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Diego und Teresa lieben sich. Er ist Journalist bei einer Madrider Zeitung, sie war vor der Ehe eine vielversprechende Pianistin. Beide genießen ihr Glück, das durch die kleine Tochter Berta vollkommen zu sein scheint. Die heißen Julitage verbringen sie außerhalb der Hauptstadt in der ländlichen Sierra. Berta spielt im Garten, Teresa sitzt am Klavier und Diego arbeitet an persönlichen Aufzeichnungen, als das Telefon klingelt. Die Madrider Redaktion teilt Diego mit, dass in Nordafrika Teile des spanischen Militärs unter General Franco gegen die linke Regierung geputscht haben sollen. Er möge…mehr

Produktbeschreibung
Diego und Teresa lieben sich. Er ist Journalist bei einer Madrider Zeitung, sie war vor der Ehe eine vielversprechende Pianistin. Beide genießen ihr Glück, das durch die kleine Tochter Berta vollkommen zu sein scheint. Die heißen Julitage verbringen sie außerhalb der Hauptstadt in der ländlichen Sierra. Berta spielt im Garten, Teresa sitzt am Klavier und Diego arbeitet an persönlichen Aufzeichnungen, als das Telefon klingelt. Die Madrider Redaktion teilt Diego mit, dass in Nordafrika Teile des spanischen Militärs unter General Franco gegen die linke Regierung geputscht haben sollen. Er möge doch kurz in die Madrider Redaktion kommen. Als Diego sich von Teresa und Berta verabschiedet, ahnen sie nicht, dass sie sich niemals wiedersehen werden, und dass sie schon bald vor den Scherben ihres Lebens stehen werden. Nach kurzer Fahrtdauer erkennt Diego mit Schrecken, dass die Aufständischen bereits im Herzen Spaniens sind. Mitten in der Sommeridylle ist ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Diego g erät zwischen die unklaren Fronten von Bürgermilizen, Falangisten und Kommunisten. Fassungslos sieht er Arbeiter und Frauen bewaffnet in den Kampf gehen. Verzweifelt versucht er zu seiner Familie zurückzukehren; doch Soldaten beschlagnahmen seinen Wagen, um Verwundete zu transportieren. Zur gleichen Zeit wird Teresa von Nachbarn als Ehefrau eines sozialistischen Journalisten denunziert und zusammen mit ihrer Tochter aus dem Haus getrieben. Mit Hilfe einer Bekannten gelingt es ihr, zu ihrer Familie in den nationalistischen Teil Spaniens zu gelangen. Doch die Erleichterung über die Rettung erweist sich als verfrüht. Teresa wird als Linke beschimpft und angefeindet. Schließlich hält sie den Druck nicht mehr aus und versucht mit Hilfe ihrer liberalen Freundin Laura nach Portugal zu fliehen. In der Nacht vor der Flucht wird Laura verhaftet und verrät unter der Folter Teresas Plan. Teresa ist verloren. Diego hat im Kriegschaos von Madrid erfahren, dass Teresa bei ihrer Familie ist. Er mel det sich an die Front und wird verwundet. Im Durcheinander von Verletzten und Toten gelingt es ihm, Papiere und Uniform eines toten Soldaten der Franco-Truppen zu stehlen. Nach seiner Genesung macht er sich auf den Weg zu Teresa. Doch beim ersten Telefonanruf erzählt deren jüngere Schwester von der Verhaftung. In Panik bricht er nach Zamora auf, wo er Teresa zu finden hofft. Als er schließlich ankommt, ist Teresa bereits erschossen worden. Auf der Strasse begegnet er seiner Tochter Berta an der Hand eines Kindermädchens, doch die Kleine erkennt den fremden Mann nicht. Diego bringt nicht mehr die Kraft auf, Berta zu sich zurückzuholen. Gebrochen geht er ins Exil. Im spanischen Bürgerkrieg (1936 bis 1939) verliefen die Fronten quer durch Dörfer und Straßen, quer durch Familien und Freundschaften. Mehr als eine Million Menschen starben. Was diese Zahlen für den einzelnen bedeuten, hat Carlos Saura in seinem Roman erzählt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.07.2001

Ein Mord, wie von Goyas Hand
Bilder aus dem Spanien Francos: Carlos Sauras erster Roman

Er ist sein "Großer Vaterländischer Krieg": der Spanische Bürgerkrieg der Jahre 1936 bis 1939. Gut ein Dutzend Filme hat Carlos Saura über die Bourgeoisie der Franco-Ära, deren psychopolitische Komplexe und Probleme gedreht. Vor allem in Spanien und auch in Frankreich sind sie große Kino-Ereignisse gewesen. Noch 1989 sang Saura in "Ay Carmela" ein Hoheslied auf Mut und Menschenwürde in der Figur einer von den Frankisten hingerichteten Wanderschauspielerin. Dieser vielbeachtete, sehr atmosphärische Film hat nun, über ein Jahrzehnt später, im Debütroman des Regisseurs ein Pendant bekommen.

Diego sitzt am Tisch und schreibt. Es herrscht ein wunderbares Licht. Seine Tochter Berta spielt mit einem roten Tuch. Ein perfekter Moment im Sommer, im Frieden, ein Moment des Glücks - ein Bild, das so stark auf Diego wirkt, daß er es in Erinnerung behält, als der Bürgerkrieg mit Franco beginnt und er von seiner Tochter und seiner Frau Teresa getrennt wird. Die Trennung wird zum Hauptmotiv des Romans. "Von einem Tag auf den anderen hatte sich alles verändert. Wer gestern dein Freund war, konnte heute unversehens zu deinem Feind geworden sein. Argwöhnische Blicke, die Furcht, verraten zu werden, und die Angst vor Racheakten würden ab sofort an der Tagesordnung sein."

Während Diego, der als Journalist bei einer sozialistischen Zeitung arbeitet, in die Madrider Redaktion zurückgerufen wird, flüchtet Teresa aus Angst vor rechten Übergriffen und taucht bei ihrer nationalistisch gesinnten Familie in Zamora unter. Eine Rettung auf Zeit: Von Anfeindungen in ihrer Umgebung getrieben, versucht Teresa, über Portugal zu ihrem Mann auf die republikanische Seite zu wechseln. Der Plan mißlingt; Teresa wird hingerichtet. Diego, der, als verwundeter Frankist getarnt, nach Zamora gelangt, kommt zu spät.

Daten und Fakten des Bürgerkrieges, Lager und Allianzen sind in diesem melancholischen und zugleich spannend konstruierten Roman zweitrangig. Wo die Grenzen zwischen Bürgermilizen, Falangisten, Kommunisten, Arbeitern und Militärs verlaufen, ist nicht klar zu erkennen. Wie in seinen Fotografien und Filmen will Saura seinen Gegenstand nicht analysieren. Ihm geht es vielmehr darum, die Seelenzustände der Menschen im Krieg zu beschreiben, von Menschen, die von einem "Ausmaß an Rachsucht, Gewalttätigkeit und Grausamkeit" erfaßt werden, "wie es sich vorher niemand hätte ausmalen können". Familien und Freundschaften geraten zwischen die Fronten.

Für Saura ist "das Schrecklichste an den großen Katastrophen die Schnelligkeit, mit der sie in Vergessenheit geraten". Unlängst hat er die Zeit als ein "großes, wildes Tier" bezeichnet, "das alles auffrißt". Bei seinen Bemühungen, gegen das Vergessen anzuschreiben, ist Saura nicht allein. Weit über ein halbes Jahrhundert nach Francos Sieg, nach rund 600 000 Toten auf beiden Seiten, hat diese Motivation namhafte spanische Autoren erfaßt, darunter Antonio Muñoz Molina und Rafael Chirbes, der den Begriff "Kainsland" für das Spanien des Bürgerkrieges prägte.

Nostalgisch oder gar romantisierend wirken Sauras Beschreibungen trotz des Gedenkens der Vergangenheit nicht. Distanziert, wie mit dem kalten Auge der Kamera eingefangen, wird das Geschehen berichtet. Ähnlich wie Regieanweisungen - "Wir wollen ein wenig näher an ihn herantreten" - lesen sich einzelne Passagen. Immer wieder werden sie unterbrochen von den ganz persönlich gehaltenen Stimmen der Protagonisten, allen voran Diego: "Ich träume, daß jemand einen anderen Menschen erdolcht, wie auf einer Zeichnung Goyas. Die Brutalität und Rachsucht im Gesicht des Mörders, seine wirren Haare, der grausam verzerrte Mund . . . Hinter dem Mörder steht ein Riese, der beim Anblick der Szene lacht. Seine Hand, eine gewaltige Pranke, packt den Mörder und führt ihn zum Mund, und aus seiner Kehle kommt das Geheul einer Hyäne, das mich entsetzt . . ."

Die Technik eines routinierten Drehbuchautors und Regisseurs bleibt stets gegenwärtig, auch wenn Sauras Feder nicht immer ganz sicher wirkt - zumindest nicht in der deutschen Übersetzung. Den Eindruck verstärken Platitüden; Frauen beispielsweise werden gern als "bezaubernd" geschildert, und immer wieder zeichnet sich ihr "üppiger Busen" durch Baumwollkleider oder seidene Nachthemden ab.

Saura aber hat mit seinem Buch eine Chronologie von Bildern mit großer emotionaler Tiefe geschaffen; eine Art Film, für den im Kopf des Lesers viel Raum bleibt, da sich die Schilderungen nicht in Details des Kriegsalltags verlieren, den der Autor als Kind noch selbst erlebt hat. So ist der spanische Originaltitel seinen Erinnerungen entsprungen; vor allem durch das Telefon kündigten sich damals Leid, Grausamkeit und Tragödie an. Mit dem Aufruf "Esa Luz!" ("Dieses Licht!") forderten die Milizionäre die Leute auf, das Licht in den Wohnungen zu löschen, um sich vor einem bevorstehenden Bombenangriff zu schützen. Ein Motiv, das als ein im Innern detonierender "greller Lichtblitz" wiederauftaucht, als Diego im Frontlazarett das Bewußtsein verliert, während Teresa im Gefängnishof von Zamora erschossen wird.

Im Epilog erzählt Berta, daß über den Krieg des Jahres 36, den Bürgerkrieg, zu Hause nie gesprochen wurde. Wann immer sie Fragen stellte, antwortete ihr Vater mit Schweigen oder wechselte das Thema. Als Berta eines Tages nicht lockerlassen will und fragt, warum sie die Gespenster der Vergangenheit nicht gemeinsam im Gespräch vertreiben können, sagt Diego mit großem Ernst: "Laß es bitte auf sich beruhen. Es tut so weh." Ein Wunsch, den Saura offenbar nie verspürt hat.

THOMAS SPECKMANN

Carlos Saura: "Dieses Licht!". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Karl A. Klewer. C. Bertelsmann Verlag, München 2001. 255 S., geb., 38,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Preisfrage: es ist kein Roman, es ist kein Film, was ist es dann? - Ein Drehbuch, Sie haben gewonnen! Leider keine Eintrittskarte fürs Kino, denn, so bedauert Kersten Knipp, bislang schwebt dem Regisseur, der hier seinen ersten Roman vorlegt, der Film nur vor Augen. In jedem Satz klingt die Regieanweisung durch, behauptet Knipp, das ohnehin melodramatische Geschehen aus der Zeit des spanischen Bürgerkriegs sei durchgängig im Präsens und "im Modus der Unmittelbarkeit" gehalten - ein monoton und langweilig werdender und sich abnutzender Effekt. Nicht eine Szene, ein Satz, stöhnt der Rezensent, die zum Nachdenken oder Innehalten einladen. Die Republikaner seien die Guten, die Falangisten die Bösen - dazwischen das unschuldige Liebespaar. Von den glänzenden Darstellungen der Komplexität des spanischen Bürgerkriegs eines Max Aubs, einer Ana Maria Matute oder Andres Trapiello ist Sauras Roman für Kersten Knipp Lichtjahre entfernt.

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