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September 1939: mit ihrem jeweiligen Einmarsch in Polen zerstörten Nazideutschland und die UdSSR die Ordnung von Versailles und lösten den blutigsten Konflikt des 20. Jahrhunderts aus. Während Deutschland besiegt und geteilt wurde, stieg die Sowjetunion zur zweiten Supermacht auf und wurde zur Herrscherin über einen ganzen Kranz von Satellitenstaaten. Wie kam es zu dieser ungeheueren Machterweiterung? Ging sie planvoll vonstatten oder "gelang" sie nur durch Fehler und Irrtümer der anderen Akteure? War der sowjetische Kurs eher defensiv oder aggressiv? Erstmals ist es heute möglich, ein…mehr

Produktbeschreibung
September 1939: mit ihrem jeweiligen Einmarsch in Polen zerstörten Nazideutschland und die UdSSR die Ordnung von Versailles und lösten den blutigsten Konflikt des 20. Jahrhunderts aus. Während Deutschland besiegt und geteilt wurde, stieg die Sowjetunion zur zweiten Supermacht auf und wurde zur Herrscherin über einen ganzen Kranz von Satellitenstaaten. Wie kam es zu dieser ungeheueren Machterweiterung? Ging sie planvoll vonstatten oder "gelang" sie nur durch Fehler und Irrtümer der anderen Akteure? War der sowjetische Kurs eher defensiv oder aggressiv? Erstmals ist es heute möglich, ein multidimensionales Bild dieses zentralen Abschnitts der europäischen Geschichte im 20. Jahrhundert zu zeichnen. Bislang geheime Planungspapiere, Memoranden und Anweisungen, vom Autor in russischen und anderen osteuropäischen Archiven erschlossen, belegen strategische und taktische Überlegungen der höchsten Kreml-Instanzen. Sie dokumentieren katastrophale und überraschende sowjetische Erfolge. Westliche Illusionen und Ängste trugen erheblich zum Aufstieg der UdSSR zur alleinigen Ordnungsmacht in Osteuropa bei, wie überhaupt die gegenseitigen Wahrnehmungen als Ursache für die Teilung Europas und den Ausbruch des "Kalten Krieges" von zentraler Bedeutung waren. Gerade mit dieser Analyse der interdependenten Perzeptionen leistet das Buch einen bedeutsamen Beitrag zum Verständnis der sowjetischen Politik und der internationalen Beziehungen im Zweiten Weltkrieg sowie in der unmittelbaren Nachkriegsperiode.
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Autorenporträt
Donal O´Sullivan, Dr. phil. habil., geb. 1965, Historiker und Journalist, ist Gastprofessor am Claremont McKenna College in Claremont, Kalifornien.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine packende Lektüre hat Rezensent Günter Wollstein diese ebenso durchdachte wie anschauliche Studie zur sowjetischen Osteuropapolitik zwischen 1939 und 1949 geboten. Vor allem zeichnet sich für ihn das auf der Basis neuer, vornehmlich sowjetischer Quellen entstandene Buch durch stets anregende, meist überzeugende Wertungen aus. Eindruck scheinen auch die in der Untersuchung enthaltenen Schilderungen Stalins und seiner Entourage zu machen. Dass Autor Donal O'Sullivan die Interpretation, Stalins Politik sei im Angesicht Hitlerdeutschlands realistisch und defensiv gewesen, vehement zurückweist, sichert ihm die volle Zustimmung des Rezensenten. Auch O'Sullivans Einschätzung, ab 1939 sei Stalin Politik von einem neuen, imperialen Bewusstsein gespeist gewesen, findet Wollsteins Beifall. Lediglich an der Lektorierung der Untersuchung hat er einiges auszusetzen. Auch hat der Verlag für seinen Geschmack etwas zu vollmundig eine völlig neue Quelleninterpretation angekündigt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Das rote Krokodil
Stalins imperialistisches Streben nach Weltgeltung

Donal O'Sullivan: Stalins "Cordon sanitaire". Die sowjetische Osteuropapolitik und die Reaktionen des Westens 1939-1949. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2003. 437 Seiten, 49,- [Euro].

Nach Hitler-Stalin-Pakt und Auslösung des Zweiten Weltkriegs durch Deutschland überschritt im September 1939 ein zufrieden lächelndes rotes Krokodil - bewaffnet mit Mistgabel und Rose - die polnische Grenze. Dieses Bild eines Moskauer Karikaturisten umschrieb schon zeitgenössisch, wie die Sowjetunion ihre Grenze nach Polen überschritt und damit nach Westen aufbrach. Die Sowjets drohten hierbei den Ausbeutern mit der Mistgabel und winkten den Werktätigen mit der Rose. O'Sullivan greift diese Sicht zur Kennzeichnung der Quintessenz seiner Studie auf und fügt hinzu, daß besagtes rotes Krokodil erst fünfzig Jahre später, nach Ende des Kalten Krieges, in die Heimat zurückgekehrt sei.

Die ebenso durchdachte wie anschauliche Untersuchung befaßt sich auf der Basis neuer - vornehmlich sowjetischer - Quellen mit der Politik Stalins und kündigt vollmundig deren Neuinterpretation an. Auf andere Aspekte, so die lange währende ignorante Unterstützung der sowjetischen Osteuropapolitik durch die Westmächte oder die hoffnungslose Lage der schon von Stalin selbst Satelliten genannten "Partner" der Sowjetunion in deren Vorfeld, werden immer wieder Schlaglichter geworfen. Untersuchungszeitraum ist ein langes Jahrzehnt weltpolitischer Dramatik mit immensen Folgen, unterteilt in die Zeit einer "stillen Allianz" Stalins mit Hitler 1939/41, die Phase seiner "seltsamen Allianz" mit den Westmächten 1942/44 und die Jahre des beginnenden Kalten Krieges 1945/49.

O'Sullivan schildert Stalin als Diktator, der - umgeben von merkwürdig blassen und unterwürfigen Gestalten - seine Ziele mit einer Mischung aus Charme, Brutalität und Verstellung derart artistisch verfolgte, daß schließlich selbst Staatsmänner wie Churchill und Roosevelt zu den Getäuschten und Benutzten gehörten. Seiner Politik lag kein General- oder Meisterplan zugrunde. Es gab zwar - gerade hinsichtlich Osteuropas - bemerkenswert konstante Zielvorstellungen, doch daneben auch einen platten Chauvinismus. Bezeichnend hierfür waren Stalins regelmäßiges Zupacken, wenn sich ein Machtvakuum ergab, oder seine prompte Präsentation neuer Ansprüche, wenn alte Forderungen erfüllt waren. Dabei mied Stalin es, unter Zeitdruck zu handeln, und achtete darauf, daß die jeweiligen Ziele deutlich begrenzt erschienen. Risikoscheu wollte er Bürgerkriegssituationen wie in Sowjetrußland nach 1917 vermeiden. In minder wichtigen Bereichen entschloß er sich sogar zu Rückziehern, was bisweilen den Anschein eines Zickzackkurses ergab. Wie die Paradebeispiele des Hitler-Stalin-Paktes 1939 oder die Einigung mit Churchill 1944 über Einflußzonen auf Prozentbasis verdeutlichten, suchte Stalin seine Aktionen durch internationale Absprachen vorzubereiten. Wenn dessenungeachtet doch Zug um Zug eigenmächtige Coups stattfanden, folgten denen wiederum Bemühungen um deren nachträgliche Legitimierung, so durch Plebiszite vor Ort in Osteuropa oder durch - zumindest - ein Stillschweigen oder Kopfnicken der Westmächte.

Unterm Strich ergab sich die Politik im Stile eines besonders skrupellosen Wolfes unter Wölfen, womit sich der Autor der alten Streitfrage zuwendet, ob Stalin dabei defensiv oder offensiv agierte und welche Triebkräfte ihn leiteten. O'Sullivan weist die Version einer defensiven und realistischen Politik Stalins vehement zurück. Zwar referiert er das bekannte Politikverständnis Stalins, dem zufolge eine bürgerlich-kapitalistische und imperialistische Welt zwangsläufig bei einem finalen Kreuzzug gegen die Sowjetunion landen werde; eine Ausrichtung seiner Politik auf eine Spaltung der Imperialisten und einen späten Kriegseintritt, der Endsieg samt umfangreichem Gewinn gewährleisten sollte, waren die Folge. Doch gerade diese Position wird als nur scheinbar defensiv entlarvt und Stalin angelastet, da mit ihr die Realität auf den Kopf gestellt und die Westmächte erst zu Feinden gemacht wurden, womit das eigene aggressive und imperialistische Wollen des Diktators jederzeit entfesselt werden konnte.

Entsprechend erscheint die Übereinkunft Hitler-Stalin als Angriffspakt par excellence zur Aufteilung Osteuropas, der einem angenehm überraschten Stalin frappierende Möglichkeiten bot. Als vermeintlich "neutrale" Macht konnte die Sowjetunion im Schatten der Hitlerschen Kriegspolitik sechs Länder von Polen bis Rumänien angreifen und ganz oder teilweise zum eigenen Territorium oder Einflußgebiet erklären. Damit war über eine Grenzrevision hinausgehend jener Cordon sanitaire abgeschafft, mit dem die Westmächte nach 1918/19 die bolschewistische Gefahr einzudämmen gesucht hatten. Doch als neugeborene Ordnungsmacht in Osteuropa rekonstruierte die Sowjetunion diesen Cordon sogleich wieder, allerdings nach Westen gewendet und unter eigener Führung. Dieses neue politische Einflußgebiet und militärische Glacis wurde mit verschiedenen plastischen Namen wie sowjetischer Orbit oder Hinterhof bedacht und vermittelte früh die Konturen eines fundamentalen Ausbaus der Sowjetmacht. Dieser wurde, nachdem Stalin im Zuge des Hitlerschen Überfalls von 1941 nur knapp einer Katastrophe entgangen war, im Jahre 1944 durch den Vormarsch der Roten Armee nach Mittel- und Südosteuropa noch forcierter und skrupelloser fortgesetzt.

O'Sullivan hütet sich, Stalins Politik auf ein einzelnes Motiv zurückzuführen. Statt dessen spricht er von einem schon 1939/41 wirksamen "neuen imperialen Bewußtsein", gespeist "aus ideologischem Sendungsbewußtsein und der Wiederbelebung russischer Traditionen". Die Weltrevolution blieb Stalins permanentes, wenn auch nicht ständig verkündetes und oft arg verfremdetes Ziel, und bisweilen stilisierte er sich zudem als Befreier Europas. Daneben stand seine traditionelle Machtpolitik mit Rückblenden auf Imperialismus und Zarenreich. So spricht der Autor von einer "Reconquista verlorener Territorien des alten Zarenreiches", von einem imperialistischen Streben nach Weltgeltung und sogar von einem "Griff nach der Weltmacht, verbunden mit dem Wunsch, Lenin ein für allemal zu übertrumpfen". Dabei sollte der Cordon sanitaire "alles auf einmal erreichen: die Sicherheit der UdSSR gewährleisten, den Wiederaufbau der Heimat beschleunigen, die Herrschaft der Kommunistischen Partei legitimieren und Moskau eine entscheidende Stimme in Europa verschaffen".

Der Autor bietet durchgängig eine packende, wenn auch bisweilen mäßig lektorierte Lektüre, die sich durch stets anregende, meist überzeugende Wertungen auszeichnet. Allerdings wäre nichts dagegen einzuwenden gewesen, wenn er die zahlreichen relevanten Vorarbeiten früherer Forscher klarer benannt und gewürdigt hätte.

GÜNTER WOLLSTEIN

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