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"Ich bin nicht mehr so, wie ich war", sagt Angela Merkel. Von Helmut Kohls "Mädchen" stieg die promovierte Physikerin zur Parteivorsitzenden der CDU auf und sprengte damit alle gängigen Karrieremuster. In der tiefsten Krise, in der ihre Partei je steckte, bewahrte die Pastorentochter aus Ostdeutschland Ruhe und wagte, gegen ihren Förderer Helmut Kohl aufzubegehren. Doch hat sie das politische Profil, um der Union wirklich ein neues Gesicht zu geben? Als die Mauer fällt, ist Angela Merkel fünfunddreißig Jahre alt. Der Schlüssel zum Verständnis ihrer Stärke und ihres politischen Antriebs liegt…mehr

Produktbeschreibung
"Ich bin nicht mehr so, wie ich war", sagt Angela Merkel. Von Helmut Kohls "Mädchen" stieg die promovierte Physikerin zur Parteivorsitzenden der CDU auf und sprengte damit alle gängigen Karrieremuster. In der tiefsten Krise, in der ihre Partei je steckte, bewahrte die Pastorentochter aus Ostdeutschland Ruhe und wagte, gegen ihren Förderer Helmut Kohl aufzubegehren. Doch hat sie das politische Profil, um der Union wirklich ein neues Gesicht zu geben? Als die Mauer fällt, ist Angela Merkel fünfunddreißig Jahre alt. Der Schlüssel zum Verständnis ihrer Stärke und ihres politischen Antriebs liegt in einer Zeit, über die sie selbst nicht gern viele Worte verliert. Jacqueline Boysen ist die Lebensstationen der Parteivorsitzenden nachgegangen und hat politische Weggefährten und Menschen aus dem Umfeld befragt. Es ist ihr gelungen, hinter die dichte, nur selten brüchige Fassade zu dringen. Eine aufregende Biographie über die Ostdeutsche mit der westdeutschen Karriere.

Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.05.2001

Die Frau mit der Maske
Angela Merkel zeigt wenig von sich – ob sie Kanzlerkandidatin der Union werden möchte, lässt sich nur anhand von Indizien klären
JACQUELINE BOYSEN: Angela Merkel, eine deutsch-deutsche Biographie, Ullstein-Taschenbuchverlag, Berlin 2001. 250 Seiten, 16,90 Mark.
Wer wissen will, ob Angela Merkel Kanzlerkandidatin wird oder nicht, braucht das Buch von Jacqueline Boysen nicht zu lesen. Darauf gibt es von ihr keine Antwort. Das kann man der Autorin allerdings nicht vorwerfen; schließlich ist sie keine Hellseherin. Doch von einer Biografie, die zum ersten Jahrestag Merkels im Amt der CDU-Vorsitzenden vorlag, wünschte man sich zumindest eine Einschätzung, wie es denn weitergehen könnte mit ihr – zumal, da sie wegen des Umgangs mit der Kiep-Million stark in der Kritik steht. Kann Merkel die CDU aus der Krise herausführen? Oder ist sie nur eine Übergangserscheinung?
Auf solche Spekulationen wollte sich Boysen nicht einlassen. Sie selbst sagt, das Phänomen Merkel habe sie interessiert, nie aber die Kandidatenfrage. Doch sie gibt einige vorsichtige Fingerzeige auf die Risiken, welche die CDU und Merkel miteinander eingegangen sind. Zum Schluss ihres Buchs beschreibt sie den Essener Parteitag 2000, auf dem die Delegierten Merkel inmitten des Spendenskandals geradezu euphorisch zur neuen Parteichefin kürten – in der Erwartung auf einen raschen Neuanfang nach dem Skandal. Boysen fühlt sich dabei an das Schicksal von Ludwig Erhard erinnert, auf dessen Prinzipien zur sozialen Marktwirtschaft sich Merkel über die Jahre hinweg immer wieder berief. Den hatte die Union 1965 als Kanzlerkandidaten in die Wahl geschickt und im Jahr darauf zum Parteivorsitzenden gemacht. Bald scheiterte er in beiden Ämtern. Aus Sicht Boysens handelte die CDU bei der Nominierung Erhards kurzsichtig: „Die Frage nach seiner Befähigung zum Kanzler stellte niemand”.
Klarer Sieg für die Union
Zwar hinkt der Vergleich: Erhard war als Nachfolger des zurückgetretenen Konrad Adenauer schon zwei Jahre Regierungschef, als er bei der Bundestagswahl 1965 einen klaren Sieg für die Union einholte. Aber wie Merkel war Erhard kein typischer CDU-Berufspolitiker, hatte sich, wie sie, nicht über die übliche Schiene an die Spitze der Partei vorgearbeitet, wurde, wie sie, nicht zuletzt deshalb von ehrgeizigen Unionspolitikern kritisch, wohl auch eifersüchtig beäugt.
Auf der allerletzten Seite lässt Boysen schließlich erkennen, dass Merkel in ihren Augen durchaus Lust auf Neues hat: „Obwohl sie noch nicht bewiesen hat, dass sie der jüngsten Herausforderung, die sie mit der Wahl zur CDU-Vorsitzenden angenommen hat, gewachsen ist, nimmt sie schon Anlauf zum nächsten Sprung. Angela Merkel ist in einen Sog geraten, Druck von außen und ihr persönlicher Ehrgeiz treiben sie an.”
Falsch ist diese Einschätzung wohl nicht. Aber: Wie und wo zeigt Merkel, dass sie auf dem Sprung ist? Wer die CDU-Chefin nicht ständig im Auge hat, braucht Belege, Beispiele, um dieses Urteil zu verstehen.
Überhaupt ist der aktuellere Teil des Buches knapp geraten. Kohls Spendenaffäre und die Rolle Merkels in dieser Krise, die Nachfolgedebatte in der CDU, die ersten Monate als Parteichefin, das Steuer-Debakel der Union im Bundesrat, die Aufregung um das Verbrecherfoto des Kanzlers – all das findet gedrängt auf weniger als 30 Seiten statt. In den Schlusskapiteln zeigt sich, dass Boysen über weite Strecken ein direkter Blick auf Merkel und die Ereignisse in der CDU fehlte. Die Autorin arbeitete als Rundfunkjournalistin in Mecklenburg-Vorpommern, Merkel war dort CDU-Landesvorsitzende. Zu Stande kam das Buch aber ohne Mitwirkung Merkels. Bitten Boysens um Gespräche erfüllte sie nicht.
Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – ist Boysen eine in der Summe ausgewogene und im Gesamturteil faire Beschreibung des Phänomens Merkel gelungen. Das Buch schmeichelt ihr nicht. Seine Grundlage sind Gespräche mit Merkels Jugendfreunden, Studienkollegen, dem Ex-Mann, Arbeitskollegen aus Ost- Berlin, Zeitzeugen der Wendezeit. Neuigkeiten, gar Sensationen, enthält es nicht. Merkel und andere haben das meiste so oder so ähnlich schon früher einmal anderswo erzählt. Doch wer eine Linie in den bekannten Bruchstücken des Lebens jener Frau sucht, welche die wohl erstaunlichste deutsch-deutsche Polit- Karriere nach der Wende absolvierte, wird sie in Boysens Buch finden: die Kindheit im Pfarrershaushalt in der Uckermark, die Studentin in Leipzig, die Physikerin in Berlin, die ersten Schritte in der DDR-Politik nach dem Mauerfall, ihr Aufstieg in der Bundesregierung und der CDU unter Helmut Kohl.
In kühlem, gelegentlich recht trockenem Ton beschreibt Boysen eine Frau, die von Jugend an oft eine Sonderstellung hatte, die sich auf Dauer in keine Schubladen stecken lässt, die sich und andere fordert, leistungs- und willensstark ist, sich biegen und doch störrisch sein kann, ehrgeizig ist, gesellig ist und misstrauisch zugleich, jemand, der offene Konfrontationen nicht sonderlich schätzt, dann aber doch den Mut zu Entscheidungen findet. Aus der Distanz und durch die Augen Dritter blickt Jacqueline Boysen auf das Phänomen Merkel, ohne es vollends zu enträtseln. Sie selbst kommt zu dem Schluss: „Die Politikerin hat ihre Fähigkeit, eine Maske zu tragen, perfektioniert.”
SUSANNE HÖLL
Die CDU-Vorsitzende gilt als leistungs- und willensstark, als störrisch und ehrgeizig. Derzeit ist Angela Merkel wegen der Kiep-Million heftiger Kritik ausgesetzt. Und ihre Partei fragt sich: Macht sie gut, was sie macht?
Foto: Regina Schmeken
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.09.2001

Zumindest der Ehrgeiz ist beiden gemeinsam
Merkel und Stoiber: Über die Kanzlerkandidatur entscheidet der stärkere Machtwille und die Fähigkeit zu intrigieren und zu integrieren

Jacqueline Boysen: Angela Merkel - eine deutsch-deutsche Biographie. Econ Taschenbuch Verlag, München 2001. 250 Seiten, 39,90 Mark.

Peter Köpf: Stoiber - Eine Biographie. Europa Verlag, Hamburg 2001. 274 Seiten, 36,50 Mark.

"Dreh- und Angelpunkt unserer weiteren Entwicklung ist die Konsolidierung der wirtschaftlichen Lage. Wenn es uns nicht gelingt, im Rahmen einer neuen Wirtschaftsordnung Werte zu erwirtschaften, können wir im sozialen und ökologischen Bereich auch nichts verteilen." Dieser Satz stammt von Angela Merkel, aber nicht von der CDU-Vorsitzenden und nicht aus deren Einleitung zu dem Kommissionsbericht "Neue Soziale Marktwirtschaft" vom August 2001, sondern von einer gleichnamigen Verfasserin eines Artikels in der "Berliner Zeitung" vom 10. Februar 1990, auf der Seite 11 ganz unten, mit dem Untertitel: "Unser schweres Erbe und Ludwig Erhards Radikalkur."

Was haben die beiden Autoren und die beiden Texte - die Einleitung und der Artikel - miteinander zu tun? Alles, obwohl die damalige Angela Merkel in der DDR lebte und Pressesprecherin des Demokratischen Aufbruchs (DA) war, die heutige Angela Merkel jedoch in der Bundesrepublik wohnt und Vorsitzende der CDU Deutschlands ist. Die Identität der beiden Autorinnen ist unbestreitbar: Die Begeisterung für Erhard damals wie heute belegt das. Jacqueline Boysen, die außer dem Geburtsort Hamburg wenig mit der von ihr beschriebenen Person gemeinsam zu haben scheint, urteilt, Angela Merkel folge "einem stark idealisierten Bild der Sozialen Marktwirtschaft". Aber immerhin führt die Biographin ihre Leserschaft zu dem in Vergessenheit geratenen Frühwerk der Wirtschaftspolitikerin in der "Berliner Zeitung".

Ein Schwager des Kanzlers?

Noch weniger als Boysen mit Merkel hat Stoibers Biograph Peter Köpf mit seinem Objekt gemeinsam. Die Namensverwandtschaft mit der Frau des gegenwärtigen Bundeskanzlers und der Hinweis im Klappentext, daß der Autor auch schon Gerhard Schröder beschrieben habe, lassen zwar die Hoffnung keimen, hier handele es sich möglicherweise um dessen Schwager, aber diese Hoffnung ist eitel: Köpf setzt Stoiber nicht deswegen mit allen Tricksereien linker Schreiber zu, weil er einem Nahestehenden einen Dienst erweisen wollte, sondern weil er selbst ein in der Wolle gefärbter Linker ist. Daß er mit Schröder nichts zu tun hat, das wird vom Verlag nicht einmal mit der sprichwörtlichen Floskel "weder verwandt noch verschwägert" klargestellt. Es würde ja dem Buch seinen verquersten Kaufanreiz in den Augen einer Stoiber-geneigten Kundschaft nehmen.

Boysen hat eine Biographie zum Kennenlernen der Angela Merkel verfaßt, Köpf hingegen ein Werk, das nur lesen sollte, wer Stoiber schon kennt. Ohne Kenntnis des CSU-Politikers, vor allem aber ohne Kenntnis der deutschen Politik seit 1941 - Stoibers Geburtsjahr -, zumindest seit 1968, als Linke und Rechte in der Bundesrepublik ihren Verfassungskonsens aufgaben, rächt sich die Lektüre bitter, was allerdings in Köpfs Absicht liegt.

Ihre Hauptperson beschreibt Boysen ohne Verdachtschöpfungen und Insinuationen und skizziert das persönliche wie berufliche Umfeld ohne Häme. Als prägend für die Einheitsorientierung der Physikerin sind die westdeutsche Mutter, das "gesamtdeutsche Bewußtsein" des Vaters und auch zufällige Begegnungen der Pfarrerstochter zu erkennen. "Die Moskaureise war für die Fünfzehnjährige ein ungeheures Erlebnis. Sie erinnert sich, wie sie in der Hauptstadt der Sowjetunion zu ihrer größten Überraschung auf die Wiedervereinigung angesprochen wurde - unvorstellbar für das Mädchen aus der DDR."

Das war 1969. Zwei Jahrzehnte später war alles vorbei, der ach so mächtige Ostblock zerbröselte und die Physikerin Merkel machte sich beim DA in Ost-Berlin nützlich. Sie gehörte nicht zu den Dissidenten, zu den Widerständlern und Freiheitsvisionären, man tut ihr nicht wirklich Unrecht, wenn man sagt: Sie fing als Bürohilfe an. Das Frappierendste an der Biographie der heutigen CDU-Vorsitzenden wäre die Liste all der Männer und Frauen, hinter denen sie sich eingereiht hatte - und die sie dennoch alle miteinander im Laufe weniger Jahre überholt hat: von DA-Gründungsmitglied Andreas Apelt bis zum Bundeskanzler und CDU-Vorsitzenden Kohl. Er berief sie zur Ministerin auf Bewährung in einem drittrangigen Ministerium und wenig später dem Namen nach zu seiner einzigen Stellvertreterin im Parteivorsitz. Ihm brachte sie mit einem Artikel in der F.A.Z. den schwersten Streich bei, den Kohl von einem einzelnen Politiker je hinnehmen mußte. Und da war schließlich der designierte Parteivorsitzende Schäuble, der die in die Opposition entlassene Ministerin ohne nennenswerte Hausmacht (Landesvorsitz in Mecklenburg-Vorpommern) zu seiner Generalsekretärin genannten Führungsassistentin machte - und von ihr öffentlich ausgetrickst wurde: Schäubles Sturz war überhaupt nur möglich, weil der CDU in Merkel eine sogar von den Medien hofierte Hoffnungsträgerin erwachsen war, die mit den Regionalkonferenzen den Weg zur Machtübernahme selbst konzipiert hatte.

Mit auf dem Siegeszug?

Man kann Angela Merkels Aufstieg vermeintlich moralisch bewerten, so als habe sie all jene, die ihr die Hand "von oben" entgegenstreckten, an sich vorbei in den Abgrund gerissen; man kann aber auch politologische Maßstäbe anlegen: Sie hat jede Chance genutzt und sich dabei in eigener Sache meist als die Geschicktere und Härtere erwiesen. Fraglich ist jedoch, ob sie dabei ausreichend gelernt hat, bei aller Egozentrik vielen, vielen Weggefährten das Gefühl zu geben, sie seien mit auf dem Siegeszug - so wie es zwei, drei Jahrzehnte vor ihr mustergültig der Meister Kohl gemacht hatte.

Daß es dabei letztlich allein um die eine oder den einen geht und das Team - wie beim über jeden bürgerlichen Zweifel erhabenen Radsport - lediglich Mittel zum eigenen Sieg ist, läßt sich auch am Lebenslauf Stoibers ablesen. Der bisweilen böswillige Biograph Köpf gibt einen Witz wieder, der nach seinen Angaben Anfang 1980 im Bayerischen Landtag kursiert haben soll: "Was ist der Unterschied zwischen Stoiber und einem Terroristen? Terroristen haben mindestens fünf Sympathisanten." "Noch größer war die Häme, wenn der Witz mit der Zahl drei erzählt wurde", ergänzt Köpf. Stoiber war damals Generalsekretär der CSU, und am ärgerlichsten an ihm war in den Augen seiner parteifernen Gegner, daß der blonde Bayer sich von niemanden an der wirklichkeitsgetreuen Einschätzung der Sozialisten diesseits und jenseits "der Mauer" übertrumpfen lassen wollte, allenfalls von seinem Vorbild und Förderer Franz Josef Strauß.

Stoiber war damit im Westen genausowenig "en vogue" wie Angela Merkel mit ihren Ansichten in der offiziellen DDR. Doch auch für ihn war 1989 alles anders. Marxisten hätten gesagt, er und seinesgleichen, also die Antikommunisten, gehörten nun zu den Siegern im Weltmaßstab. In seinem persönlichen Umfeld hatte er im Jahr zuvor schon eine einschneidende Änderung erlebt: Strauß war gestorben - und Stoiber stand im Alter von 47 Jahren zum ersten Mal vor der Chance, sich als eigenständiger Politiker zu beweisen. Bis dahin war zumindest für die Beobachter nie klar, ob sie Stoiber persönlich oder nur die Stimme seines Herrn hörten. Nun aber konnte es keinen Zweifel mehr geben.

Als erste entdeckten die Parteifreunde Streibl und Waigel, daß Stoiber auch ohne Strauß eine Zukunft habe - und hielten ihn von der Erbteilung fern. Es zeugt vom Machtwillen Stoibers, daß er sich damit nie abgefunden hat, und von seinem Machttalent, daß er nacheinander beiden das Erbe entwand. Der Ministerpräsident Streibl machte es ihm leicht, der Parteivorsitzende Waigel um so schwerer. Beim Ringen um die Streibl-Nachfolge offenbarte sich, daß der Innenminister Stoiber über die trickreicheren Mitkämpfer verfügte, etwa über den damaligen Staatssekretär Beckstein. Dennoch konnte Waigel dem weiter bohrenden neuen Ministerpräsidenten lange standhalten, vor allem wohl deshalb, weil Stoiber nach einer (vorzeitigen) Demontage Waigels als Parteivorsitzender als Minister in das Bundeskabinett unter Kohl hätte eintreten müssen.

Ist es historische Perfidie oder das Glück des Tüchtigen, daß Stoiber dennoch Waigel überrundete? Zumindest half ihm dabei ein merkwürdiger Partner. Während Stoiber die Autorität des Vorsitzenden Waigel in der Partei unterhöhlte, suchte der SPD-Vorsitzende Lafontaine das zuvor hohe Ansehen des Bundesfinanzministers Waigel zu zerstören - und hatte damit bei den Wählern Erfolg. In dem Moment aber, als Waigel - zwar nicht in Bayern, aber gemeinsam mit Kohl - die Bundestagswahl verloren hatte und alsbald seinen Verzicht erklärte, war Stoiber am Ziel: Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender zugleich zu sein, was selbst in der ewig regierenden bayerischen Partei nicht selbstverständlich ist.

Beide fakten- und aufschlußreichen Bücher führen zu der Kanzlerkandidatenfrage des Jahres 2002 hin - und müssen außer je einem Hinweis darauf, daß die Bevölkerung in dieser Sache Stoiber mehr zutraut als Merkel, verständlicherweise passen. Doch drei Faktoren könnten bereits jetzt die Vorentscheidung enthalten, obwohl CDU und CSU sich auf eine Entscheidung erst Anfang des Wahljahres festgelegt haben. Faktor eins: Das Geschlecht - bis auf weiteres sind jetzt Frauen auf dem Vormarsch. Faktor zwei: Frau Merkel ist dreizehn Jahre jünger als Stoiber - und Stoiber dreizehn Jahre erfahrener als Merkel. Faktor drei: Frau Merkel führt eine größere Partei als Stoiber. Doch warum sollten sich zwei so ehrgeizige Leute von objektiven Kriterien in ihren Ambitionen beschränken lassen? Letztlich wird der stärkere Machtwille und die Fähigkeit zu intrigieren wie zu integrieren den Ausschlag geben. Und das allerletzte Wort haben die Wähler.

GEORG PAUL HEFTY

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Auf die Frage, ob Angela Merkel Kanzlerkandidatin wird, gibt das Buch keine Auskunft, schreibt Susanne Höll. Und nicht nur der spekulative, sondern auch der aktuellere Teil des Buches sei relativ kurz geraten (die Spendenaffäre, die Nachfolgedebatte). Ausführlicher dargelegt ist offenbar ein Vergleich Merkels mit der Rolle Erhards nach dem Rücktritt des Patriarchen Adenauer. Wenn der Vergleich auch hinke, so konzediert die Rezensentin, dass Merkel genauso wie Erhard keine typische Berufspolitikerin ist und deshalb ähnlich wie Erhard von den Unionspolitikern kritisch beäugt werde. Ausführlich, so Höll, ist auch der durchaus erstaunliche Werdegang Merkels dargestellt. Boysen schreibe kühl und fast trocken, schaffe es jedoch, eine Linie in die bekannten Bruchstücke der Biografie Merkels zu bringen. Boysen blicke mit Distanz auf das Phänomen Merkel, "ohne dieses vollständig zu enträtseln". Der Rezensentin scheint diese Herangehensweise nicht unsympathisch zu sein, zumal Boysen mit dieser Methode ihrer Ansicht nach zu einem "ausgewogenen Gesamturteil" gelangt.

© Perlentaucher Medien GmbH