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Im zweiten Heft des Jahrgangs 2003 der Abhandlungen der Geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz untersucht Walter Zimmermann den Werdegang und das Werk des Musikforschers Marius Schneider.

Produktbeschreibung
Im zweiten Heft des Jahrgangs 2003 der Abhandlungen der Geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz untersucht Walter Zimmermann den Werdegang und das Werk des Musikforschers Marius Schneider.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.11.2003

Musikforscher im Kriegseinsatz?
Spurensuche: Walter Zimmermann über Marius Schneider
Im Jahr 1973 probierte bei den „Kölner Kursen für Neue Musik” ein junger Komponist zusammen mit Mauricio Kagel in der Nervenklinik Bonn therapeutische Möglichkeiten der Klangkunst aus, wie sie von Naturvölkern praktiziert wurden. Er wandte sich an den Kölner Musikethnologen Marius Schneider, der gerade an einer umfassenden Musikkosmogonie arbeitete. Walter Zimmermann, von dem hier die Rede ist, lehrt inzwischen selber als Professor an der Berliner Hochschule der Künste. Er begeisterte sich für Schneiders Forschungen, und so konnte es nicht ausbleiben, dass er sich auch für seine Biographie interessierte.
Diese schien makellos, wenn man dem renommierten ,International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933-1945' glaubt. In Paris, London und Oxford als Pianist und Musikologe ausgebildet, 1930 Assistent am Berliner Phonogrammarchiv, 1934 als bekennender Katholik und Frankreichfreund nicht zur Habilitation zugelassen, wurde Schneider zwar Direktor des Phonogrammarchivs, emigrierte aber 1943 vor den beständigen Pressionen des Amtes Rosenberg nach Barcelona. Erst 1966 erlangte er eine Professur in Köln. Sein Renommee gründete in seiner stupenden Sammeltätigkeit: er hatte über 1800 Schallaufnahmen mit außereuropäischer Musik zusammengetragen und transkribiert.
Erst bei näherer Betrachtung entpuppte sich Marius Schneider als ein Doppelwesen, ohne die Dimensionen seines ominösen Aachener Namensvetters Hans Ernst Schneider alias Schwerte zu erreichen. Marius Schneider hatte nicht nur frühzeitig die Möglichkeiten einer rassenkundlichen Musikforschung im damaligen Deutschland erkannt, sondern stand zudem seit 1939 im Dienst der Abwehr, um unter den Arabern der französischen und englischen Kolonien zersetzend zu wirken und im vorderen Orient anti-englische Rundfunkprogramme aufzubauen.
Zimmermanns Untersuchung wartet nicht mit fertigen Ergebnissen auf und gehorcht nur bedingt wissenschaftlichen Ansprüchen. Sie ist das Protokoll einer irritierenden Spurensuche, die sich vielfach im Dunkel verliert, da Schneiders Tätigkeit im Krieg geheimnisvoll bleibt. Ein Freund schrieb Zimmermann: „Du schreibst in erster Linie für Dich”. Doch wer wissen will, welchen Zwängen und Verlockungen die wissenschaftliche Vätergeneration in der NS-Zeit ausgesetzt war, dem ermöglicht dieses Büchlein einen Blick in Blaubarts Zimmer, wie ihn rigorosen Beweiszwängen unterworfene Arbeiten nur selten erlauben.
FRANK-RUTGER HAUSMANN
WALTER ZIMMERMANN: Tonart ohne Ethos. Der Musikforscher Marius Schneider. Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz und Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2003. 80 Seiten, 18 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit einem sehr persönlichen Zugang hat sich Walter Zimmermann, Professor an der Berliner Hochschule der Künste, der nur scheinbar makellosen Biografie des Musikethnologen Marius Schneider genähert. Unter der Lupe "entpuppe" sich dieser nämlich als ein "Doppelwesen", schreibt Frank-Rutger Hausmann. Zwar sei Schneider im Dritten Reich ständigen Repressionen ausgesetzt gewesen, die ihn schließlich 1943 nach Barcelona emigrieren ließen, so der Rezensent, doch habe er auch schon durchaus früh "die Möglichkeiten einer rassenkundlichen Musikforschung im damaligen Deutschland erkannt" und darüber hinaus bereits seit 1939 für die Abwehr gearbeitet. Die Studie Zimmermanns, die sich sehr zu ihrem Wohle nicht im wissenschaftlichen Gewande kleidet, hat Hausmann als "Protokoll einer irritierenden Spurensuche" gelesen, die für all diejenigen lesenswert sei, die wissen wollen, "welchen Zwängen und Verlockungen die wissenschaftliche Vätergeneration in der NS-Zeit ausgesetzt war".

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