart, eigentlich von Nützlichkeitserwägungen abgetrennt wurde, desto stärker wurde sie umschlungen und schließlich eins mit dem Warenkonsum. Fast alle unserer Ausdrucksformen von Liebe sind käuflich. Die Liebe, gedacht als anderer Ort des Marktes, ist gar nicht möglich ohne ihn. Das Versprechen der Freiheit, das von der Liebe ausgeht, führt also in eine Aporie und in eine immerwährende "Zerreißprobe", der wir unweigerlich ausgesetzt sind: Wir versuchen, etwas Einzigartiges auszudrücken und damit zu verwirklichen, und gehen einkaufen. Wir wollen lieben, aber wir müssen auch lieben, denn "nur so wird der Mensch zum Original", und Individualität ist Voraussetzung - auf dem Markt, in der Liebe. Die Rezensentin kann das Buch uneingeschränkt empfehlen: "Methodisch angstlos", an Theorien von Durkheim, dem Ethnologen Victor Turner und Bourdieu anknüpfend, habe Illouz ein faszinierendes Buch komponiert, eine Studie, die "vor Paradoxien birst" und "trotz ihrer abenteuerlichen Komplexität höchst unterhaltsam" ist.

© Perlentaucher Medien GmbH
Entzauberung der Liebe "Wir sind auf einem gewagten Parforce-Ritt durch die Geschichte eines Mythos voller Paradoxien! Eva Illouz beschreibt ein permanentes Spannungsverhältnis. Der Kapitalismus hat die Liebe kolonialisiert." (3sat) Wir blickten über Paris, und dann der Eiffelturm "Ein theoriepolitisches Ereignis." (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.10.2003) Küssen wie im Kino "Die überaus anregende und provokative Studie verbindet die Tugenden einer theoretisch versierten und materialgesättigten soziologischen Untersuchung und einer essayistisch-pointierten Kulturanalyse, die gleichwohl nie in überzogene Generalisierungen verfällt." (Frankfurter Rundschau, 08.10.2003) Der Preis der Liebe "Der Studie gelingt eine Gratwanderung: Sie ist trotz ihrer abenteuerlichen Kompelxität höchst unterhaltsam." (Die Zeit, 09.10.2003) Die Redaktion empfiehlt "Ein Glanzstück der Sozialforschung." (Die Zeit, 16.10.2003) Er hat mir nie Blumen gebracht "Eva Illouz hat ein melancholisch-kluges Buch über das Schicksal der Liebe geschrieben ... Gedankenreich, anregend, gut lesbar auch dort, wo der wissenschaftliche Charakter zutage tritt." (Süddeutsche Zeitung, 23.10.2003) Wieso ist Wein romantischer als Bier? "Das Buch zeigt mit unbarmherziger Nüchternheit, wie sehr alles, was wir unserem ureigensten Erleben zuschreiben und für den Kern unserer Subjektivität halten, gesellschaftlich bestimmt und verfasst ist." (Tages-Anzeiger, 27.11.2003) ZEIT-Mitarbeiter empfehlen Bücher zu Weihnachten "Ein soziologisches Meisterstück über die heillose Verstrickung der modernen Liebe in die Tücken des Kapitalismus." (Die Zeit, 04.12.2003) Klüger werden mit Eva Illouz "Woher kommt die Verquickung von Liebe und Geldausgeben?" (Der Spiegel, 20.12.2003) Lebenslange Liebe jetzt günstiger, alles muss raus "Neugierig, erfrischend vorurteilsfrei, aber auch reichlich illusionslos leuchtet die Soziologin und Anthropologin Eva Illouz in ihrer in den USA preisgekrönten Studie das Gefühl aller Gefühle inZeiten des allgegenwärtigen Kapitalismus aus." (Wochenendbeilage der Stuttgarter Zeitung, 20.12.2003) Kostspielige Romantik "Illouz' zentrale Frage lautet: Was ist aus der Idee der romantischen Liebe geworden, nachdem sie durch den Einsatz von Waren als Liebesträger in den Prozess der kapitalistischen Güterzirkulation einbezogen wurde?" (Financial Times Deutschland, 23.12.2003) Die romantische Utopie "Eine brillante Studie." (Der Spiegel, 11.01.2004) Es sind die Rituale, für die man zahlt "Zum großen Wurf wird das Buch durch die Fragen, die es stellt, und durch den hellsichtigen Blick auf Widersprüche in Kultur und individuellem Verhalten, die der Leser an sich selbst kennt." (Berliner Zeitung, 12.01.2004) Romantik "Eine pointierte Analyse unserer Liebeskultur." (GEO, 16.09.2004) Konsumier mir Liebe "Eine eindrucksvolle Studie." (Freitag, 24.06.2005)…mehr