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Émilie du Châtelet gehörte zu den größten Denkern des 18. Jahrhunderts. Ihre Studien zur Optik trugen zur Entdeckung der Fotografie bei, Einstein zog aus ihrer Arbeit auf dem Gebiet der Energieerhaltung höchsten Nutzen.Voltaire war von ihrem scharfen, schrankenlosen Geist ebenso beeindruckt wie von ihrer zügellosen Leidenschaft. Um einem Haftbefehl zu entgehen, verließ Voltaire mit Émilie Paris und lebte in einem entlegenen Schloss in Cirey-sur-Blaise. Hier richteten sie sich ein wissenschaftliches Forschungslabor ein, das bald zu einem Kristallisationspunkt der europäischen Aufklärung wurde.…mehr

Produktbeschreibung
Émilie du Châtelet gehörte zu den größten Denkern des 18. Jahrhunderts. Ihre Studien zur Optik trugen zur Entdeckung der Fotografie bei, Einstein zog aus ihrer Arbeit auf dem Gebiet der Energieerhaltung höchsten Nutzen.Voltaire war von ihrem scharfen, schrankenlosen Geist ebenso beeindruckt wie von ihrer zügellosen Leidenschaft. Um einem Haftbefehl zu entgehen, verließ Voltaire mit Émilie Paris und lebte in einem entlegenen Schloss in Cirey-sur-Blaise. Hier richteten sie sich ein wissenschaftliches Forschungslabor ein, das bald zu einem Kristallisationspunkt der europäischen Aufklärung wurde. David Bodanis hat mit "Émilie und Voltaire" die längst fällige Biographie dieser außergewöhnlichen und fast vergessenen Wissenschaftlerin geschrieben, die Voltaires Werk maßgeblich beeinflusste. Der umfangreiche Briefwechsel, die Bücher und autobiographischen Notizen, die beide Protagonisten hinterlassen haben, aber auch die Polizeiprotokolle und Spitzelberichte, die Voltaire in die Bastillebrachten, lassen die stürmische Zeit der Aufklärung vor unseren Augen wieder lebendig werden.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.08.2007

Die Minerva Frankreichs
David Bodanis macht die kluge Marquise Du Chatelet, die Freundin Voltaires, für das bürgerliche Publikum zurecht
Anders als Madame de Pompadour, an deren Legende viele bedeutende Schriftsteller gearbeitet haben, bleiben die Biographen der Emilie Du Chatelet (1706-1749) stets bei der Wahrheit, obgleich ihr Leben an Dramatik und Extravaganz mit dem der Mätresse Ludwigs XV. mithalten könnte. Wenngleich politisch nicht so bedeutend, glänzte Madame Du Chatelet durch ungewöhnliche Intelligenz, und wenn sie damit zwar keinen König für sich gewann, so scharte sie doch die größten Geister der Zeit um sich und holte sie oft genug ins Bett. Nun hätten platonische Liebschaften der jungen Emilie – Tochter eines gebildeten Vaters, der sie in allen Wissenschaften gut unterrichten ließ – mit dem Marschall de Richelieu und Abenteuer mit ihrem Lehrer Maupertuis ihr Leben noch immer nicht zu solch einem dankbaren Stoff für den biographischen Roman werden lassen, wäre sie nicht über fünfzehn Jahre hinweg die Geliebte Voltaires gewesen. An der Seite dieses Großmeisters der Aufklärung und des Zynismus tangierte ihre Existenz die große Politik und explodierte vor Aufregungen. Ihre wirkliche Gestalt aber – ewige Tragik des weiblichen Liebens – ertrinkt doch im Strudel der Ereignisse, die Voltaire gehören, die ihn voran- und immer höher hinauf trugen.
Auch in der von David Bodanis jüngst verfassten Biographie bleibt sie Emilie, er ist Voltaire; sie hat ein Herz voller Leidenschaft und Aufgeregtheit, ein Gemüt voller Angst und Aufdringlichkeit, er hat Passionen, erotische, geistige, plant seine Karriere, kalkuliert seine Auftritte und spottet manchmal über die Geliebte, die ihm Zuflucht gewährt auf Cirey-sur-Blaise, dem Schloss ihres Mannes in der Champagne, als er, vor einem Haftbefehl fliehend, Paris verlassen muss. 1733 hatte Voltaire die Marquise Du Chatelet kennengelernt, über fünfzehn Jahre hinweg blieb er ihr, nicht immer in Treue, aber voller Bewunderung stets, verbunden. Er mokierte sich über ihre pompöse Aufmachung, nannte sie neckend „Madame Pompon Newton” oder verehrend die „Minerva Frankreichs”.
Energisch, ehrgeizig, unartig
Die Wissenschaften betrieb die Marquise obsessiv. Sie brauchte angeblich nur zwei bis vier Stunden Schlaf, und sie widmete sich Disziplinen, die Frauen sonst meiden, den Naturwissenschaften, der Philosophie und Mathematik. In Cirey, dem verfallenen Familiensitz, den der steinreiche Voltaire renovieren ließ, richtete Madame Du Chatelet eine Art Laboratorium ein, wo das gelehrte Paar seinen Leidenschaften frönte. Gemeinsam stellten sie Experimente in der Optik an, Voltaire schrieb seine „Elemente der Philosophie Newtons”, Madame Du Chatelet begann mit der Übersetzung von dessen lateinischen „Principia”, die sie mit einem Kommentar versah. Sie verfasste auch einen Kommentar zur Bibel und schrieb eine „Rede über das Glück”.
Emilie Du Chatelet, die Inkarnation der femme savante, ließ sich von Largillière mit Zirkel und Weltkugel malen, doch war sie nichts weniger als eine spröde Gelehrte. Sie bekannte sich zu ihrer Leidenschaftlichkeit, denn die Seele brauche, so verkündete sie der Welt, als Stimulans Hoffnung und Angst. Ihre drei großen Leidenschaften kannte sie wohl: den Luxus, das Spiel und das Studium. Spielschulden hatte Voltaire oft genug zu begleichen, dafür regte ihn Madame Du Chatelet zu dem satirischen Gedicht „Mondain” an, in dem er jenen Lebensstil entwarf, den später auch bürgerliche Frauen wählten, um sich wie aristokratische Damen fühlen zu können.
Emilie Du Chatelet, diese energische, ehrgeizige, unartige Person, beginnt bei ihrem neuesten Biographen David Bodanis ihre Existenz als Zehnjährige in der „wogenden Fülle ihrer Haarpracht”. Dem altklugen Kind erlaubt der Vater, der gerade Besucher „in die Villa” geladen hat, „ausnahmsweise . . . etwas länger aufzubleiben”. Der Leser, der Entspannung sucht, fühlt sich sofort wie zu Hause. Jenen aber, der etwas wissen will, packt schon auf diesen ersten Seiten die Ungeduld über solch abgenutzte Poesie, die seine Neugier nur auf die Folter spannt. Bodanis versucht die Historiographie mit dem Roman zu verbinden. Als Romancier ist es ihm erlaubt, die Figur an den Leser heranzurücken und selbst Einblick in ihr Inneres zu nehmen.
Der Leser muss sich deshalb des öfteren noch gedulden, etwa, wenn ihm Emilie als „Teenager” entgegentritt, wenn er von „langen Picknickausflügen” hört oder das exzentrische Paar bei der Arbeit beobachtet: „Voltaire konnte Emilies mathematischen Symbolen nicht folgen, und redete ihr zu, früher schlafen zu gehen.” Was Wunder, dass bei so viel Überlegenheit der Geliebten Voltaire die Katastrophe seines Lebens kommen sieht: „Falls das Schlimmste passieren sollte, würde es nie wieder jemanden geben”, so stellt er, offenbar betrübt, fest, „der ihn auf diese Art und Weise verstehen würde” – was so ganz nicht stimmt, denn er hatte mittlerweile längst versucht, „Marie-Louises seiner Nichte, Haushälterin und Geliebten] Gunst zurückzugewinnen” und sie um Rat zu fragen: „Dann aber hört er wie ein Dummkopf tatsächlich auf das, was sie sagte.” Um so schlimmer, dass diese Aussage über den „Dummkopf” Voltaire, der seiner ungebildeten Nichte in die Fänge geht, nicht die Meinung des Autors Bodanis ist, sondern einer seiner Versuche, Dichter zu sein und seinen Figuren Leben einzuhauchen. „Emilie” soll das sein, die sich hier in der Fiktion eines inneren Monologs so verärgert über den schlauesten Fuchs des 18. Jahrhunderts auslässt.
Sachliche Ungenauigkeit kann man Bodanis nicht vorwerfen, wohl aber schlechte Poesie. Er erfindet keine vor Geist sprühenden Briefe, wie Barbé-Marbois und Crébillon Fils, die so aus Madame Pompadour eine witzige Schriftstellerin machten, er dichtet der Marquise Du Chatalet nichts an, was nicht äußerlich und intellektuell ihr eigen wäre; aber er steigt in ihr Herz hinab und entdeckt dort seine Welt, die bürgerliche. Vom bürgerlichen Leser allerdings kann er keine hohe Meinung haben, sonst könnte er ihn nicht mit dieser poetischen Kleckserei abfertigen wollen.
Angemaßte Männertugend
Da Bodanis bei alledem um historische Richtigkeit bemüht ist, verschafft er der Marquise ein entsprechendes Ambiente. Wo er nicht beleben will, sondern nur beschreibt, entsteht eine durchaus brauchbare Realienkunde. Er entwirft das Ambiente, in dem Aristokraten leben, berichtet von Neuerungen, die Madame Du Chatelet auf Cirey einführte, ein Badezimmer etwa oder einen Korridor, durch den bislang verbundene Zimmer nun getrennt voneinander betreten werden konnten. Die Aufführung von Voltaires Stücken gibt Gelegenheit, die Comédie Française als eine Institution zu beschreiben, in der der Geist durch die Macht der Claqueure mit dem Publikum kommuniziert.
Allerdings fehlt dieser nützlichen Faktengeschichte, fehlt dem Stoff am Ende doch die Intelligenz, die zum Beispiel Elisabeth Badinters Biographie der Madame Du Chatelet auszeichnet. Bodanis selbst lobt Badinter als die „ideale Biographin” der Marquise, findet allerdings dafür eine Begründung, die ganz seiner Anbiederung an den kleinbürgerlichen Leser entspricht: „Badinter weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, in einer reichen Familie aufzuwachsen und mit einem brillanten Mann zusammenzuleben . . . und dennoch zu fühlen, dass das Leben nicht immer ganz so befriedigend ist, wie man es sich erhofft hat.” Badinters Biographie „Emilie, Emilie. L’ambition féminine au XVIIIème siècle” (1983; deutsch 1984) bezieht ihre Qualität aber gerade aus der hartnäckigen Betonung der Differenz nicht nur der weiblichen Existenz, sondern des gesamten Stils dieses Jahrhunderts zur Gegenwart. Die deutsche Übersetzung, auf die hinzuweisen der Verlag wohlweislich versäumt, verwischt im Untertitel: „Weiblicher Lebensentwurf im 18. Jahrhundert” die aufschlussreiche Entdeckung Badinters: Die französische Historikerin schrieb eine Geschichte des Ehrgeizes, einer männlichen Tugend, die zunächst nur der Aristokratie zugestanden war und die sich im Laufe des 18. Jahrhunderts Bürger und Frauen anzumaßen suchten. So gelang Badinter die geistreiche Analyse einer wichtigen intellektuellen Revolution, für die die Marquise Du Chatelet in der Tat das lebendigste Beispiel ist.
Leider braucht der Buchmarkt immer neue Bücher; deshalb wird Bodanis, diesmal der weniger „brillante Mann”, die Erfahrungen bestätigen, die er Badinter unterstellt, nämlich „zu fühlen, dass das Leben nicht immer ganz so befriedigend ist, wie man es sich erhofft hat”: Ihre Biographie ist auf dem Jahrmarkt der Neuigkeiten der Vergessenheit anheimgefallen. Heute siegt das schlechtere Buch, wenn es neu ist, über das bessere, wenn es alt ist. HANNELORE SCHLAFFER
DAVID BODANIS: Émilie und Voltaire. Eine Liebe in Zeiten der Aufklärung. Aus dem Englischen von Hubert Mania. Rowohlt Verlag, Reinbek 2007. 443 Seiten, 22,90 Euro
Sie brauchte angeblich nur zwei bis vier Stunden Schlaf, widmete sich obsessiv der Wissenschaft – und war doch nichts weniger als eine spröde Gelehrte: Emilie Du Chatelet. Foto: Corbis
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Hannelore Schlaffer hat mit diesem Buch eine herbe Enttäuschung erlebt. Die Lebensgeschichte der Emilie Du Chatelet hat sie bei Elisabeth Badinter schon besser gelesen. Im Hinblick auf die "intellektuelle Revolution" nämlich, für die die Geliebte Voltaires für Schlaffer das "lebendigste Beispiel" darstellt. Keine Spur davon in David Bodanis Biografie. Ungeduldig sucht Schlaffer nach der "energischen, ehrgeizigen, unartigen Person" Emilie und begegnet doch nur den romanesken Ambitionen des Autors im Gewand "historischer Richtigkeit". Und Schlaffer traut dem Autor und seiner Poesie nicht über den Weg. Zu geistlos, findet sie, zu kleinbürgerlich und zu wenig bedacht auf historische Differenzen.

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