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Der 'Krieg der Geister': parallel zu den militärischen Kämpfen fand im Ersten Weltkrieg eine intensiv geführte Schlacht um die 'Lufthoheit' im intellektuellen Bereich statt. Wie haben zeitgenössische Denker den Ersten Weltkrieg vorbereitet, verarbeitet und ideell aufgeladen? Hier werden auf breiter Quellengrundlage erstmals zwei spezifische Lager dieser Auseinandersetzung analysiert und verglichen: die deutsche und die britische Philosophie. Der Krieg der deutschen und britischen Philosophen richtete sich gegen den jeweiligen Hauptfeind im Ersten Weltkrieg, der als Konkurrent und Neider ein…mehr

Produktbeschreibung
Der 'Krieg der Geister': parallel zu den militärischen Kämpfen fand im Ersten Weltkrieg eine intensiv geführte Schlacht um die 'Lufthoheit' im intellektuellen Bereich statt. Wie haben zeitgenössische Denker den Ersten Weltkrieg vorbereitet, verarbeitet und ideell aufgeladen? Hier werden auf breiter Quellengrundlage erstmals zwei spezifische Lager dieser Auseinandersetzung analysiert und verglichen: die deutsche und die britische Philosophie. Der Krieg der deutschen und britischen Philosophen richtete sich gegen den jeweiligen Hauptfeind im Ersten Weltkrieg, der als Konkurrent und Neider ein von Hassliebe gekennzeichnetes Feindbild abgab. Dieser Diskurs wirkte mit seinen Feindbildern, Staatsentwürfen, Kriegsphilosophien und Friedensentwürfen unmittelbar auf die politische Kultur. Die Quellengrundlage wurde gegenüber der bisherigen Forschung beträchtlich erweitert, so dass die ganze Breite der philosophischen Kriegsdeuter erfasst wird. Dabei wird eine Antwort auf die Frage nach einem ideellen Sonderweg der Deutschen zu geben versucht und der Vorrat an Gemeinsamkeiten in den Blick genommen. Denn wie zu keiner anderen Epoche stand die britische Philosophie nach 1900 unter dem Einfluss des Deutschen Idealismus. Und in Deutschland verschafften sich im Verlaufe des Krieges zunehmend liberale, teilweise am westlichen Modell orientierte Stimmen Gehör. Gleichwohl wurde der geistige Krieg mit unerbittlicher Schärfe geführt und der Feind nicht nur in der feindlichen Philosophie verortet.
Autorenporträt
Peter Hoeres, geboren 1971, studierte Geschichte, Philosophie und Politikwissenschaft in Frankfurt am Main und Münster. Derzeit ist Peter Hoeres wissenschaftlicher Mitarbeiter im Historischen Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen und arbeitet an einem Habilitationsprojekt zur Öffentlichkeit und Außenpolitik im Kalten Krieg. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Kultur- und Ideengeschichte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.11.2004

Geistersammlung - ein Weckruf

Versuche, zu einer kulturellen Bestimmung der deutschen Nation, zu einer Art Nationalcharakter zu gelangen, sind besonders gut im Kontext des Ersten Weltkriegs erforscht. Das hängt mit dem Aufschwung der ideen- und kulturgeschichtlichen Weltkriegsforschung zusammen, die zahlreiche Detailstudien hervorgebracht hat. Früh war Hermann Lübbe in seinem Buch "Politische Philosophie in Deutschland" ersten Spuren zum Thema nachgegangen, Kurt Flaschs Studie über die "Geistige Mobilmachung" sorgte vor einigen Jahren für eine kontroverse Fachdebatte. Nun ist eine Arbeit von Peter Hoeres erschienen, die jenseits der gängigen Kriegspublizistik speziell die Rolle der Philosophen untersucht, wie sie auf britischer und deutscher Seite parallel zu den militärischen Kämpfen eine Auseinandersetzung über die Frage führten, was ihre jeweiligen Gesellschaften zusammenhält (Peter Hoeres: "Krieg der Philosophen". Die deutsche und die britische Philosophie im Ersten Weltkrieg. Schöningh Verlag, Paderborn 2004. 464 S., geb., 78,- [Euro]). Damit werden auf breiter Quellengrundlage "zwei sich gegenseitig als Hauptfeinde wahrnehmende Deutungskulturen" analysiert, deren Thesen unmittelbar auf die politische Kultur einwirkten und Eingang in die Sprache der Politiker fanden.

Auf deutscher Seite kommen in dieser mit dem Dissertationspreis der Universität Münster ausgezeichneten Studie nicht nur bekannte Kriegsphilosophen wie Max Scheler und Ernst Troeltsch zu Wort, auf die Hoeres zum Teil ein neues Licht wirft. So hält er den Vorwurf eines "Klerikalfaschismus" im Blick auf Schelers Europäismus und Personalismus für unhaltbar. Umgekehrt widerspricht Hoeres der Annahme, Troeltsch habe sämtliche Sonderwegsideologien kritisiert und legt mit Bezug auf dessen Rede "Das Wesen des Deutschen" das Gegenteil nahe. Besonders aufschlußreich an dem Buch von Hoeres sind aber die Einlassungen von Philosophen, die seinerzeit einflußreich, ja populär waren, heute jedoch beinahe vergessen sind. Dazu gehören etwa der Jenenser Philosoph Rudolf Eucken, der für seine zahlreichen Publikationen zur "idealen Weltanschauung" 1908 den Literaturnobelpreis bekam, oder der Berliner Neukantianer Alois Riehl.

Rudolf Eucken, der Vater des berühmten Nationalökonomen Walter Eucken, rief 1913 in seiner Schrift "Zur Sammlung der Geister" programmatisch den "geistigen Kriegszustand" aus. In diesem Text finden sich fast alle Theoreme der von Eucken in den folgenden Jahren dann sukzessive ausgebauten Weltkriegsphilosophie. Wie später unter dem Titel "Deutsche Freiheit. Ein Weckruf" ging es ihm auch hier nicht nur um eine Sammlung, sondern auch um eine Scheidung und Entscheidung der Geister angesichts der nationalen Aufgabe, in die Weltkultur "unsere eigene Art kräftiger einfließen zu lassen, wir wollen keine Abschwächung dieser Art den Fremden zuliebe dulden" - so die Formulierung in Euckens Abhandlung "Deutschfeindliche Schriftsteller und Gelehrte". Zentral für Euckens Fassung eines deutschen Wertekodex wurde seine Unterscheidung von (positiv konnotierter) "Inhaltskultur" und (negativ konnotierter) "Formkultur". Die Selbstvergewisserung in einer nationalen Inhaltskultur, die durch die Formkultur hindurchgreift, hielt Eucken für unverzichtbar.

Was verstand er unter diesen beiden Kulturbegriffen? Während die Formkultur die Hauptaufgabe darin sehe, "das menschliche Tun und Benehmen in gewisse Formen zu bringen, es damit der Roheit der bloßen Natur zu entwinden und eine Verfeinerung des Lebens herbeizuführen", sei dies für eine hinreichende Bestimmung des Nationalen zu wenig. Hinzutreten müsse die kollektive Verankerung in der Inhaltskultur, zu deren Definition - so entnimmt man Hoeres - notwendigerweise eine gewisse Vagheit und damit eine flexible Anwendbarkeit gehört. "Die deutsche Inhaltskultur", schreibt Eucken im Essay "Der Zwiespalt der Kulturen", "ist voll gewaltiger innerer Bewegung, sie enthält ein Ringen des Menschen mit der Unendlichkeit und eine Unterwerfung ihrer durch geistige Kraft, sie macht alles Starre flüssig, sie eröffnet ursprüngliche Tiefen, sie dringt zu sonst unzugänglichen Gründen vor. Jedes einzelne Lebensgebiet wird hier ein Stück geistiger Selbsterhaltung oder vielmehr des Erringens eines geistigen, weltumspannenden Selbst." Betrachtet man "Definitionen" wie diese, setzt sich in der Tat der Eindruck fest, daß es Eucken mit der Inhaltskultur mehr um einen polarisierenden, die Geister scheidenden Kampfbegriff ging als um dessen präzise inhaltliche Füllung. Entscheidend war für ihn eine Vokabel der Abgrenzung, die sich auch bei unscharfen sozialen Anlässen politisch eindeutig verwenden ließ. Eine solche Vokabel sollte die Philosophie bereitstellen, die nach Ansicht Euckens den Rang einer nationalen "Leitwissenschaft" (Hoeres) belegen müsse.

An diese Vorstellung schloß zum Beispiel der Philosoph Alois Riehl an, als er den Euckenschen Begriff der Inhaltskultur so auslegte: "Sie ist ein Innenbegriff, sie geht aus dem inneren geistigen Gehalt des Lebens hervor, und kein Fortschritt der äußeren Lebensgestaltung, der Verfeinerung der Sitte vermöchte ihren Mangel zu ersetzen." Die Inhaltskultur als Innenbegriff nimmt damit die Form eines Ordnungskonzepts an, das sich einer Überprüfung von außen entzieht. Zur Kräftigung der eigenen nationalen Art geht die Inhaltskultur aufs Ganze - und steuert Recht und Moral als Variablen des Unsagbaren. Hoeres ist mit seiner Darstellung der Weltkriegsphilosophie eine wirkliche Pointe gelungen.

CHRISTIAN GEYER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.12.2004

Faust kämpft, Stirn denkt weiter
Peter Hoeres über den „Krieg der Philosophen” im Ersten Weltkrieg
Mit einem refrainhaft wiederholten „Es ist nicht wahr” traten im Oktober 1914 deutsche Künstler und Intellektuelle in dem Aufruf „An die Kulturwelt!” an die Öffentlichkeit. Sie wiesen die internationalen Anschuldigungen gegen Deutschland zurück, die nach der Zerstörung der Bibliothek von Löwen und dem brutalen Vorgehen gegen die belgische Zivilbevölkerung erhoben worden waren, und solidarisierten sich vorbehaltlos mit Kaiser und Militär. Aufrufe wie dieser waren auf allen Seiten der kriegführenden Parteien an der Tagesordnung, und bis heute befremdet die Bereitschaft der geistigen Eliten, von ihrer vormaligen kritischen Haltung abzurücken und ihr Engagement in den Dienst der nationalen Sache zu stellen.
Im Zuge der kulturgeschichtlichen Kriegsforschung sind diese Zusammenhänge mittlerweile in das Zentrum des Interesses gerückt. Für die Philosophie hatte Hermann Lübbe mit seiner Studie „Politische Philosophie in Deutschland” 1963 Pionierarbeit geleistet, und Kurt Flasch erteilte vor wenigen Jahren in seinem „Versuch” über „Die geistige Mobilmachung” seinem Fach eine weitere Lektion im Umgang mit der eigenen Geschichte. Allerdings sind zwar einzelne Protagonisten gründlich ausgeleuchtet, aber eine Gesamtdarstellung war angesichts der ausufernden Produktivität der Weltkriegsphilosophen überfällig.
Die legt der Münsteraner Historiker Peter Hoeres mit seiner Studie zum „Krieg der Philosophen” nun vor. Hoeres geht gleichzeitig ein zweites, seit längerem beklagtes Desiderat an, nämlich den nationalen Überschwang in Deutschland im internationalen Vergleich zu betrachten. Denn die Kriegsbegeisterung erfasste die französischen oder die von Hoeres untersuchten britischen Philosophen in nicht geringerem Maße als die deutschen. Als eine der aufschlussreichsten Pointen der Studie stellt sich jedoch heraus, dass die jeweils mit dem Anspruch nationaler Überlegenheit vorgebrachten Deutungen sich überschnitten und in der Beschäftigung mit Themen wie sozialer Integration oder staatlicher Legitimation nichts weniger als ein „nationsübergreifendes Ringen um die Antwort auf die sozialen und politischen Fragen der Moderne” darstellten.
Hoeres zeigt die ganze Spannbreite möglicher Reaktionen auf die Kriegssituation und behandelt sowohl bekannte als auch heute vergessene Vertreter der akademischen Philosophie. Das reicht von der Kriegsgegnerschaft eines Bertrand Russell über nuancierte Positionen wie die des liberalen Theologen Ernst Troeltsch bis hin zur national getönten Zivilisationskritik des Neuidealisten Rudolf Eucken. In seiner Schlussfolgerung, vieles an den Arbeiten der deutschen Philosophen habe der Selbstverständigung gegolten und sich in einem Kreisen um die eigene „nationale und philosophische Identität” erschöpft, gelangt Hoeres allerdings kaum über die schon von Lübbe formulierte These vom „Leiden am Mangel intellektueller Identität mit der eigenen Situation” hinaus.
Abgrenzungsversuche
Aufschlussreich sind für den deutschen Leser vor allem die Passagen zur Situation der britischen Philosophie, die sich gezwungen sah, sich mit ihren eigenen kontinentalen Wurzeln auseinanderzusetzen. So verteidigt der Idealist Bernard Bosanquet Hegels Staatstheorie gegen eine angeblich fehlgeleitete Interpretation in Deutschland, während für Vertreter des philosophischen Liberalismus der preußische Militarismus und Hegels Staatsapotheose geradezu synonym sind. Hier überschneiden sich, wie durch Hoeres’ differenzierte Darstellung sinnfällig wird, Kontroversen innerhalb der britischen Philosophie selbst mit Abgrenzungsbemühungen gegenüber dem gemeinsamen politischen Gegner.
In dieser Hinsicht dementieren die Resultate allerdings die methodischen Prämissen. Denn so nüchtern die Darstellung der in beiden Ländern vertretenen philosophischen Positionen ist, so sehr neigt Hoeres in seinen theoretischen Passagen zur Überzeichnung. Seine These, die Texte der deutschen Weltkriegsphilosophie würden „in ihrem Antwortcharakter nur dann verständlich, wenn die britischen Anschuldigungen präsent” seien, übernimmt im Grunde genommen zeitgenössische Selbstbeschreibungen einer geistigen Kriegssituation.
Mit dem Aufgreifen von Carl Schmitts Freund-Feind-Unterscheidung, die bei Schmitt das Kriterium zur Abgrenzung und Definition der politischen Sphäre ist, rückt Hoeres ausnahmslos jede philosophische Äußerung der Kriegsjahre in das Magnetfeld eines politischen Gegensatzes. So wird jede philosophische Publikation in dieser Zeit zu einem Beitrag zur Weltkriegsphilosophie, unabhängig davon, ob sie so rezipiert wurde oder nicht, wie beispielsweise Ernst Cassirers 1916 erschienene Schrift „Freiheit und Form”. Eine genauere Eingrenzung dessen, was unter die „Ideen von 1914” zu zählen ist, hätte zur Schärfung jenseits der etwas plakativen Kapiteleinteilung beigetragen. Nicht jeder Ideenkonflikt ist an sich schon politisch, und nicht jede politische Philosophie lässt sich auf ein Freund-Feind-Schema abbilden. „Um unserer verschiedenen Philosophien willen”, stellte Troeltsch einmal fest, „hätten wir keinen Krieg zu führen brauchen.”
SONJA ASAL
PETER HOERES: Krieg der Philosophen. Die deutsche und die britische Philosophie im Ersten Weltkrieg. Schöningh Verlag, Paderborn 2004. 646 S., 78 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Philosophen, meint Thomas Meyer, "stürmen gerne mit voran, ob mit Speer, Seitengewehr oder spitzer Feder". Immer schön das Allgemeingültige behaupten und sich dann in nationalen Prozessionen einreihen! So auch während des Ersten Weltkriegs, als es eine wahre Flut philosophischer Veröffentlichungen gab, die Peter Hoeres jetzt als Erster im breiten Überblick ausgewertet hat, und zwar im Vergleich der britischen und deutschen Philosophie. Das Urteil des Rezensenten fällt zwiespältig aus: Einerseits lobt er die Übersicht, die thematische Systematik sowie die ausgezeichnete sprachliche Gestaltung und hebt insbesondere die Darstellung der britischen Philosophie der Zeit als Pionierarbeit im deutschsprachigen Raum heraus. Andererseits bemängelt er, dass Hoeres die analysierten Schriften allzu einseitig auf den Krieg zuspitzt, dass er bei der Quellenarbeit handwerkliche Mängel offenbart und angesehene Historiker unqualifiziert abkanzelt, während er "zweit- und drittklassige Autoren herbeizitiert" - "möglicherweise aus inneruniversitären taktischen Motiven" heraus, vermutet Meyer. Und gar nicht verstehen kann er, warum sich der Autor freiwillig das Korsett der Erkenntnisse von Hermann Lübbe umschnürt, die immerhin schon vier Jahrzehnte alt sind.

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