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Über 200 Jahre lang waren sie auf das Engste mit der deutschen Geschichte verbunden: Die Moltkes stellten nicht nur in Deutschland, sondern auch in einer Reihe anderer europäischer Länder Politiker, Militärs, hohe Beamte, Künstler und Sportler. Der preußische Generalfeldmarschall, Helmuth von Moltke, gewann für seinen König die deutsche Kaiserkrone; Helmuth James von Moltke wurde von den Nazis gehängt, weil er der Kopf des Kreisauer Kreises war. Nun erscheint in dem Jahr, das mit dem Tod Freyas von Moltke, der Witwe von Helmuth James, eine tiefe Zäsur hinterlässt, die erste Biografie über…mehr

Produktbeschreibung
Über 200 Jahre lang waren sie auf das Engste mit der deutschen Geschichte verbunden: Die Moltkes stellten nicht nur in Deutschland, sondern auch in einer Reihe anderer europäischer Länder Politiker, Militärs, hohe Beamte, Künstler und Sportler. Der preußische Generalfeldmarschall, Helmuth von Moltke, gewann für seinen König die deutsche Kaiserkrone; Helmuth James von Moltke wurde von den Nazis gehängt, weil er der Kopf des Kreisauer Kreises war. Nun erscheint in dem Jahr, das mit dem Tod Freyas von Moltke, der Witwe von Helmuth James, eine tiefe Zäsur hinterlässt, die erste Biografie über diese außergewöhnliche Familie: Jochen Thies hatte uneingeschränkten Zugang zu bislang unveröffentlichten Dokumenten und erzählt in diesem fesselnden Familienepos die Geschichte der Moltkes von den Anfängen bis heute.
Autorenporträt
Jochen Thies, geboren 1944 in Rauschen in Ostpreußen, Dr. phil., studierte Romanistik, Geschichte und Politische Wissenschaft. Er war Redenschreiber von Bundeskanzler Helmut Schmidt, Ressortleiter Außenpolitik der Tageszeitung Die Welt, Chefredakteur der Zeitschrift Europa-Archiv/Internationale Politik und viele Jahre lang in leitenden Stellungen bei der ARD tätig. Er ist Autor zahlreicher Bücher; seine Themen sind Außenpolitik, Zeitgeschichte, Biografien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.12.2010

Anatomie eines Erfolgs
Die Moltke-Grafen und ihre bedeutenden bürgerlichen Frauen Dorothy und Freya

Adelige leben nicht in Aspik. Ihre Familienverbände gleichen eher einem geschlossenen Ökosystem, das immer wieder in Gefahr gerät, außer Balance zu geraten, wenn einzelne Elemente wegbrechen. Interne Störfaktoren wie Reproduktionsprobleme oder wirtschaftliche Inkompetenz des Familienvorstandes können ebenso bedrohlich für das Equilibrium der Familie werden wie revolutionäre Umstürze. Wie also kann es eine Adelsfamilie schaffen, "oben zu bleiben"?

Die Frage nach der Anatomie adeligen Erfolges beschäftigt Historiker seit längerem. Erfolgreiche Adelsfamilien scheinen seit Jahrhunderten ein geschicktes Prinzip der Risikostreuung zu praktizieren. Wie bei einem ausgewogenen Investment-Portfolio werden Familienmitglieder auf verschiedene Positionen und Länder "gestreut", um je nach Bedarf wieder abgezogen und an anderer Stelle reinvestiert zu werden. Entscheidungen dieser Art bedürfen einer autoritären Familienstruktur: Allein der Familienvorstand kann über Sanktions- und Gratifikationsmechanismen bestimmen. Doch Familien aller Schichten funktionieren bekanntermaßen nicht nur durch Kontroll- und Disziplinierungsmaßnahmen. Sie müssen, wenn sie erfolgreich bleiben wollen, eine Mischung aus rationalen und emotionalen Strategien verfolgen, um ihre Mitglieder an sich zu binden.

Jochen Thies hat sich in seinem sehr persönlichen Buch mit dem Erfolg der Moltke-Familie beschäftigt. Er beginnt mit einer Reise durch Mecklenburg-Vorpommern, auf der Suche nach dem berühmtesten Moltke - dem Generalfeldmarschall unter Kaiser Wilhelm I. Ohne Helmuth von Moltke und seiner konkurrenzbeladenen Kooperation mit Bismarck wären die Einigungskriege weniger erfolgreich verlaufen. Es ist daher nicht überraschend, dass für die Moltkes lange Zeit das Militär einer soliden Investition in Pfandbriefen gleichkam. Doch nach dem Versagen des Generalstabschefs Helmuth Johannes Ludwig von Moltke im Ersten Weltkrieg und dem Versailler Vertrag wurde das Militär zu einer Risikoanlage für die Familie. Am Ende waren es zivile Berufe und der Blick nach Westen, die halfen, das Portfolio erfolgreich umzuschichten.

Da Thies nur fünf Personen aus dem Familienfundus holt (andere werden in knappen Kurzbiographien zusammengefasst), erscheint die Moltke-Familie erfolgsverwöhnt. Doch eine Geburtselite kann schwerlich über Generationen hinweg eine dauerhafte Leistungselite hervorbringen. Für die Adelsgeschichte ist es daher heute besonders interessant geworden, wie mit den Verlierern einer Familie - den missratenen Söhnen und schwer vermittelbaren Töchtern - umgegangen wird. Auch wenn diese Frage hier nicht gestellt wird, so entwickelt Thies trotzdem ein Gefühl für die internen Mechanismen der Familie.

Am Aufschlussreichsten ist die Porträtierung der zwei großen Moltke-Frauen: Dorothy und Freya. Diese Frauen zu heiraten, war sicherlich die klügste Investition der Moltkes. In der österreichischen Adelsclan-Sprache spricht man von "einer Mariage" - und obwohl oder gerade weil beide Frauen aus bürgerlichen Familien kamen (und es daher keine endogenen Heiratsverbindungen waren), reformierten sie die Familie im 20. Jahrhundert. Dorothy Rose Innes war Südafrikanerin aus einer einflussreichen und vermögenden Juristenfamilie. Ohne den südafrikanischen Geldstrom wäre das Familiengut Kreisau nach dem Ersten Weltkrieg nicht zu halten gewesen (ihr aushäusiger Ehemann scheint eher zu den Belastungsfaktoren der Familie gehört zu haben). Doch Dorothy gab nicht nur Geld, sie war auch ideologieresistent und versuchte ihre fünf Kinder weltoffen zu erziehen. Die Bilanz entmutigte sie: drei arrangierten sich mit dem Nationalsozialismus - und den Weg ihres Lieblingssohnes Helmuth James in den Widerstand musste sie nicht mehr erleben.

Für Dorothys Sohn Helmuth war jedoch eindeutig, wer ihn geprägt hatte. Aus dem Konzentrationslager Ravensbrück schrieb er 1944 an seine Frau Freya: "Vor allem bin ich voller Dankbarkeit gegen Mami und Dich, denn wo wäre ich ohne die Reichtümer, die von Euch gekommen sind." Wie ihre Schwiegermutter Dorothy war auch Freya aus großbürgerlicher Familie, jedoch ohne liquide Mitgift. Was sie den Moltkes bot, war eine Mischung aus gesundem Menschenverstand und maßlosem Mut. Freyas Lebensleistungen werden von Thies aus zwei Blickwinkeln erzählt - dem ihres Mannes und aus der Sicht der Matriarchin selbst. Der Autor kommt zu dem überzeugenden Schluss, dass es Dorothy und Freya waren, die am Ende die Moltkes "von einer Militärfamilie in eine Familie von Weltbürgern" verwandelten. Damit ist auch das erfolgreiche Überleben dieser Familie klarer geworden. Es waren am Ende nicht der alte Generalfeldmarschall und die Nostalgie, die das Moltkesche Ökosystem in Balance hielten, sondern die Klugheit zweier sehr moderner Frauen.

KARINA URBACH

Jochen Thies: Die Moltkes. Von Königgrätz nach Kreisau. Eine deutsche Familiengeschichte. Piper Verlag, München 2010. 385 S., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Angetan zeigt sich Rezensentin Karina Urbach von Jochen Thies' Buch über die Aristokratenfamilie Moltke. Besonders interessieren sie die Frage nach den Erfolgsfaktoren von Adelsfamilien sowie die nach den Familienverlieren. Auch wenn Thies die zweite Frage in seinem Buch nicht stellt, attestiert Urbach ihm ein "Gefühl für die internen Mechanismen der Familie". Besonders erhellend scheinen ihr die Porträts von Dorothy und Freya von Moltke. Deutlich wird für sie, dass diese Frauen, beide aus bürgerlichen Familien stammend, letztlich für die Verwandlung der Moltkes von einer "Militärfamilie" in eine "Familie von Weltbürgern" verantwortlich waren.

© Perlentaucher Medien GmbH