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Eine Science-Fiction-Welt totalen Konsums, die uns nur allzu bekannt vorkommt: Alex Shakar ist der Beigbeder von morgen.
Nachdem ihre Schwester einen spektakulären Selbstmordversuch begangen hat, fasst Ursula Van Urden den Entschluss, sich mehr um sie zu kümmern. Ivy arbeitete als Model in einer futuristischen Großstadt am Fuße eines aschespeienden Vulkans. Auch Ursula zieht nach Middle City und heftet sich Ivys Ex-Freund an die Fersen, der eine Trendscout-Agentur leitet. Unversehens hat sie selbst einen Job bei Tomorrow Limited. Ihre Aufgabe: Finde die Zukunft. Und so taucht Ursula tief…mehr

Produktbeschreibung
Eine Science-Fiction-Welt totalen Konsums, die uns nur allzu bekannt vorkommt: Alex Shakar ist der Beigbeder von morgen.
Nachdem ihre Schwester einen spektakulären Selbstmordversuch begangen hat, fasst Ursula Van Urden den Entschluss, sich mehr um sie zu kümmern. Ivy arbeitete als Model in einer futuristischen Großstadt am Fuße eines aschespeienden Vulkans. Auch Ursula zieht nach Middle City und heftet sich Ivys Ex-Freund an die Fersen, der eine Trendscout-Agentur leitet. Unversehens hat sie selbst einen Job bei Tomorrow Limited.
Ihre Aufgabe: Finde die Zukunft. Und so taucht Ursula tief ein in die Welt der totalen Kommerzialisierung. Während Ivy sich zunehmend in geistiger Verwirrung verliert, stößt ihre Schwester auf Hurricane, ein steinzeitlich anmutendes Geschöpf, das auf der Straße lebt. Ursula wittert den ultimativen Trend, und Ivy soll das neue barbarische Rollenvorbild in der Öffentlichkeit verkörpern. Aber der große Medienhype läuft aus dem Ruder und hat fatale Konsequenzen...
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.12.2002

Die Zukunft, die anders kam
Alex Shakars „Der letzte Schrei” ist postmoderne Kulturkritik
Alex Shakars erster Roman ist aufgemacht wie das hippeste Debüt der Saison, aber hinter der Fassade steckt eine mutige, überdrehte, absurde Geschichte über Warenfetischismus, die Kommerzialisierung der Schönheit und die Kontamination aller Gesellschaftsverträge mit Ironie. Der in Brooklyn aufgewachsene Shakar hat eine Dystopie geschrieben, die sich von der Gegenwart aus abwärts in die Zukunft windet und von dort aus auf das spätkapitalistische Babel zielt, das er im Hier und Jetzt der amerikanischen Großstädte gefunden hat.
Middle City, Shakars mythologisiertes New York, liegt am Hang eines aktiven Vulkans und ist bevölkert von Zynikern aller Altersklassen, für die Armut und Elend allenfalls als ästhetische Phänomene von Interesse sind. Sie kaufen Produkte wie die Pokemonfigur Pikachu als Schlüsselanhänger, begleitet von einem Schildchen mit der Aufschrift: „Ich bin dein abgetriebenes Kind. Mein Schrei ruft nach Rache. Ich befehle dir: Töte! Töte! Töte!” Ihren Müll entsorgen die Leute im Schlund des Vulkans.
Black Tower ist das höchste Gebäude der Stadt. Unter anderem beherbergt es „Tomorrow Ltd.”, eine Trendagentur, geleitet von Chas, einem vitalem Visionär, an dessen Lippen die Marketingabteilungen aller Unternehmen hängen. Es ist eine Zeit, in der das kulturelle Unbewusste zum primären Ziel der Ausbeutung geworden ist, und in der diejenigen, die seine Zeichen lesen können, das meiste Geld kassieren. Der Trendscout, Augur der neuen Zeit, bedient sich der Techniken des Kulturkritikers und verwandelt seine Erkenntnisse in reines Geld.
Das Model als Schizo
Ursula Van Urden, eine junge Frau, ist gerade nach Middle City gezogen, um für ihre Schwester Ivy zu sorgen, ein mäßig erfolgreiches Model, das berühmt wurde, als sie ihren Körper aufschlitzte, um nackt und blutend durch den Banister-Park zu laufen. Jetzt liegt Ivy – die Figur ist inspiriert von Deleuzes und Guattaris „Schizo” – in der Psychiatrie und hält sich für eine Stimme aus der Vergangenheit, die wieder Zukunft werden soll. Ursula findet heraus, dass sie mit Chas zusammen war, der sie mittlerweile bei „Tomorrow Ltd.” eingestellt hat. Doch inzwischen ist sie selbst der Jagd nach schnellem Geld, Chas und seinen Marketing-Visionen verfallen. Als die Agentur den Auftrag bekommt, Diätwasser zu vermarkten – die Menschen in Middle City sind bereit, weniger als Nichts zu kaufen, und warum sollte man es ihnen nicht verkaufen? – stimmt sie der Idee zu, die geistig verwirrte Ivy dafür werben zu lassen. Das Konzept liefert Ursula selbst: Nachdem sie eine moderne Höhlenbewohnerin im Park gesichtet hat, prophezeit Chas einen Ultra-retro- Trend, und Ivy ist wenig später auf großen Plakaten als Diätwasser bewerbende Wilde zu sehen.
Doch der Trend schlägt in eine unerwartete Richtung aus. Shakar führt seine Geschichte in eine pseudo-rousseauistische Ursprünglichkeitsphantasie, die sich nicht in der Zukunft, sondern woanders, im Heterotopia außerhalb der Städte, zu verwirklichen versucht. Das Begehren nach dem Ursprung wird massenwirksam genug, um zur Entstehung moderner primitiver Stämme zu führen, aber Shakar ist zu sehr Kritiker, um der Erfüllung nicht den Anstrich des Erlebnisparkmäßigen zu geben.
Bei aller Science-Fiction und Satire gelingt es Shakar immer wieder, seinen Figuren einen Realismus zu verleihen, der sie menschlich macht und ihnen Verantwortung zumutet. Es sind Momente, aus denen das Buch seinen Anspruch auf Kritik entwickelt. Gleichzeitig zeigt Shakar Menschen, die nicht nur Trends erwarten, sondern auch an Hoffnungen hängen. Die Beziehung von Ursula zu ihrer Schwester spielt sich am Krankenbett ab und ist gezeichnet von unterschwelligem gegenseitigem Neid und einer zerbrechlichen, unzerbrochenen Liebe, die den Roman bis zum Schluss immer dann aufhellt, wenn er, von der Freude am Zorn bewegt, nur noch Apokalypse sehen will.
Shakar hat sich viele Gedanken darüber gemacht, wie Marketing in Middle City funktioniert. Seine Theorien sind zu umfangreich, als dass man glauben könnte, dass er sie kein bisschen ernst nimmt. Chas erläutert Ursula, was ein attraktives Produkt ausmacht. Es besitzt eine „Paradessenz”, will heißen, es verspricht, zwei einander ausschließende Bedürfnisse zu befriedigen. Eiskrem? Eros und Unschuld. Kaffee? Entspannung und Anspannung. Über viele Seiten präsentiert Chas seine Theorien, während er Ursula durch ein Einkaufscenter führt. Als postmoderner Roman, der mehrere Welten engführt und sein will, was er kritisiert, ist „Der letzte Schrei” Satire, Dystopie, Geschwistergeschichte und Marketingseminar in einem.
Man kann Shakars Lust an der Satire dafür kritisieren, dass sie aus der falschen Quelle schöpft: Die Welt, in der er seine Geschichte spielen lässt, ist so postmodern, dass sie zu einem großen Teil aus dem Lehrbuch zu stammen scheint. Andererseits ist das Lehrbuch nicht der schlechteste Ort, um Satire zu finden. Man kann aber auch bemängeln, dass Shakars Systemkritik vor allem auf das Verhältnis von Kapitalismus und Individuum zielt. Das macht das Buch nicht weniger gut; nur ist es damit eigentlich ein Buch für die Neunziger. Die global-politische Dimension des Kapitalismus, die im Zentrum der gegenwärtigen Debatten steht, kommt in ihm einfach nicht vor. Und so wirkt „Der letzte Schrei” schon jetzt wie ein vergilbtes Foto aus alten Zeiten; denn nichts zeigt eine Zeit so sehr bei sich zu Hause wie ihre Visionen der Zukunft. Selbst wenn die Gegenwart nie über die Vergangenheit hinausgekommen sein sollte, kennt sie gar kein Mehr an passé.
KAI MARTIN WIEGANDT
ALEX SHAKAR: Der letzte Schrei. Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Johannes Sabinski. Rowohlt Verlag, Reinbek 2002. 411 Seiten, 15 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Kai Martin Wiegandt ist ziemlich beeindruckt von Alex Shakars Roman, der trotz seiner Aktualität in seinen Augen zwar eine schon zu Ende gegangene Zeit beschreibt, dennoch aber auf verschiedenen Ebenen funktioniert: "als Satire, Dystopie, Geschwistergeschichte und Marketingseminar". Trotz all dieser Elemente, die das Buch Wiegandts Meinung nach an manchen Stellen wirken lässt, als wäre es als postmodernes Lehrbuch konzipiert, hat die Erzählung seiner Meinung nach durchaus mitreißende Momente, zum Beispiel wenn der Autor seinen Figuren einen Realismus verleihe, "der sie menschlich macht und ihnen Verantwortung zumutet". Das sind nach Wiegandt die starke Augenblicke, "aus denen das Buch seinen Anspruch auf Kritik entwickelt". Obwohl der Autor das "spätkapitalistische Babel" des "Hier und Jetzt der amerikanischen Großstädte" gut dargestellt hat, findet Wiegandt die Erzählung nicht mehr wirklich zeitgemäß, weil es sich auf das Verhältnis von Individuum und Kapitalismus konzentriert, und über die "global-politische Dimension des Kapitalismus" komplett hinweg sieht. Deswegen erscheint das Buch ihm wie ein "vergilbtes Foto", aber sich darin zu versenken, macht ihm dennoch Spaß.

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