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Sie sind jung, verliebt und unterwegs ans Meer, Kate und Fabien, Fabien und Kate, sie drehen das Autoradio lauter, stemmen die Füße gegen die Armaturen und schließen beim Fahren die Augen. So fangen sommerliche Roadmovies an, manchmal auch abgründige Psychodramen, Armor ist beides auf einmal und einer der seltenen deutschsprachigen Romane, die das Schwerelose und Komische zur literarischen Tugend erheben. Vielleicht, weil so vieles an ihm französisch ist: die Figuren, die Atlantikküste und diese elegante Art, fatale Verwicklungen als Spiel von Anziehung und Abstoßung zu inszenieren. Was eben…mehr

Produktbeschreibung
Sie sind jung, verliebt und unterwegs ans Meer, Kate und Fabien, Fabien und Kate, sie drehen das Autoradio lauter, stemmen die Füße gegen die Armaturen und schließen beim Fahren die Augen. So fangen sommerliche Roadmovies an, manchmal auch abgründige Psychodramen, Armor ist beides auf einmal und einer der seltenen deutschsprachigen Romane, die das Schwerelose und Komische zur literarischen Tugend erheben. Vielleicht, weil so vieles an ihm französisch ist: die Figuren, die Atlantikküste und diese elegante Art, fatale Verwicklungen als Spiel von Anziehung und Abstoßung zu inszenieren. Was eben so passiert, wenn eine Handvoll Menschen an einem entlegenen Ort aufeinandertrifft: Kate und Fabien, arrogant in ihrer Unschuld, die schöne Isabelle und ihr undurchschaubarer Mann Jacques, außerdem das Mädchen Marie. Eine malerische Bucht wird mehrmals aufgesucht, der Verzehr von Schalentieren bleibt nicht ohne Folgen, les femmes sont très fatales, und das Meer - man kann darin auf einen Seeigel treten, man kann darin umkommen. Marcus Braun ist ein Meister reduzierter Szenen und Dialoge, die vieles unausgesprochen lassen und noch mehr vorstellbar machen. In Armor inszeniert er lakonisch leicht ein raffiniertes erotisches Spiel, das an die Filme der Nouvelle Vague erinnert. Man denke an Jean Seberg und den jungen Belmondo.
Autorenporträt
Marcus Braun wurde 1971 in Bullay an der Mosel geboren. Nach dem Zivildienst studierte er Germanistik und Philosophie in Mainz und Berlin. Bisher erschienen von ihm die Romane Delhi (1999), Nadiana (2000), Hochzeitsvorbereitungen (2003) und, als erstes Buch im Suhrkamp Verlag, Armor (2007). Außerdem schrieb er die Theaterstücke Neues vom Untergang des Abendlandes (1993), Väter Söhne Geister (2000), Lernbericht (2001, auch als Hörspiel produziert), Bilder von Männern und Frauen (2003) sowie Deutsche Oper (2005). Marcus Braun lebt in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.08.2007

Im Sud mürrischer Sinnlichkeit
Hauptsache halbherzig: „Armor” von Marcus Braun
Ein Pärchen, Kate und Fabien, fährt im geliehenen roten Alfa Romeo von Kates Mutter offenbar recht ziellos durch Frankreichs Nordwesten, als plötzlich ein großer Stein von einem Brückengeländer fliegt und den Wagen außer Gefecht setzt. Zum Glück hält gleich dahinter ein anderer Wagen, ihm entsteigt die schöne Isabelle und nimmt die beiden mit zu sich nach Haus, wo sie zusammen mit ihrem weit älteren, dafür aber schwerreichen Ehemann Jacques lebt, Architekt schwindelhafter Gezeitenkraftwerke. Man verbringt ein paar Tage gemeinsam am Meer bei St. Malo („Armor”, der gelehrte Titel, hat nichts mit Panzerung zu tun, sondern heißt auf Keltisch „am Meer”), trinkt viel Wein, findet einander attraktiv oder auch abstoßend, es sind Ferien wie in einem Film von Truffaut, ohne den Charme allerdings, alles köchelt in einem Sud mürrischer Sinnlichkeit so vor sich hin, die Akteure (wenn man sie denn so nennen soll) haben aus Trägheit Sex oder lassen es aus Trägheit bleiben, wer mit wem, wird nicht ganz klar, scheint aber auch keine entscheidende Rolle zu spielen.
Gerade als man sich an den Gedanken gewöhnt hat, dass wohl endgültig nichts mehr passieren wird, kommt ein scharfer Zacken in den Handlungsverlauf, Kate verschwindet und wird als Wasserleiche angespült, die Polizei stößt auf Kokain im Alfa, Jacques bricht seiner Isabelle das Nasenbein und hat dafür im nächsten Augenblick eine Spitzhacke im Bauch stecken, und als würde all das nicht genügen, tritt Fabien noch in einen Seeigel und muss für den Rest des Buchs herumhumpeln und sich die Sarkasmen des Arztes anhören. Zum Schluss scheint aber alles halb so schlimm, Kate ist plötzlich wieder wohlauf, ein tragisch verunfallter Sohn kehrt von den Toten zurück, nur Jacques hat seine sauertöpfische Seele wohl wirklich für immer ausgeröchelt.
Vielleicht sollte man das gar nicht so ausführlich erzählen, denn Marcus Braun tut alles dafür, dass es den Leser nicht berührt. Ihm kommt es auf die Stimmung an, eine Art geistesabwesender Coolness; sie ebnet die Temperamente ein und macht die Dialoge zu schweifenden Nichtigkeiten. „Kurze Zeit später versuchte Fabien halbherzig, eine Espressomaschine in Gang zu setzen. ‚Die komischsten Häuser werden von Architekten gebaut.’ ‚Wir sollten den Hund füttern.’ Sie waren allein.” So geht das die ganze Zeit; Hauptsache halbherzig. Braun hat die starke Neigung, dem Banalen durch schiere Behauptung die Qualität des Bedeutungsvollen zuzusprechen. „Das ist eben das Schöne”, vermerkt er aus dem erzählerischen Off, „dass Platitüden alles bedeuten können.” Aber er täuscht sich, wenn er glaubt, dass er damit durchkommt. Was nachher auf dem Papier steht, sind immer noch schlichte mehrwertfreie Plattitüden: „Die Abwesenheit einer Frau hat meistens eine sehr einfache Erklärung und selten eine komplizierte.” Ach ja, die Frauen. Oder: „Der Mensch sagt sich: Ich habe so oft geirrt, warum nicht auch jetzt?” Ach ja, der Mensch. Oder: „Natürlich sind Tiere näher an der Schöpfung, Schwämme und Kiesel auch und Staub und auch der Wind.” Ach ja, der Wind. Das alles auf einer einzigen von 185 kleinen Suhrkampseiten, die sich sehr plustern müssen, damit das Ganze wenigstens von außen wie ein Roman aussieht.
Das Charakterischste und einzig Beunruhigende an diesem Buch ist seine Sympathie für die echte Bosheit. Sie wird nicht eigentlich aktiv, denn dazu sind Braun und seine Figuren ein für alle Mal zu träge. Aber da ist sie doch: Wenn ein Igel gefunden wird und ein rasches kleines Gespräch statthat, dass man ihn, falls man sein Fleisch haben will, bloß lebendig braten müsste, dann würden ihm seine Stacheln gar nichts helfen. Oder Fabien „fiel ein Witz ein, was sonst nicht seine Art war. Mama, Mama, der Hund fickt. Dann schau nicht hin. Aber es tut weh. Geschmackssicher behielt er ihn für sich.” So geschmackssicher ist der Autor nicht, den musste er einfach loswerden. Wer solche Witze erzählt, dem gehe man am besten schweigend aus dem Weg, in der Literatur und auch sonst. BURKHARD MÜLLER
MARCUS BRAUN: Armor. Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 187 Seiten, 17,80 Euro.
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Christoph Schröder will eigentlich nichts Böses sagen über diesen Roman, den vierten von Marcus Braun. Also sagt er, dass die Geschichte die hier erzählt wird, sowohl das "komische Talent" des Autors verrate wie auch seine Fähigkeit, die "unterschiedlichsten Stillagen" auf engem Raum durchaus überzeugend zu versammeln. Überschaubar ist das Personal: Fabien und Kate (ein junges Paar) sowie Isabell und ihr Ehemann Jacques. Man begegnet einander durch Zufall, man ist versammelt im "Land am Meer" (so die deutsche Übersetzung des keltischen Titels "ar mor") und im Spiel sind Sex und Begierde und das Meer und vor allem das "Irgendwie". Im Vagen nämlich bleibt vieles, so Schröder, zu vieles vielleicht, und überdies bleibe die Tonlage auch "komplett cool". Der Rezensent will gar nicht abstreiten, dass der Autor die Vagheit will, die er bietet, und auch nicht, dass er das kann, was er will. Als "Versuchsanordnung" sei der Roman darum durchaus gelungen, aber gerade aufregend oder unvergesslich sei er nicht.

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