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Eine Comédie humaine über einen Sonntag, an dem Alt und Jung ihr Glück suchen.
«EIN KLEINES MEISTERWERK.» DIE ZEIT «HERZERFISCHEND, MIT UNTRÜGLICHEM SINN FÜR DIE KOMIK DES LEBENS.» DEUTSCHLANDRADIO «AUF DIESE AUTORIN WIRD MAN ACHTEN MÜSSEN.» FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG CAMILLE DE PERETTI ÖFFNET DIE 64 TÜREN EINER FRANZÖSISCHEN SENIORENRESIDENZ. HINTER JEDER TÜR ... ... EIN NEUES GEHEIMNIS.

Produktbeschreibung
Eine Comédie humaine über einen Sonntag, an dem Alt und Jung ihr Glück suchen.
«EIN KLEINES MEISTERWERK.»
DIE ZEIT
«HERZERFISCHEND, MIT UNTRÜGLICHEM SINN FÜR DIE KOMIK DES LEBENS.»
DEUTSCHLANDRADIO
«AUF DIESE AUTORIN WIRD MAN ACHTEN MÜSSEN.»
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
CAMILLE DE PERETTI ÖFFNET DIE 64 TÜREN EINER FRANZÖSISCHEN SENIORENRESIDENZ.
HINTER JEDER TÜR ...
... EIN NEUES GEHEIMNIS.
Autorenporträt
Peretti, Camille de1980 in Paris geboren, studierte Philosophie, gründete eine eigene Theatertruppe, arbeitete in England und Amerika im Finanzbereich und hatte eine Kochshow im japanischen Fernsehen. Sie lebt heute als freie Autorin in Paris.Bei Rowohlt erschienen die Romane «Wir werden zusammen alt» und «Der Zauber der Casati».

Schmidt-Henkel, HinrichHinrich Schmidt-Henkel, geboren 1959, lebt in Berlin. Er übersetzt u.a. auch Jean Echenoz, Édouard Louis, Jon Fosse, Tomas Espedal und Tarjei Vesaas. Ausgezeichnet wurde er mit dem Jane Scatcherd-Preis, dem Paul-Celan-Preis des Deutschen Literaturfonds und dem Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW (zusammen mit Frank Heibert).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.01.2011

Alle Viertelstunde ein Schicksal

Geschickte Rösselsprünge durchs Reich der langen Weile: Die junge französische Autorin Camille de Peretti überzeugt, amüsiert und unterhält mit einem Roman übers Altwerden.

Von Joseph Hanimann

Im Altersheim begegnen sich zwei Sorten Menschen: die Besucher, die den Ort abends wieder verlassen können, und die anderen. Sie bleiben winkend auf der Schwelle zurück oder schon abwesend im Sessel. Den einen geht eine Welt auf, den anderen kommt sie allmählich abhanden.

Die dreißigjährige französische Autorin Camille de Peretti ist nicht die erste, die aus diesem Abgrund heraus Literatur gemacht hat. Sie ist aber die bisher wohl einzige, die ihre Beschreibung von Gleichförmigkeit, langer Vorfreude und kurzem Glück, von Bange, Gezänk, Eigensinn und unfreiwilliger Komik nicht sentimental, sarkastisch oder impressionistisch ausufern lässt. In "Wir werden zusammen alt", einem kompositorischen Gerüst aus Spiel und Ernst hat sie vielmehr die Ereignisse so lange festgezurrt, bis sich die allzu vertrauten Wege zwischen Aufenthaltsraum, Flur, Speisesaal, Getränkeautomat und Pensionärszimmern zum Labyrinth verfremden.

Man merkt es nicht gleich beim Lesen dieses Buchs, dass hinter den Kapitelsprüngen im Viertelstundentakt eines Oktobersonntags in der Seniorenresidenz "Les Bégonias" ein fast schon göttlicher Plan steht. Die Pensionärinnen Alma, Buissonette und Barbier, die im Aufenthaltsraum bis zur Sonntagsmesse am Fernsehen noch zwei Stunden totschlagen müssen, verkürzen sich diese mit kleinen Keifereien. Draußen im Hof raucht die kratzbürstig-depressive Nini im Rollstuhl eine Zigarette nach der anderen und nervt ihre Besucherin mit ständig neuen Wünschen. Im Flur piepst das Handy der Krankenschwester Mozarts "Rondo alla turca": ein neuer Anruf vom windigen Liebhaber, den die nicht mehr ganz junge Frau endlich abstoßen möchte und nicht kann.

Die gut getarnte Wiederkehr gewisser Elemente - Stoffe wie Samt, Nylon, Wolle, Gewächse wie Maiglöckchen, Rosen und Birken, aber auch gewisse Schmuckstücke, Farben, Zahlen - sowie die regelmäßigen Standortwechsel der Romankapitel verraten aber, dass diese Seniorenheimwelt nicht allein von Gewohnheiten und Launen bestimmt wird. Wie der Kombinationsvirtuose Georges Perec im Roman "Das Leben Gebrauchsanweisung" (1978) das dort beschriebene Mietshaus vertikal aufschnitt und mit bestimmten Vorgaben das Geschehen in den zehn mal zehn Räumen beschrieb, hat Camille de Peretti den Raum der Altersresidenz "Les Bégonias" in vierundsechzig Kapitelfelder aufgeteilt. Mit dem Bewegungsmuster des Rösselsprungs auf dem Schachbrett - zwei voran, einer seitwärts, oder umgekehrt - arbeitet die Erzählung sich vom Empfangsraum über Flure, Friseursalon, Kapelle, Arzneimittellager, Küche und Seniorenzimmer durch die ganze Residenz: jede Viertelstunde ein anderer Ort, von morgens um neun bis nachts Viertel vor eins, mit immer neuen Requisitenvorgaben.

Dieses an die französische Oulipo-Gruppe (Ouvroir de littérature potentielle) anknüpfende Verfahren ist bei den guten Autoren wie Jacques Roubaud, Marcel Benabou oder Olivier Salon nicht einfach ein Trick, fehlenden Erzählstoff durch Formspielerei zu kompensieren, im Gegenteil. Es schärft die thematischen Entwicklungsmöglichkeiten. Camille de Peretti gehörte nie zu diesem Kreis, bedient sich aber geschickt seiner Regeln. Die 1980 in Paris Geborene war einige Jahre in Amerika als Finanzberaterin sowie in Japan als Fernsehköchin tätig und wurde vor fünf Jahren mit "Thornythorinx" bekannt, einem Roman über die Magersucht. "Wir werden zusammen alt" war 2008 ihr dritter in Frankreich erschienener Roman.

Unter den zahlreichen Figuren des Buchs steht die fünfundzwanzigjährige Camille, eine Schriftstellerin, die um 9.30 Uhr zum Besuch ihrer Tante Nini ins "Les Bégonias" kommt, für die reale Erfahrung der Autorin mit der Altersheimrealität ein. Ihr Buch sei aus den wöchentlichen Besuchen bei einer Großtante im Seniorenheim entstanden, hat sie erklärt. Nur ein Stündchen, ermutigt die Roman-Camille sich beim Übertreten der Schwelle: "Mit dieser einen Stunde erkaufst du dir zwei Wochen Ruhe."

Sie empfindet Schuldgefühle gegenüber dieser Alten, die einst viel für sie tat und die ihr dennoch heute Ekel einflößt mit ihren Borsten am Kinn, den schmutzigen Fingernägeln, der Ansammlung benutzter Papiertaschentücher im Schoß und den Speiseresten zwischen den Zähnen. Auch die Erinnerung an die Cimarron-Jeans und Zara-Mäntel, die sie früher von ihr geschenkt bekam, und an die gemeinsamen Sommertage in Cannes reichen nicht aus, um den Zwist zwischen schlechtem Gewissen und physischer Aversion bei der jungen Frau zu lindern.

Die Lebensfäden der Pensionäre, Besucher, Pfleger werden gemäß den Regeln des vorgegebenen Requisitenprogramms so geschickt verflochten, dass immerfort das Skurrile dem Rührenden, das weinende Auge dem giftsprühenden zuzwinkert. Der hingebungsvolle Monsieur Destroismaisons wird von seiner alzheimerverwirrten Frau als ein heimlicher Liebhaber angesprochen und zur Flucht vor dem nahenden Gatten ermahnt - bis der Mann aus Schmerz vor der senilen Entzauberung seines einstigen Eheglücks sie ohrfeigt. Jeder trägt seine Last. Selbst der Altersheimdirektor, ein leidenschaftlicher Briefmarkensammler, kommt nicht dazu, seinen auf Internet getätigten Versteigerungskauf abzuschließen, weil in der Totenkammer die Kühlung ausfiel und der in der Nacht verstorbenen Madame Paradis schon die Ameisen um Mund und Nasenloch kriechen. Das diskret über die Leiche gesprühte Insektengift Baygon vermag mit seinem Geruch - "Wie es hier riecht! Grässlich!" - nur kurz die versammelte Erbengemeinschaft vom schon entfachten Streit abzulenken. Auch Klischees geraten mitunter in die vierundsechzig Handlungsknoten, fallen aber dank der Ereignisfülle im Roman nicht weiter auf.

Was ins Rührselige oder Zynische hätte abkippen können, ist hier mit einem echten Gespür für Figurenprofile, spitze Wortwechsel und innere Monologe der Einsamkeit ausbalanciert. Wo bei manchen aus der Erinnerung Jahrhundertgeschichte von Churchill bis Gorbatschow nachhallt, sprießt bei anderen wie der jungen Nachtschwester in ihrer Freude über das Schwangersein - Ergebnis einer Liebesnacht auf dem Dachzimmer - die Erwartung künftigen Lebensglücks und kreist bei wieder anderen wie dem angeblichen Schiffskapitän Dreyfus die Altersdemenz schon in unzugänglichen Phantasiereichen.

Mit erstaunlicher Reife und offensichtlicher Sympathie für den Lebenswillen bis zuletzt ist es Camille de Peretti gelungen, das Thema des Altwerdens mit seinen netten, abstrusen und elenden Seiten ins Muster eines Romanspiels zu bannen. Manche, denen das Leben nie besonders zulachte, entdecken da mit knotigen Händen, künstlichen Zähnen und verschraubten Knochen unerwartet noch die erotische Liebe. Andere wie die trotz Schlaftablettendusels schlaflos im Bett liegende Nini reckt sich um 0.45 Uhr nach der Klingel, die jemand ausgeschaltet hat, rutscht ab und stirbt allein in der Blutlache. Auf diese Autorin, von der fürs Frühjahr in Frankreich ein neuer Roman angekündigt ist, wird man achten müssen. Und ihr kongenialer Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel beherrscht das Register der Oulipo-Spielerei ebenso souverän wie das des betroffen machenden Lebensernstes bis ins hinterste Zimmer des Begonienheims.

Camille de Peretti: "Wir werden zusammen alt". Roman.

Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Rowohlt Verlag, Reinbek 2011. 288 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Außerordentlich virtuos, aber so, dass man es erst fast nicht merkt, findet Joseph Hanimann diesen Roman einer dreißigjährigen Autorin, die er nach der Lektüre für ein großes Talent hält. Was zunächst nach einer eher impressionistischen Studie übers Leben im Altersheim aussieht, entpuppe sich bei näherer Betrachtung als von den erzählspielerischen Oulipisten inspiriertes Formexperiment. Im Viertelstundenrhythmus rückt die Erzählung sprungweise vor und spielt dabei niemals am genau selben Ort. Das gesamte Altenheim, mit denen die drinnen sind und auch bleiben, und anderen, die von draußen kommen und wieder gehen, wird so Zimmer für Zimmer kartiert. Wie es der Autorin dabei gelinge, bei diesem Thema weder in billigen Sarkasmen noch in Sentimentalität Ausflucht zu suchen, das nötigt dem Rezensenten großen Respekt ab. Nicht minder gelobt wird der Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel, der jeden Ton der Autorin zu treffen verstehe.

© Perlentaucher Medien GmbH
Ein kleines Meisterwerk. Die Zeit