In Wien und Budapest studierte er Klavier, an der Sorbonne und in New York Chemie. Hans Landesmanns Metier aber ist das internationale Musikleben. Er gründete 1986 mit Claudio Abbado das Gustav Mahler Jugendorchester, er war als kaufmännischer Leiter und Konzertdirektor der Salzburger Festspiele und als Musikdirektor der Wiener Festwochen tätig. In seinen Erinnerungen erzählt er von der Begeisterung für neue Musik und von den Freundschaften mit Pierre Boulez, Maurizio Pollini oder György Ligeti. Und er legt Zeugnis ab davon, wie es seinem Bruder und ihm gelang, als jüdische Kinder den Zweiten Weltkrieg zu überleben.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.07.2011Glücksfall
für Salzburg
Hans Landesmann, Konzertdirektor
der Festspiele, erinnert sich
Lange stand er im Zentrum der Musikkultur Österreichs, aber im Hintergrund: ruhig, fest, unabhängig. Boulez, Abbado und Pollini verdanken ihm viel. Hans Landesmann, 1932 in Wien geboren, hatte in Paris und New York Chemie studiert und sich im familiären Viehgroßhandel eingerichtet, ehe er ins Wiener Kulturleben einstieg: 1977 wurde er Generalsekretär des Konzerthauses, zwölf Jahre später landete er im Salzburg der Nach-Karajan-Ära, wurde mit dem Belgier Gerard Mortier Direktoriumsmitglied der Festspiele, zuständig für die Finanzen und den Konzertsektor. Konsequent betrieb Landesmann, keineswegs im Schatten Mortiers, die musikalische Erneuerung des konservativen Festivals. Seine Erinnerungen, über die er nun ein Buch geschrieben hat, sind zweierlei: Rechenschafts- und Erlebnisbericht, uneitel erzählt, kritisch den Motiven der Handelnden auf der Spur, aber nie gehässig.
Wenn Landesmann, der Österreicher jüdisch-ungarischer Abstammung, aufgewachsen in Wien und Budapest, an seine Jugend in einer großbürgerlichen Kaufmannsfamilie zurückdenkt, dann geht es um die politische Atmosphäre des Lebens, aber am liebsten um die Neigung zu Kunst und Musik. Eine Pianistenkarriere hatte er anfangs im Sinn. Die Freundschaft mit Claudio Abbado war es, die den Weg wies. Abbado nahm ihn mit zum London Symphony Orchestra; Abbado und Landesmann waren es, die in Wien das Festival Wien Modern aus der Taufe hoben, das European Community Youth Orchestra und das Gustav-Mahler-Jugendorchester aufbauten. Eine Wahlverwandtschaft hatte beide Männer zueinander geführt, ihre Neigung zur neuen Musik und konzertdramaturgisch raren Ideen.
„Das Wichtigste war, die sogenannte Neue Musik so weit wie möglich zu einem Normalfall im Konzertbetrieb zu machen“, so Landesmann, „sie als natürlichen, selbstverständlichen Bestandteil ins Geschehen einzubauen.“ Also in die Traditionsfestung Salzburg. Dem Grundsatz folgte er mit Umsicht und Vorsicht. Er machte dem Intendanten Mortier, dem „gewieften Taktiker und Kommunikator“, die in Salzburg gewagte Öffnung zur neuen Musik und zur Jugend schmackhaft – mit der Plattform „Zeitfluss“ des Pianisten Markus Hinterhäuser. Und Landesmann lockte die Komponisten György Ligeti, Pierre Boulez, György Kúrtag und Friedrich Cerha, die Pianisten Maurizio Pollini und András Schiff nach Salzburg.
Ein Musikmanager der Noblesse, Berater der Künstler – die Einblicke in eine schillernde Musikbranche, ihr Profitdenken und Ängste, ihre Siege und Pannen, kommen aus erster Hand. Er konnte es nicht lassen: Als die Ära Mortier in Salzburg 2001 zu Ende ging, wurde Landesmann Musikchef der Wiener Festwochen. Danach gründete er die Salzburger Biennale neuer Musik. Offenheit, Konzilianz, Neugier: Hans Landesmann war wohl ein Glücksfall für den Musikbetrieb. WOLFGANG SCHREIBER
HANS LANDESMANN: „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“. Erinnerungen, aufgezeichnet von Karl Harb. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2011. 207 Seiten, 19,90 Euro.
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für Salzburg
Hans Landesmann, Konzertdirektor
der Festspiele, erinnert sich
Lange stand er im Zentrum der Musikkultur Österreichs, aber im Hintergrund: ruhig, fest, unabhängig. Boulez, Abbado und Pollini verdanken ihm viel. Hans Landesmann, 1932 in Wien geboren, hatte in Paris und New York Chemie studiert und sich im familiären Viehgroßhandel eingerichtet, ehe er ins Wiener Kulturleben einstieg: 1977 wurde er Generalsekretär des Konzerthauses, zwölf Jahre später landete er im Salzburg der Nach-Karajan-Ära, wurde mit dem Belgier Gerard Mortier Direktoriumsmitglied der Festspiele, zuständig für die Finanzen und den Konzertsektor. Konsequent betrieb Landesmann, keineswegs im Schatten Mortiers, die musikalische Erneuerung des konservativen Festivals. Seine Erinnerungen, über die er nun ein Buch geschrieben hat, sind zweierlei: Rechenschafts- und Erlebnisbericht, uneitel erzählt, kritisch den Motiven der Handelnden auf der Spur, aber nie gehässig.
Wenn Landesmann, der Österreicher jüdisch-ungarischer Abstammung, aufgewachsen in Wien und Budapest, an seine Jugend in einer großbürgerlichen Kaufmannsfamilie zurückdenkt, dann geht es um die politische Atmosphäre des Lebens, aber am liebsten um die Neigung zu Kunst und Musik. Eine Pianistenkarriere hatte er anfangs im Sinn. Die Freundschaft mit Claudio Abbado war es, die den Weg wies. Abbado nahm ihn mit zum London Symphony Orchestra; Abbado und Landesmann waren es, die in Wien das Festival Wien Modern aus der Taufe hoben, das European Community Youth Orchestra und das Gustav-Mahler-Jugendorchester aufbauten. Eine Wahlverwandtschaft hatte beide Männer zueinander geführt, ihre Neigung zur neuen Musik und konzertdramaturgisch raren Ideen.
„Das Wichtigste war, die sogenannte Neue Musik so weit wie möglich zu einem Normalfall im Konzertbetrieb zu machen“, so Landesmann, „sie als natürlichen, selbstverständlichen Bestandteil ins Geschehen einzubauen.“ Also in die Traditionsfestung Salzburg. Dem Grundsatz folgte er mit Umsicht und Vorsicht. Er machte dem Intendanten Mortier, dem „gewieften Taktiker und Kommunikator“, die in Salzburg gewagte Öffnung zur neuen Musik und zur Jugend schmackhaft – mit der Plattform „Zeitfluss“ des Pianisten Markus Hinterhäuser. Und Landesmann lockte die Komponisten György Ligeti, Pierre Boulez, György Kúrtag und Friedrich Cerha, die Pianisten Maurizio Pollini und András Schiff nach Salzburg.
Ein Musikmanager der Noblesse, Berater der Künstler – die Einblicke in eine schillernde Musikbranche, ihr Profitdenken und Ängste, ihre Siege und Pannen, kommen aus erster Hand. Er konnte es nicht lassen: Als die Ära Mortier in Salzburg 2001 zu Ende ging, wurde Landesmann Musikchef der Wiener Festwochen. Danach gründete er die Salzburger Biennale neuer Musik. Offenheit, Konzilianz, Neugier: Hans Landesmann war wohl ein Glücksfall für den Musikbetrieb. WOLFGANG SCHREIBER
HANS LANDESMANN: „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“. Erinnerungen, aufgezeichnet von Karl Harb. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2011. 207 Seiten, 19,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Mit großem Vergnügen hat Rezensent Peter Hagmann die von Karl Harb aufgezeichneten Lebenserinnerungen des österreichischen Kulturmanagers Hans Landesmann gelesen. Ausführlich erzählt er die Lebensgeschichte von Landesmann nach: Der 1932 in Budapest als Sohn wohlhabender jüdischer Kaufleute geborene Landesmann war Chemiker und Kaufmann, bevor er Kulturmanager, Leiter der Wiener Konzertgesellschaft und Konzertdirektor zu den Salzburger Festspielen wurde. Hagmann findet in dem Buch, das sich für ihn stellenweise spannend wie ein Krimi liest, auch einen "schonungslosen" Einblick in die musikalische Szene Österreichs. Zugleich liest er es als Porträt eines großen Kulturmanagers, der in den besten musikalischen Kreisen verkehrt und dennoch menschlich geblieben sei.
© Perlentaucher Medien GmbH
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