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Anders als in Frankreich steht hierzulande eine erneute Debatte um die moderne Kunst noch aus, die Polemik ebenso zu vermeiden hätte wie den Absolutismus der Programmatiker der Moderne. Zu einer solchen Diskussion möchten die hier versammelten Arbeiten einen Anstoß geben, indem sie, ausgehend von Adorno, mögliche Konsequenzen aus dem Alten der Moderne ziehen, eine Revision des Modernebegriffs vorgeschlagen und in Einzelanalysen zu Duchamp, Picasso, Beckmann, Tàpies, Beuys, Richter und anderen der Frage nachgehen: Was trägt?

Produktbeschreibung
Anders als in Frankreich steht hierzulande eine erneute Debatte um die moderne Kunst noch aus, die Polemik ebenso zu vermeiden hätte wie den Absolutismus der Programmatiker der Moderne. Zu einer solchen Diskussion möchten die hier versammelten Arbeiten einen Anstoß geben, indem sie, ausgehend von Adorno, mögliche Konsequenzen aus dem Alten der Moderne ziehen, eine Revision des Modernebegriffs vorgeschlagen und in Einzelanalysen zu Duchamp, Picasso, Beckmann, Tàpies, Beuys, Richter und anderen der Frage nachgehen: Was trägt?
Autorenporträt
Peter Bürger war Professor für Literaturwissenschaft und ästhetische Theorie der Universität Bremen. Er starb am 11. August 2017 in Berlin.

Joseph Beuys, geboren 1921 in Krefeld, gestorben 1986 in Düsseldorf, ist einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts.

Der Maler, Grafiker und Bildhauer Max Beckmann wurde 1884 in Leipzig geboren, er starb 1950 in New York. Im Insel Verlag erschien u. a. der von ihm illustrierte Goethe'sche Faust.

Gerhard Richter, geboren 1932 in Dresden, ist einer der bedeutendsten bildenden Künstler der Gegenwart. Bei Insel und Suhrkamp erschienen die Bücher Text. Schriften und Interviews (1994) und Abstraktes Bild 825-11. 69 Details (1998).

Peter Bürger war Professor für Literaturwissenschaft und ästhetische Theorie der Universität Bremen. Er starb am 11. August 2017 in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.07.2002

Am Scheidewege
Peter Bürgers Schriften
zur bildenden Kunst
Seit Jahrzehnten ringt Peter Bürger um die Moderne. Wo andere schon längst die Postmoderne hinter sich gelassen und die „Zweite Moderne” ausgerufen haben, ist für ihn die Moderne immer noch Ausgangspunkt des Denkens. Ebenso, wie er in den siebziger Jahren das Ende der Avantgarde verkündet und eine zweite Avantgarde für unmöglich erklärt hat, scheint ihm nun eine „zweite” Moderne nicht angemessen zu sein.
In seinen Aufsätzen aus den Jahren 1983 bis 2000 beschäftigt Bürger im Anschluss an Adorno „Das Altern der Moderne” in der Kunst, die zu einer leicht konsumierbaren Dekoration ihrer Epoche zu verkommen droht. In ihrem Glauben an die Überlegenheit bestimmter künstlerischer „Materialstände” wie beispielsweise der Abstraktion gegenüber der Figuration in der Kunst oder der Atonalität gegenüber der Tonalität in der Musik hat sich die Moderne in einem formalistischen Purismus totgelaufen. Bürger zufolge hat Adorno zwar die frühzeitige, schon in den zwanziger Jahren eintretende Krisenstimmung geschildert, aber nicht radikal genug weitergedacht.
Immer wieder kehrt Bürger in diesen vierzehn Aufsätzen zur aporetischen Situation der Kunst zurück, die in der Folge des avantgardistischen Anspruchs, die Grenze zwischen Kunst und Leben aufzuheben, gleichsam sich selbst aufzuheben scheint: nach Duchamps subversiver Geste, ein Ready-Made zum Kunstwerk zu erklären, kann die Kunst einen Anspruch auf Wahrheit nur dann noch erheben, wenn sie ihre eigene Negation in sich aufnimmt. Merkmale wie die Originalität und oder die Benjaminsche „Aura” verlagern sich vom Werk selbst in den Kontext, in die Erwartungshaltung der Betrachter.
Aus dieser aporetischen Situation der Moderne, die zwischen formalistischem Ästhetizismus einerseits und nicht einlösbarer Selbstauslöschung als Grundlage ihrer eigenen Legitimation andererseits steckenzubleiben droht, sucht Bürger nun einen Ausweg, der nicht zwangsläufig zur Postmoderne führt. Statt „unter dem Banner der Postmoderne” den Bruch mit der Moderne zu proklamieren, fordert er ihre dialektische Weiterentwicklung unter kritischer Einbeziehung der von ihr traditionellerweise tabuisierten Formen wie etwa der Gegenständlichkeit in der Kunst, der Tonalität in der Musik und des realistischen Erzählstils in der Literatur.
Denn der von den Apologeten der Postmoderne beanspruchte „Pluralismus” ist eigentlich ein Charakteristikum schon der Moderne selbst , wie Bürger an verschiedenen Beispielen zeigt. Schon 1917 kehrt Picasso mit dem Bildnis „Olga im Lehnstuhl” zu einem Neoklassizismus zurück, der sich nicht einfach als restaurativ brandmarken lässt, sondern vielmehr aus der Erschöpfung der kubistischen Bildlösungen resultiert. Bereits Picasso hat die postmoderne Pose entdeckt: der Künstler schafft nicht mehr rein aus sich selbst heraus, sondern vertritt nebeneinander die verschiedensten Stile.
Joseph Beuys als Lichtgestalt
Ebenso, wie er nicht bereit ist, die Moderne einfach aufzugeben, ringt Bürger um den Begriff des Subjekts, um den oftmals totgesagten Autor. Statt dem postmodernen Puppenspieler das Wort zu reden, der ohne Anspruch auf Wahrheit oder Gültigkeit die Dinge arrangiert, weist er auch hier wieder auf die auswegslose Situation hin: angesichts des drohenden „Endes der Kunst durch die totale Ästhetisierung des Alltags” zieht sich der moderne Künstler ganz auf sich selbst, auf seine eigene Subjektivität zurück und muss auf der anderen Seite, will er Geltung beanspruchen, dennoch Werke unmittelbarer Evidenz schaffen. Spontaneität und Rationalität, Innen und Außen stehen sich unversöhnlich gegenüber. An den Beispielen Joan Miró und Antoni Tàpies schildert Bürger, wie durch kalligraphische Chiffren der subjektive malerische Ausdruck mit dem Angebot objektiver Lesbarkeit und Bedeutung verbunden wird.
Bürger, der kritische Sisyphos am Scheidewege von Moderne und Postmoderne, hat gelernt, die Spannung auszuhalten: Postmoderne als Krisenbewusstsein. In Joseph Beuys hat Bürger den Avantgardisten nach dem Ende der Avantgarden entdeckt, einen, der den Widerspruch aushält, der als Grenzgänger aber auch die Aporien immer wieder überschreitet. Fast erleichtert verbeugt sich der Theoretiker vor dem heilbringenden Praktiker, der Lichtgestalt, in deren Schatten wir immer noch stünden.
Am Ende bleibt Bürger jedoch ein Apologet der Moderne ähnlich wie Adorno, der nach dem Scheitern der Avantgarden für eine Rückkehr zur Autonomie der Kunst plädiert, ein für Bürger ungangbarer Weg. Indem er aber die Postmoderne als Krisenbewusstsein etabliert und damit wieder in die Moderne integriert, kann er die Fortschrittlichkeit derjenigen herbeiargumentieren, die aus der unversöhnlichen Spannung ihr Selbstverständnis ableiten. Dass Bürger dabei ausgerechnet bei einem fast esoterischen Schamanismus Beuysscher Prägung landet, befremdet ein wenig angesichts der Hellsichtigkeit seiner lesenswerten Überlegungen und angesichts des Scharfsinns, mit dem er immer wieder auf den performativen Widerspruch der Moderne hinweist - womit er nicht zuletzt auch den dankbaren Leser bei seiner eigenen Ratlosigkeit abholt. VERONIKA SCHÖNE
PETER BÜRGER: Das Altern der Moderne. Schriften zur bildenden Kunst. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001. 217 Seiten, 11 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Wo andere schon längst die Postmoderne hinter sich gelassen und eine 'zweite Moderne' ausgerufen haben", schreibt Rezensentin Veronika Schöne, hält Peter Bürger noch immer an der Moderne fest, und sei es, um ihr Altern festzustellen. In seinen aus den Jahren 1983 bis 2000 stammenden Aufsätzen diagnostiziere Bürger, dass sich die Kunst in einem "formalistischen Purismus totlaufe", weil sie ihrer "aporetischen Situation" nicht gerecht werde. Aporetisch deshalb, weil die Kunst einerseits für sich beanspruche, "die Grenze zwischen Kunst und Leben aufzuheben", weil sie aber andererseits nur noch dann einen Wahrheitsanspruch hegen könne, wenn sie ihre eigene Negation in sich aufnehme. Bürger sucht, so die Rezensentin, einen Ausweg aus dieser Aporie. Doch dieser führe nicht unbedingt in die Postmoderne, so wie sie sich artikuliert, nämlich im herausposaunten Bruch mit der Moderne und in der Tabuisierung 'traditioneller Formen', sondern in deren dialektisch-kritische Einbeziehung. Das bedeutet, so Schöne, dass Bürger im Gegensatz zu Adorno die Rückkehr zu einer Autonomie der Kunst nicht für praktikabel hält. Auch das schaffende Subjekt stecke laut Bürger in der Klemme: zwischen dem hyperrelativierenden Pluralismus der Postmoderne, der keiner Aussage mehr Gültigkeit zubillige, und der Forderung nach "unmittelbarer Evidenz" des Kunstwerks. Diese Spannung auszuhalten und die Postmoderne als Krisenbewusstsein zu begreifen, das sei laut Bürger allein Joseph Beuys gelungen. Dieser "fast esoterische Schamanismus Beuysscher Prägung" wirkt auf die Rezensentin allerdings ein wenig "befremdlich", vor allem "angesichts des Scharfsinns", den Bürgers Aufsätze auszeichnen.

© Perlentaucher Medien GmbH
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