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Der Konsum gehört zu den Kräften, die die Geschichte bewegen - er prägt den Lebensstil der Menschen und gesellschaftliche Strukturen, beeinflusst wirtschaftliche Konjunkturen und kulturelle Ausdrucksformen, entscheidet über die Stabilität politischer Systeme.Heinz-Gerhard Haupt legt einen knappen und verständlichen Überblick über die europäische Konsumgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts vor. Schon im 19. Jahrhundert wurde ein immer größeres Warensortiment einer sich verbreiternden Verbraucherschicht zur Verfügung gestellt; die Waren wurden zum Statussymbol. Nach dem Ersten Weltkrieg kann…mehr

Produktbeschreibung
Der Konsum gehört zu den Kräften, die die Geschichte bewegen - er prägt den Lebensstil der Menschen und gesellschaftliche Strukturen, beeinflusst wirtschaftliche Konjunkturen und kulturelle Ausdrucksformen, entscheidet über die Stabilität politischer Systeme.Heinz-Gerhard Haupt legt einen knappen und verständlichen Überblick über die europäische Konsumgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts vor. Schon im 19. Jahrhundert wurde ein immer größeres Warensortiment einer sich verbreiternden Verbraucherschicht zur Verfügung gestellt; die Waren wurden zum Statussymbol. Nach dem Ersten Weltkrieg kann man von einer Massenkonsumgesellschaft sprechen: Wie nie zuvor ist weiten Teilen der Bevölkerung der Erwerb von Konsumgütern möglich, die auf eine immer subtilere Weise der sozialen Selbstdarstellung dienen.Mit dem Massenkonsum entstand eine Massenkultur, die durch das Fernsehen ausgeweitet wurde. Zunehmend werden Regierungen, gerade auch in westlichen Ländern, daran gemessen, welche Konsummöglichkeiten sie eröffnen. Der Band ist eine wichtige Ausgangsbasis für weitere Forschungen und für Studierende ein empfehlenswerter Einstieg in ein immer wichtiger werdendes Thema.
Autorenporträt
Der Historiker Prof. Dr. Heinz-Gerhard Haupt lehrte an den Universitäten in Bremen, Halle-Wittenberg und Bielefeld sowie in Florenz, Lyon und Princeton.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.12.2003

Wofür man alles sein Geld ausgibt
Pervers ist, wenn man trotzdem kauft: Heinz-Gerhard Haupt offeriert die Geschichte des Konsums

Konsum war nie eine Selbstverständlichkeit. Das gerät uns Globalisierten leicht aus dem Blick. Nach der Lektüre von Heinz-Gerhard Haupts Einführung in "Konsum und Handel" wird einem die Kulturabhängigkeit des Kaufverhaltens bis ins illustrierte Detail hinein bewußt. Haupt versteht Konsum als "Erwerb von Gütern mit dem Ziel, diese zu verzehren oder zu benutzen". Mit der historischen Entfaltung dieser Definition leuchtet das Thema nun in einer Materialfülle auf, deren Kenntnis zusätzlichen Gewinn verspricht auch für die Lektüre von eher philosophischen Konsumtheoretikern wie Georg Simmel. Läßt sich die Geschichte der modernen Warenwelt nachhaltiger durchdringen als mit einer parallelen Lektüre von Haupt und Simmel?

Konsum hieß im neunzehnten Jahrhundert für Arbeiter, zwei Drittel ihres Lohnes für Lebensmittel auszugeben. Und vor fünfzig Jahren mußte in vielen Teilen Europas immer noch die Hälfte des Einkommens für Nahrung aufgewendet werden. Für den Erwerb von Gebrauchsgütern gab es kaum finanziellen Spielraum. Als sich seit den 1850er Jahren in Europa die Warenhäuser etablierten, zweifelten die bedrohten Einzelhändler deren Seriosität an, vermuteten hinter dem günstigeren Angebot mangelnde Qualität, kritisierte eine bornierte Kulturkritik die Verführung zum Konsum als Beispiel für die Perversität der Zeit. Gerade in den oppositionellen Stimmen zeigte sich natürlich die Unaufhaltsamkeit des kritisierten Phänomens Massenkonsum. Die massiven sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Veränderungen schufen dafür den Rahmen. Langfristig betrachte,t stiegen die Reallöhne in Europa, nahm die Freizeit zu, fand man Arbeit und Auskommen nicht mehr in der Agrikultur auf dem Land, sondern in der Stadt in Industrie oder Dienstleistung. Immer mehr Menschen waren auf Konsumgüter angewiesen. Eine gute Politik wurde auch daran gemessen, wie die Regierung in der Lage war, ihre Bevölkerung mit Konsumgütern zu versorgen.

Heinz-Gerhard Haupt beschreibt diese sozialgeschichtlichen Rahmenbedingungen knapp und konzis. Souverän nimmt er kulturgeschichtliche Fragestellungen auf, wenn er den Konsum gewissermaßen als Duftmarke umschreibt, mit der sich Distinktionsgewinne erzielen lassen. Konsum markierte jedoch nicht nur, er formte und veränderte auch die Gesellschaft. Der Wunsch nach günstigen Angeboten, nach einer möglichst großen Auswahl unter einem Dach, an einem zentralen Ort, ließ die Einzelhandelsgeschäfte allmählich sterben. Zwischen 1962 und 1974 verschwanden allein in der Bundesrepublik über hunderttausend Einzelhandelsläden. Im neunzehnten Jahrhundert diente das kleine Lebensmittel-, Obst- oder Viktualiengeschäft Arbeitern und Unterschichten oft noch als Nischenexistenz und Überlebensstrategie. Heute - zumindest in den Zeiten vor Ausbreitung der Ich-AGs - werden die Lebensmittelläden von ethnischen Minderheiten gegründet.

Haupt schildert diese Entwicklungen in regional vergleichender Perspektive, wobei der Schwerpunkt auf Westeuropa liegt. Die Einteilung in eine Konsumgesellschaft des neunzehnten und eine Massenkonsumgesellschaft des zwanzigsten Jahrhunderts mag einem zunächst etwas starr vorkommen, sie bewährt sich aber als flexibel gehandhabtes Raster zur ersten Strukturierung des Materials. Auf die Früh- und Vorgeschichte des Konsums im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert wird verzichtet. Ungleichgewichtig sind die beiden Hauptteile geraten. Während dem neunzehnten Jahrhundert fast die Hälfte des Textes gewidmet ist, blieben für die Massenkonsumgesellschaft nur ein knappes Viertel - insoweit wird hier aber nur der unterschiedliche Forschungsstand gespiegelt.

Im Bereich des Handels erliegt Haupt der Faszination des Warenhauses. Die neue Unternehmensorganisation, das Licht und die Atmosphäre der Häuser sowie die Diskurse um die Warenhäuser inspirieren ihn zu fünfundzwanzig höchst lesenswerten und aufschlußreichen Seiten, während der Einzelhandel nur knapp berücksichtigt wird - obwohl Haupt, den Leser lockend, die Zeit nach 1850 als "goldenes Zeitalter der Einzelhandelsläden" charakterisiert. Aber das sind nur Akzentfragen. Haupts Buch ist eine Pflichtlektüre für alle, die auf der historischen Frage beharren, wofür sie eigentlich ihr Geld ausgeben.

JÜRGEN SCHMIDT

Heinz-Gerhard Haupt: "Konsum und Handel". Europa im 19. und 20. Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, Göttingen 2003. 176 S., 9 Abb., br., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit Hilfe von Heinz-Gerhard Haupts Definition von Konsum als "Erwerb von Gütern mit dem Ziel, diese zu verzehren oder zu benutzen" leuchte das Thema, lobt Rezensent Jürgen Schmidt, hier "nun in einer Materialfülle auf", deren Kenntnis zusätzlichen Gewinn auch von eher philosophischen Konsumtheoretikern etwa verspreche. Und so feiert Schmidt Haupts Buch dann, indem er es einem großen Werk zur Seite stellt: "Lässt sich die Geschichte der modernen Warenwelt nachhaltiger durchdringen als mit einer parallelen Lektüre von Haupt und Simmel?" Im einzelnen lobt der Rezensent außerdem, wie "knapp und konzis" der Autor die sozialgeschichtlichen Rahmenbedingungen der Geschichte des Konsums präsentiere - Tatsachen wie die etwa, dass noch vor fünfzig Jahren in vielen Teilen Europas die Hälfte des Einkommens für Nahrungsmittel aufgewendet wurde; sowie wie "souverän" Haupt kulturgeschichtliche Fragestellungen wie die nach den mit Konsum erreichbaren "Distinktionsgewinnen" aufnehme.

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