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Im Markus- und im Matthäus-Evangelium begegnet das Tempelwort Jesu als falsches Zeugnis gegen Jesus vor dem Synhedrium, das Johannes-Evangelium hingegen bietet es als auf Jesu Leib bezogenes Herrenwort. Das Lukas-Evangelium kennt das Tempelwort nicht, jedoch klingt es in der Apostelgeschichte im Stephanus-Martyrium an. Zudem begegnet es im Thomas-Evangelium und in 2. Kor 5,1. Trotz dieser Vielzahl von Belegen ist dem Tempelwort bisher noch keine Monographie gewidmet worden, die der komplexen Traditionsgeschichte dieses Logions nachgegangen wäre.Kurt Paesler bringt die genannten Belege in einen…mehr

Produktbeschreibung
Im Markus- und im Matthäus-Evangelium begegnet das Tempelwort Jesu als falsches Zeugnis gegen Jesus vor dem Synhedrium, das Johannes-Evangelium hingegen bietet es als auf Jesu Leib bezogenes Herrenwort. Das Lukas-Evangelium kennt das Tempelwort nicht, jedoch klingt es in der Apostelgeschichte im Stephanus-Martyrium an. Zudem begegnet es im Thomas-Evangelium und in 2. Kor 5,1. Trotz dieser Vielzahl von Belegen ist dem Tempelwort bisher noch keine Monographie gewidmet worden, die der komplexen Traditionsgeschichte dieses Logions nachgegangen wäre.Kurt Paesler bringt die genannten Belege in einen traditionsgeschichtlichen Gesamtzusammenhang und fragt nach den Anfängen der Tempelwort-Tradition. In einem zweiten Teil werden die im Logion begegnenden Motive, besonders das der Tempelerneuerung, untersucht. Der dritte Teil betrachtet das Tempelwort im Rückblick auf die Verkündigung des irdischen Jesus.
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.2000

Die Taten des großen Zerstörers
Von säuberlicher Zerlegung in die Bestandteile war in Jesu Prophezeiungen zum Tempel nicht die Rede

Zur Zeit Jesu bestand nur noch ein jüdischer Tempel, der so genannte zweite, erbaut durch Herodes den Großen. Eigentlich war es der dritte Tempel, wenn man ideologiefrei zählt: als ersten den prächtigen israelitischen Tempel Salomos, den die Babylonier im Jahr 587 vor Christus zerstörten, als zweiten in persischer Zeit das bescheidene Heiligtum des Scheschbazzar, Serrubabel und Jeschua (Buch Esra), das Herodes dann abriss und durch seinen eigenen Tempel ersetzte, an dem von ihm, seinem Sohn Archelaos und seinem Enkel Agrippa I. während sechsundvierzig Jahren (Joh 2,19) gebaut wurde. Dieser fiel im Jahr 70 den Flammen der römischen Legionen zum Opfer - und nur ganz radikale Tempelgläubige erwarten nach fast zweitausend Jahren noch einen Neubau in messianisch dimensionierter Wirklichkeit oder (tragischerweise) anstelle der heutigen Omar-Moschee.

Gleichzeitig gab es aber seit der Zeit Alexanders des Großen auch einen Tempel der Samaritaner, errichtet auf dem Garizim, dem Stadtberg der Konkurrenzstadt Samaria, genau dem Modell des Tempels von Jerusalem nachgestaltet (wie Flavius Josephus sagt) und sogar mit einem echten Hohepriester aus der Jerusalemer Dynastie. Der jüdische Herrscher Jehochanan/Hyrkanos I. von Jerusalem hat ihn um 108/7 vor Christus als illegitimen Rivalen dem Erdboden gleichgemacht, während der im ägyptischen Leontopolis von Onias IV., ebenfalls aus echtem hohepriesterlichem Geschlecht Jerusalems, gegründete Gegentempel sich in der Geschichte verlor. Zudem gab es essenische Gruppen, die den Tempel bestreikten, indem sie - wie wiederum Flavius Josephus angibt - zwar die Abgaben leisteten, aber nicht am Kult teilnahmen aus Protest gegen die falschen Priester und Gottesdienste am heiligen Ort.

Im antiken Judentum wusste man also viel von Tempelbau, -zerstörung und -erneuerung zu erzählen. Wenn die Tempelhüter aller Zeiten dem jeweils vorhandenen Kultbau Unzerstörbarkeit und ewige Dauer zusprachen, da durch ihn der treue Gott seinem Volk unverbrüchlich nahe sei oder im Zeremoniell der Sühne immer wieder nahe gebracht werden könne, haben prophetische Geister des Judentums dem immer wieder misstraut. So erstaunt nicht, dass auch im Neuen Testament, besonders in den Evangelien, mehrmals harsche Kritik am Tempel in Wort und Tat vorkommt. Beim Anblick des Tempels vom Ölberg aus bricht Jesus nicht wie die normalen Pilger in staunenden Lobpreis aus, sondern weint über dieses schöne Stück Untergang, das die entscheidende Stunde der Heimsuchung Gottes nicht erkannt habe (Lk 19,41-44). Die physische Vernichtung des Tempels liegt da durchaus im prophetischen Blick.

Dass der in heiligem Zorn vollbrachte Gestus der "Tempelreinigung" (Mk 11,15-19) als Attacke auf die für das Funktionieren des riesigen Opferbetriebes notwendigen Kauf- und Tauschaktionen eine Infragestellung des gesamten Tempelbetriebes darstellte, verstand man in seiner Gefährlichkeit damals sehr wohl. So ist es stimmig (ob nun historisch oder nicht), dass Jesus beim Verhör vor den Hohepriestern aufgrund seiner radikalen Tempelkritik gerichtet werden soll. Und dem entspricht genau die Verhöhnung des hilflos am Kreuz hängenden Nazareners.

Vor diesem jüdischen und jesuanischen Hintergrund hat Kurt Paesler die historisch-kritische Frage an eine Gruppe von Jesus-Logien gestellt, die von der Zerstörung und (aber nicht immer) Erneuerung oder vom Neubau des Tempels von Jerusalem sprechen. Er hat sich damit - wie es sich für eine Dissertation gehört - in die Schlacht der Argumente begeben, deren tausendfaches Für und Wider keine leichte Lektüre ist, aber die Beherrschung dieser Methode und die behutsame Führung des Lesers von einer eroberten Position zur nächsten beschert einem sogar ein gewisses intellektuelles Vergnügen (was man nicht von allen Dissertationen sagen kann).

Als historisch harter Ausgangspunkt stellt sich für Paesler die folgende, sehr kurze und äußerst präzis beschriebene Szene Mk 13,1-2 heraus: "Nicht ein Stein wird auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde." Diese radikale jesuanische Zusage von Zerstörung des so viel bewunderten und monumentalen Tempels ist in weiteren, sprachlich verwandten Jesusworten aufgenommen und gedeutet worden. In der Radikalität, Unbedingtheit und Gottgewirktheit der Zerstörung liegt, wie Paesler in Anlehnung an eine Formulierung von Rudolf Schnackenburg formuliert, ein Sinnüberschuss, der zur Auseinandersetzung, zur Transformierung und Adaptierung auffordert. So wird in einem ersten Schritt das Handeln Gottes als konkretes Handeln Jesu gedeutet und es entstehen die beiden sehr verwandten Worte Mk 14,58 und Joh 2,19.

Die Ungeheuerlichkeit dieser christologisch ausgerichteten Ansage von Zerstörung macht weitere Verdeutlichungen nötig. Joh 2,19 ("Brechet diesen Tempel, und am dritten Tage will ich ihn aufrichten.") formuliert noch ganz im Rahmen frühjüdischer Erwartungen, wenn er von einer Neuerrichtung des vorher zerstörten Tempels spricht. Mk 14,58 hingegen ("Ich will den Tempel, der mit Händen gemacht ist, abbrechen und in drei Tagen einen andern bauen, der nicht mit Händen gemacht ist.") führt im Zusammenhang mit dem Tempel eine Wortgruppe ("mit Händen gemacht") ein, die aus der Polemik gegen Götzenbilder stammt und den bestehenden Tempel in den Bereich der Götzenverehrung bringt. Dies ist schon ein starkes Stück Auseinandersetzung tempelkritischer Christen mit dem tempelzentrierten Judentum. Wo liegt der Grund für diese dezidierte und polemische Zuspitzung?

Der Grund ist in der rätselhaften und zuerst überflüssig erscheinenden Zeitangabe von den drei Tagen versteckt. Die Analyse aller Texte der hebräischen Bibel, des Frühjudentums und des Neuen Testaments erlaubt Paesler die eindeutige Antwort, dass damit nur die drei Tage zwischen Tod und Auferweckung Jesu gemeint sein können, dass also der auferstandene Herr an die Stelle des Tempels und all seiner Funktionen tritt. Dies illustriert die wunderbar-apokalyptische Aussage, dass im Moment des Todes Jesu der Tempelvorhang riss (Mk 15,38).

Mit seiner klassischen exegetischen Methode eruiert Paesler somit nicht nur ältestes jesuanisches Wortgut in seiner ganzen prophetischen Radikalität, er kann auch aufweisen, wie die Christen dieses Jesuswort fortgeschrieben haben, darin neue Dimensionen entdeckten, aus nachösterlicher Perspektive die christologische Relevanz herausarbeiteten und in Auseinandersetzung mit dem Judentum ihre Argumente bauen konnten. Oberflächliche Betrachter mögen dies Verfälschung nennen, wie es momentan Mode ist. Wer jedoch von der Geschichtlichkeit all unseres Denkens, Sprechens - auch des religiösen - und Tuns auf diesen literarischen und theologiegeschichtlichen Sachverhalt blickt, kann Verständnis für den überschießenden Charakter prophetischen Sprechens und der Produktivität begeisterter Nachfolge haben und vermag zu erkennen, dass ein prophetisches Geschehen von der Ansage bis zu deren vielleicht unverhoffter Verwirklichung stets ein Prozess ist, der nur in der Deutung der prophetisch Glaubenden sichtbar wird. Diese faszinierende Aufgabe hat Paesler nicht nur in Angriff genommen, sondern an einem zentralen Punkt jesuanisch-christlicher Tradition auch gelöst, soweit dies überhaupt möglich ist.

MAX KÜCHLER

Kurt Paesler: "Das Tempelwort Jesu". Die Traditionen von Tempelzerstörung und Tempelerneuerung im Neuen Testament. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1999. 304 S., geb., 108,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Großen Respekt bringt der Rezensent Max Küchler der Dissertation des Theologen Kurt Paesler entgegen. Zwar sei die große Differenziertheit der Argumentation ein Hindernis für die leichte Lektüre - zuletzt aber werfe ihre Entwicklung sogar ein "gewisses intellektuelles Vergnügen" ab. Der Ausgangspunkt der Untersuchung, das Tempelwort Jesu ("Nicht ein Stein wird auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde." Mk 13,1-2), sei sehr gut gewählt und ermögliche im Fortgang die genaue Untersuchung der Deutungen und Umdeutungen dieser Prophezeiung im späteren Christentum - insbesondere als tempelkritische Auseinandersetzung mit dem "tempelzentrierten" Judentum. Paesler habe, so Küchler, mit der "klassischen exegetischen Methode" genau die richtige Herangehensweise gewählt und komme zu überzeugenden Ergebnissen.

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