35,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 2-4 Wochen
  • Broschiertes Buch

Vom geläuterten Historismus bis zur Geschlechtergeschichte: Konjunkturen und Krisen geschichtlicher Großerzählungen in Deutschland nach 1945.
Als Meistererzählung bezeichnet die Geschichtswissenschaft historische Großdeutungen, die für eine bestimmte Zeit oder eine bestimmte historische Erzählperspektive leitend werden. Mit den Konjunkturen und Krisen solcher Großerzählungen in der deutschen Geschichtsschreibung nach 1945 beschäftigen sich die hier zusammengestellten Beiträge.Im Mittelpunkt stehen die drei zentralen Leittexte der deutschen Nationalgeschichte der Nachkriegszeit: die…mehr

Produktbeschreibung
Vom geläuterten Historismus bis zur Geschlechtergeschichte: Konjunkturen und Krisen geschichtlicher Großerzählungen in Deutschland nach 1945.
Als Meistererzählung bezeichnet die Geschichtswissenschaft historische Großdeutungen, die für eine bestimmte Zeit oder eine bestimmte historische Erzählperspektive leitend werden. Mit den Konjunkturen und Krisen solcher Großerzählungen in der deutschen Geschichtsschreibung nach 1945 beschäftigen sich die hier zusammengestellten Beiträge.Im Mittelpunkt stehen die drei zentralen Leittexte der deutschen Nationalgeschichte der Nachkriegszeit: die Rückbesinnung auf einen moralisch gezähmten Historismus und seine Ablösung durch das Konzept des deutschen »Sonderwegs« in der Bundesrepublik auf der einen Seite, die verschiedenen Entwicklungsstadien des ostdeutschen Gegenentwurfs in Gestalt einer sozialistischen Nationalgeschichte auf der anderen Seite. Vor diesem Hintergrund reflektieren weitere Beiträge das analytische Potenzial des Begriffs der historischen Meistererzählung und fragen angesichts der Krise nationalgeschichtlicher Erzählperspektiven nach ihren möglichen Alternativen.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Dr. Christoph Cornelißen ist Professor für Neueste Geschichte an der Goethe-Universität Frankfurt sowie Direktor des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient, Italien.

Dr. Dirk van Laak ist Professor für die Geschichte des 19. bis 21. Jahrhunderts an der Universität Leipzig.

Prof. Dr. Matthias Middell lehrt Kulturgeschichte und ist Direktor des Global and European Studies Institute, des Graduiertenzentrums Geistes- und Sozialwissenschaften der Research Academy und des Centre for Area Studies der Universität Leipzig.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.12.2002

Routiniert brummend
Wie die Historiker Geschichte deuten
Historiker sind nicht gleich von gestern, bloß weil sie sich den Forderungen der Gegenwart entziehen. Das vernehmliche Schweigen des in Halle abgehaltenen Deutschen Historikertages über die Krisen dieser Tage wurde von den meisten Feuilletons flugs als Fluchtbewegung gedeutet. Der Vorwurf suggeriert: Sie könnten anders, wenn sie nur wollten, wie sie sollten. Es wäre in der Tat verführerisch, künftige Historikertage der Öffentlichkeit als Service Center für halbgare Sinnstiftungsangebote anzudienen – vielleicht klappt’s dann ja besser mit der Hochschulfinanzierung.
Glücklicherweise sind die Historiker längst nicht so selbstvergessen wie ihre Kritiker behaupten. Eine Sektion auf dem vorletzten Historikertag in Aachen zog eine Bilanz der deutschen Nationalgeschichtsschreibung nach 1945. Die Beiträge, die jetzt als Buch erschienen, bestätigen eine andere Befürchtung: Die Geschichtswissenschaften besitzen nicht mehr den Schlüssel für die historische Selbstvergewisserung der Gesellschaft.
Mit der deutschen Niederlage erstarb auch die Panegyrik auf den großpreußisch-deutschen Machtstaat. An ihre Stelle trat der mal anmaßend schnarrende, mal routiniert brummende Ton einer neuen „Meistererzählung”. Er gehörte der Historischen Sozialwissenschaft, die Ende der sechziger Jahre ihren Siegeszug antrat. Die These vom „deutschen Sonderweg” verband, so Thomas Welskopp, „dezidierte Westorientierung mit einer Kritik an den restaurativen Zügen der bundesdeutschen Gesellschaft, die dennoch Raum für Identifikation (mit ihren positiven Ansätze) ließ.” Im Kampf um die geschichtspolitische Deutungshoheit konnte diese „historische Meistererzählung” ihre Gegner rechts wie links lange Zeit ideologiekritisch wegbeißen.
Am Ende aber erging es der Sonderweg-Erzählung wie einem Insekt, dessen einziger Zweck die Fortpflanzung ist. Kaum hatte sie die Diskurshoheit erobert, da erschlaffte sie redlich. Ein übriges zur „Zerfaserung” (Konrad H. Jarausch) der Sonderwegsthese trug der Fall der Mauer bei. Allerdings hat bislang keiner der Herausforderer vermocht, sie zu beerben. Hanna Schißler lobt die Geschlechtergeschichte wie ein Rennpferd, dessen beste Zeit vorbei ist, ehe sie so recht begonnen hat. Andere Neuheiten, wie etwa die Alltags- und Kulturgeschichte oder der „linguistic turn”, finden keine größere Beachtung.
Bleibt den Historikern nur die Suche nach einem rettenden Ufer. Andreas Middel erinnert in Anbetracht des 11. September an eine alte Tante namens Weltgeschichte. Jarausch plädiert für eine „Pluralisierung der Narrative”, um „neue Antworten auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu riskieren”. Bis dahin werden Historiker in öffentlichen Debatten häufiger um Dispens bitten müssen – auch wenn die Idee befremdlich wirkt.
FRANK
EBBINGHAUS
KONRAD H. JARAUSCH, MARTIN SABROW (Hrsg.): Die historische Meistererzählung. Deutungslinien der deutschen Nationalgeschichte nach 1945. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002. 255 Seiten, 22,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dass Historiker zur Gegenwart nichts zu sagen hätten, hält Frank Ebbinghaus für ein Vorurteil. Allerdings sei der Zunft die Deutungshoheit in Bezug auf die Vergangenheit abhanden gekommen, so dass auch Aussagen über Gegenwart und Zukunft nicht einfach zu treffen sind. Diese Vorsicht ist berechtigt, befindet Ebbinghaus und verweist auf eine Bilanz der deutschen Nationalgeschichtsschreibung nach 1945, die beim vorletzten Historikertag erarbeitet wurde und nun in Buchform vorliegt. Alle Beiträge bestätigten die Befürchtung, so Ebbinghaus, dass die Geschichtswissenschaften "den Schlüssel für die historische Selbstvergewisserung der Gesellschaft" verloren haben. Seit 1945 verbiete sich großpreußisch-deutsches Machtstaatsdenken, an seine Stelle sei die "Meistererzählung" der Historischen Sozialwissenschaften getreten, referiert Ebbinghaus, die die These vom "deutschen Sonderweg" in Verbindung mit einer klaren Westorientierung und einer internen Gesellschaftskritik behauptete. Nachdem sich die Historischen Sozialwissenschaften endlich durchgesetzt hatten, war auch die Luft raus, beklagt Ebbinghaus und verweist auf mehrere Beiträge in dem Band, die weit und breit keinen ernsthaften Herausforderer für die Nachfolge antreten sehen.

© Perlentaucher Medien GmbH