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Peter Weiss (1916 - 1982) gehört zu den wichtigsten Autoren der deutschen Nachkriegsliteratur. Irene Weiss-Eklund ist die unbekannte Schwester. Er konnte nur in Opposition zu dem übermächtigen Elternhaus seine Kunst entfalten. Sie löste sich erst spät von der Familie, um an ihrer Karriere als Tanztherapeutin zu arbeiten. In den Lebensläufen der Geschwister spiegelt sich die deutsch-jüdische Geschichte im 20. Jahrhundert.

Produktbeschreibung
Peter Weiss (1916 - 1982) gehört zu den wichtigsten Autoren der deutschen Nachkriegsliteratur. Irene Weiss-Eklund ist die unbekannte Schwester. Er konnte nur in Opposition zu dem übermächtigen Elternhaus seine Kunst entfalten. Sie löste sich erst spät von der Familie, um an ihrer Karriere als Tanztherapeutin zu arbeiten. In den Lebensläufen der Geschwister spiegelt sich die deutsch-jüdische Geschichte im 20. Jahrhundert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.06.2001

Ins Bett, duftende Sprößlinge!
Ästhetik des Ehestands: Die Erinnerungen der Irene Weiss-Eklund

Muß uns das Leben von Irene Weiss-Eklund interessieren? Die autobiographischen Bücher von Peter Weiss - "Fluchtpunkt" und "Abschied von den Eltern" - deuten auf ein konventionelles Geschwisterverhältnis. Von geradezu erotischer Anziehungskraft auf ihn muß die jüngere Margit gewesen sein, die als Zwölfjährige von einem Wagen überfahrene und qualvoll gestorbene Schwester. Irene aber bekennt in ihrer Selbstbiographie: "Ich existierte für ihn nur am Rande."

"Das bewegte Leben der Schwester von Peter Weiss" - so der Untertitel der Erinnerungen - , also das Buch einer Trittbrettfahrerin brüderlichen Ruhms? Man sollte der Autorin keine unredlichen Absichten unterstellen. Aber die Erwartung von Neuigkeiten über Peter Weiss wird nur mäßig belohnt. Gewiß, der Blick auf das Leben der Familie, dessen Stationen (Berlin, Bremen, Berlin, England, Tschechoslowakei, Schweden) rasch wechselten, ist ein anderer als bei Peter Weiss, der in seiner autobiographischen Erzählung die Entfremdung von seinen Eltern beschreibt, der seine Mutter geradezu als "Bedroherin" erlebte. Irene, obwohl sie sich zurückgesetzt fühlte, hing an ihrer Familie, am Vater, einem Fabrikdirektor ungarisch-jüdischer Herkunft, und an der Mutter, die, von Max Reinhardt entdeckt, eine Zeitlang Schauspielerin in Berlin gewesen war. Irene mag die objektivere, weil von weniger Ressentiments beseelte Chronistin des Familienalltags sein.

Aber ein literarisches Porträt des Bruders will nicht zustande kommen. Man hört einmal von "unvergeßlichen Gesprächen" zwischen den Geschwistern, aber erfährt nichts über deren Gegenstand. Irene besucht eine Stockholmer Gemäldeausstellung des Bruders, sie ist Zeugin seines Durchbruchs als Theaterautor bei der Uraufführung des Marat/Sade-Stücks im Berliner Schiller-Theater (1964). Sie leidet unter seiner Herablassung, vor allem bei der Verteilung des elterlichen Erbes, bei der er seine Interessen rigoros wahrnimmt. Doch nur in diesem Zusammenhang fällt ein wertendes, ein bitteres Wort. Kurz, Irenes Darstellung ist nobel, aber von geringem Nutzen für unsere Wissen über den Maler und Schriftsteller Peter Weiss.

Nein, dieses Buch muß seine Rechtfertigung in der eigenen Biographie Irenes finden. Der Titel verweist auf das unstete Dasein der Emigranten. Aber ihre "Heimat" hat Irene wohl doch gefunden, als sie in Schweden den Angestellten der Eisenbahnpost Gunnar Eklund heiratete. Das Glück und die Anfechtungen der Ehe, die Geburt der Kinder und die Freuden und Nöte der Mutter, das Stricken, Kochen, Backen und Waschen, die Familienfeste mit den obligatorischen Fotoaufnahmen - alles dies nimmt einen großen Raum in der autobiographischen Erzählung ein. Es hat gewiß sein Lebensrecht, doch wird daraus Literatur? Das Ausdrucksrepertoire der Autorin ist begrenzt und hält sich zu sehr und zu oft an das Niedlich-Idyllische ("Ich ging ins Kinderzimmer, steckte meine kleinen, sauberen, duftenden Sprößlinge ins Bett"). Andererseits ist man froh, daß sie bei den Katastrophen ihres Lebens, dem Unfalltod der Schwester oder dem Freitod des drogensüchtigen Sohns, zu keinen ambitiösen literarischen Trauermonologen ausholt.

Respekt verdient der Entschluß, Aufgaben und Lebenssinn auch außerhalb der Familie zu suchen, im Beruf einer Lehrerin für Kinderballett und Frauengymnastik. Vom künstlerischen Talent, das Peter und in geringerem Maße auch der Bruder Alexander besaßen, vom Erbe der Mutter also, fiel etwas auch für die Choreographin und spätere Musiktherapeutin ab. Ihre eigentliche Anerkennung fand sie als Therapeutin in einer psychiatrischen Klinik. Bei aller Achtung vor diesem Leben - an die literarische Kunst des Bruders darf man bei der Lektüre nicht denken.

WALTER HINCK

Irene Weiss-Eklund: "Auf der Suche nach einer Heimat. Das bewegte Leben der Schwester von Peter Weiss". Aus dem Schwedischen übersetzt von Gabriele Haefs. Scherz Verlag, München 2001. 224 Seiten, geb., 39,90 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Manuel Gogos sieht sich in seiner Erwartung enttäuscht, über sein gar nicht so heimliches Leseinteresse, den Bruder der Autorin nämlich, Peter Weiss, Wichtiges zu erfahren. Dieser habe jede Zeile seines Werkes für politisch erklärt. Das Buch seiner Schwester Irene hingegen sei "in noch eminenterem Sinne" privat. Über die üblichen Stationen eines Lebensweges (Kindheit, Ehe, Gründung einer eigenen Familie) hinaus ist für den Rezensenten aber nur ein Aspekt informativ. Er vergleicht die Schilderungen der Kindheit im jüdischen Elternhaus, die Irene gibt, mit denen des Bruders. Als "strikt realistisch" erscheine nun das Albtraumhafte und Traumatische der Familiensituationen in dessen frühen autobiografischen Erzählungen. Irene jedoch findet, so der Rezensent, dafür keine eigene Sprache. Sie versuche einfach nur ihr Leben nachzuerzählen, psychische Abgründe fänden lediglich Erwähnung, "ohne einen Zugang für den Leser zu gestatten".

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