Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 25,00 €
  • Gebundenes Buch

"Als Sensation gewertet wird Silvennoinens Entdeckung eines bisher unbekannten Einsatz-kommandos Finnland, das im nördlichen Karelien Massenexekutionen an jüdischen und kommunistischen Kriegsgefangenen durchführte." (NEUE ZÜRCHER ZEITUNG) Seit 1933 bis 1944 gab es eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen der finnischen Staatspolizei VALPO und der deutschen Gestapo, die während des Zweiten Weltkriegs gemeinsam gegen Juden, Kommunisten und Partisanen vorgingen. Dies und die Entdeckung eines bisher weder von Staatsanwaltschaft noch von der Geschichtswissenschaft entdeckten…mehr

Produktbeschreibung
"Als Sensation gewertet wird Silvennoinens Entdeckung eines bisher unbekannten Einsatz-kommandos Finnland, das im nördlichen Karelien Massenexekutionen an jüdischen und kommunistischen Kriegsgefangenen durchführte." (NEUE ZÜRCHER ZEITUNG) Seit 1933 bis 1944 gab es eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen der finnischen Staatspolizei VALPO und der deutschen Gestapo, die während des Zweiten Weltkriegs gemeinsam gegen Juden, Kommunisten und Partisanen vorgingen. Dies und die Entdeckung eines bisher weder von Staatsanwaltschaft noch von der Geschichtswissenschaft entdeckten Sondereinsatzkommandos, welches im nicht besetzten Finnland operierte, ergeben zusammen eine Sensation, die unser Bild vom vermeintlich sauberen Krieg im Norden gänzlich auf den Kopf stellt. Erschreckend wird so auch demonstriert, wie demokratisch legitimierte Regierungen totalitär ausgehebelt werden können, wenn Institutionen wie Armee oder Geheimdienst eigene, illegale Wege gehen.
Autorenporträt
Oula Silvennoinen (Helsinki) ist Historiker. "Die geheime Waffenbrüderschaft" (Salaiset Ase-veljet) ist seine 2008 erschienene Dissertation.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.09.2011

Des Waffenbruders dunkle Seite
Finnland und das nationalsozialistische Deutschland in den Jahren 1933 bis 1944

"Geheim" war die deutsch-finnische Waffenbrüderschaft im Zweiten Weltkrieg keineswegs - aber eine Besonderheit in vielfacher Hinsicht. Der ehemalige zaristische General Carl Gustaf Mannerheim, Schöpfer der finnischen Unabhängigkeit 1918, war als Staatschef der einzige Verbündete, den der frühere Gefreite Hitler respektierte. Als Soldaten hatten sich die Finnen im Winterkrieg gegen Stalin 1939/40 höchstes Ansehen erworben. Nur sie betrachtete man in der Wehrmacht als ebenbürtig. Dabei war das kleine Land im hohen Norden zugleich die einzige funktionierende Demokratie in Hitlers Machtbereich. In ihrer Armee dienten Staatsbürger jüdischen Glaubens völlig unbehelligt. Finnland führte nach dem 22. Juni 1941 einen eigenständigen Krieg gegen die Sowjetunion, um sich die von Stalin besetzten Gebiete zurückzuholen - mehr nicht.

In dem Grauen des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges bildete die finnische Front scheinbar einen Lichtblick. Staat, Gesellschaft und Armee konnten daher den Zusammenbruch der deutschen Kriegführung unbeschadet überstehen, während alle anderen deutschen Verbündeten zerbrachen. Das jetzt in Übersetzung vorliegende Buch von Oula Silvennoinen entstand im Rahmen eines Forschungsprojekts des Finnischen Nationalarchivs. Nach einem Anstoß durch das Simon-Wiesenthal Center richtete sich das Interesse zunächst auf die Auslieferung ausländischer jüdischer Flüchtlinge an deutsche Behörden. In der Geschichte des Holocaust galt es, eine Lücke zu schließen.

Der Autor hat seine Untersuchung sehr viel breiter angelegt. Sie zielt auf jene "geheime Waffenbrüderschaft", die zwischen der finnischen Staatspolizei und dem deutschen Sicherheitsdienst seit den dreißiger Jahren bestanden hat. Sie richtete sich auf die Bekämpfung kommunistischer Sabotage, Spionage und Infiltration. Im ersten Teil des spannend und sehr detailliert geschriebenen Werkes bekommt der Leser einen Eindruck von dieser "Alltagsroutine" vor Beginn des Zweiten Weltkriegs. Im Winterkrieg gegen die sowjetischen Aggressoren von den Deutschen im Stich gelassen, blieben die Finnen bemüht, an die positive Zusammenarbeit wieder anzuknüpfen.

Es folgt der problematische Abschnitt des deutschen Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion. Im nördlichen Teil Finnlands scheiterte die Wehrmacht, mit schwachen Kräften Murmansk einzunehmen. Die deutschen verbrecherischen Befehle galten selbstverständlich nicht für die finnische Armee, die unter Führung Mannerheims erfolgreich Karelien befreite. Bislang tatsächlich eher wenig beachtet, aber keine wirklich überraschende Erkenntnis ist der Umstand, dass die Deutschen ein Sonderkommando ihrer Sicherheitspolizei mitbrachten. An der übrigen Ostfront organisierten diese Verbände flächendeckend den Massenmord. Bei den deutschen Truppen in Finnland war ihre Tätigkeit darauf beschränkt, kommunistische Agenten und Sympathisanten, Juden und Kommissare unter den sowjetischen Kriegsgefangenen in den beiden deutschen Lagern ausfindig zu machen. Dazu brauchten sie die Unterstützung ihrer finnischen Kollegen.

Hier liegt der aus finnischer Sicht schwierigste Teil einer Geschichte, die nach 1945 verdrängt oder verharmlost worden ist. Dieses "Komplott des Schweigens" bildet das letzte Kapitel. Dass der Antikommunismus unter den Finnen stark verbreitet war, kann nicht überraschen. Der Antisemitismus hingegen hatte kein großes Gewicht, obwohl unter den Männern der Staatspolizei extrem rechte Anschauungen häufig anzutreffen waren. Er hatte allerdings bei ihnen nicht jene mörderische Konsequenz wie bei den deutschen Kollegen. Der Autor bekennt, dass es ihm nicht möglich war, eine erschöpfende Antwort auf die Frage nach dem Ausmaß der Beteiligung finnischer Behörden am Holocaust zu geben. Auch die Gesamtzahl der Opfer lasse sich nicht beziffern. Sowohl in den beiden deutschen Kriegsgefangenenlagern als auch bei der Überstellung politisch verdächtiger sowjetischer Kriegsgefangener an die Deutschen handelte es sich um einige Hundert - ein Verbrechen, das mit den Dimensionen im deutschen Machtbereich nicht zu vergleichen ist.

Für die finnische Geschichtspolitik bleibt gleichwohl das Erschrecken darüber, dass Nordfinnland im Zweiten Weltkrieg für die eigene Sicherheitspolizei zu einem Ausnahmegebiet geworden ist, wo ungesetzliche Maßnahmen gegen sowjetische Staatsbürger praktiziert worden sind. Während des gesamten Krieges handelte die Staatspolizei im südlichen Teil hingegen strikt innerhalb der Grenzen eines Rechtsstaates, der sich mit einem totalitären Unrechtsregime verbündet hatte. Dass auch eine Demokratie nicht davor gefeit ist, durch den vermeintlichen Zwang des Krieges und ein teilweises Eigenleben des Sicherheitsapparates eine Ausnahmesituation zu akzeptieren, die "eines Rechtsstaates unwürdig war", ist vermutlich eine zeitlose Erkenntnis.

ROLF-DIETER MÜLLER

Oula Silvennoinen: Geheime Waffenbrüderschaft. Die sicherheitspolizeiliche Zusammenarbeit zwischen Finnland und Deutschland 1933-1944. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2010. 384 S., 49,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die zeitlose Erkenntnis, dass selbst eine Demokratie wie Finnland im Zweiten Weltkrieg nicht gefeit war gegen die Duldung von Unrecht, nimmt der Rezensent mit aus der Lektüre von Oula Silvennoinens Buch über die deutsch-finnische Waffenbrüderschaft seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Aufgabe, mit einer Darstellung über die Auslieferung jüdischer Flüchtlinge an die Deutschen eine Forschungslücke zu schließen, erweitert der Autor laut Rolf-Dieter Müller um ein gutes Stück, indem er den Alltag an der finnischen Ostfront beschreibt und hinsichtlich des deutschen Sonderkommandos untersucht. Auch wenn Silvennoinen das Ausmaß der finnischen Kollaboration und die Opferzahlen nicht eruieren kann, innerhalb der finnischen Geschichtsschreibung, so vermutet der Rezensent, wird dieses Buch Erschrecken ausgelöst haben.

© Perlentaucher Medien GmbH