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Warum ist Marcel Reich-Ranicki in seiner Autobiographie "Mein Leben" weniger aufrichtig, als er vorgibt? Weshalb kann Alfred Andersch in seinem Buch "Der Vater eines Mörders" nicht gerecht sein? Und welche Wahrheit steckt hinter den Märchen in Günter Grass Roman "Die Blechtrommel"? Wie viele Autoren täu schen diese drei sich und ihre Leser. Und wie allen gelingt es ihnen nicht: Es gibt eine Wahrheit des Erzählens, eine Wahrheit hinter den Worten, die mehr zu wissen scheint als der Autor. Ihr ist die Schriftstellerin Petra Morsbach auf der Spur. Sie liest diese drei Bücher zu Krieg und Drittem…mehr

Produktbeschreibung
Warum ist Marcel Reich-Ranicki in seiner Autobiographie "Mein Leben" weniger aufrichtig, als er vorgibt? Weshalb kann Alfred Andersch in seinem Buch "Der Vater eines Mörders" nicht gerecht sein? Und welche Wahrheit steckt hinter den Märchen in Günter Grass Roman "Die Blechtrommel"? Wie viele Autoren täu schen diese drei sich und ihre Leser. Und wie allen gelingt es ihnen nicht: Es gibt eine Wahrheit des Erzählens, eine Wahrheit hinter den Worten, die mehr zu wissen scheint als der Autor. Ihr ist die Schriftstellerin Petra Morsbach auf der Spur. Sie liest diese drei Bücher zu Krieg und Drittem Reich neu und fragt nicht, was erzählt werden soll: Sie fragt, was erzählt wird bei Grass, Andersch und Reich-Ranicki! Petra Morsbach gewinnt provokante Erkenntnisse, und manch einer wird sein festes Urteil revidieren müssen.
Autorenporträt
Petra Morsbach, 1956 geboren, studierte im München und St. Petersburg. Nach ihrer Promotion über Isaak Babel hat sie zehn Jahre lang hauptsächlich als Dramaturgin und Regisseurin gearbeitet und lebt heute als freie Schriftstellerin in der Nähe von München. Für ihr belletristisches Werk wurde Petra Morsbach 2001 mit dem renommierten Marieluise-Fleißer-Preis ausgezeichnet und 2007 mit dem Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. 2013 erhielt sie den Jean-Paul-Preis des Freistaats Bayern.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.10.2006

Leibesvisitation
Bissig, klug: Petra Morsbach über die Wahrheit des Erzählens
Einer spricht. Was er sagt, ist ihm, so meint er, Mittel und Objekt. Er beherrscht es. Doch die Sprache macht nicht einfach, was er will, sondern auch, was sie will. Sie bockt unterm Widersinn, den er ihr aufzwingen möchte. Sie wird fahl, wo er nicht Wahrgenommenes als eigene Wahrnehmung ausgibt. Sie windet sich in seinen falschen Gedanken. Diesem Phänomen ist Petra Morsbach auf der Spur. Sie nennt es: die Wahrheit der Sprache. Am Erzählen möchte sie zeigen, wie im Moment des falsch Erzählten die Sprache gegen den Sprecher zeugt. Mit philosophischer Courage vermutet sie, „das Wahrheitspotential unserer Sprache” übertreffe „das unseres Willens bei weitem”.
Das Wahrheitszeugnis der erzählenden Sprache ist indes Selbstverrat des Erzählers, da die Sprache seine eigene bleibt: jedes Wort hat er selbst gewählt. „Nicht, daß er die Wahrheit verschleiert, ist das Frappierende, sondern daß er sich selbst des Verschleierns überführt”, schreibt Morsbach. Ihr liegt fern, dies Frappierende wegzuerklären. Doch eine Antwort auf die Frage, was da zur Wahrheit drängt, hat sie schon. Dass Lüge und Täuschung einiges zuwege bringen, ist jedermann geläufig. Etwas aber fehlt in ihrer Welt. Wer ein Ereignis falsch erzählt, um getröstet zu werden – etwa, indem er sich selbst als verfolgte Unschuld ins Licht setzt –, mag sein Ziel erreichen. Und verfehlt es doch. Denn der Trost, der nun gespendet wird, gilt ja nicht ihm selber, sondern der Lüge. „Schlimmstenfalls nimmt die Bedrückung noch zu, so daß man die Geschichte immer wieder und immer falscher erzählen muss, um noch kurzfristig Beruhigung zu spüren.” Nicht nur der Leib kennt Suchtmittel.
Wie man sich selbst verrät
Da allenthalben genug von der Wahrheit weg und zum faulen Trost hin drängt, „mag es wie ein Wunder erscheinen, daß überhaupt reiche und tiefe Deutungen möglich sind”. Aber es gibt sie, selbst im Alltag. Schriftsteller „tun das, was jeder von uns tut, nur auf handwerklich höherem Niveau”. Das professionelle Schreiben ist freilich nicht auf Wahrheit abonniert. „Erzählungen, die Größenphantasien bedienen (also den Leser zur Identifikation mit einem überhöhten Helden einladen), finden die breiteste Gegenliebe und beherrschen traditionell unsere Bestsellerlisten.” Doch die alltäglich zu beobachtende Ambivalenz der Menschen angesichts der Wahrheit, mithin eine ihr zugewandte Seite, findet Morsbach auch an Literatur. „Erzählungen mit Wahrheitsanspruch finden theoretisch den höchsten Respekt, so daß jede Kultur, die auf sich achtet, einen kleinen Kulturpool pflegt, in dem der Anspruch hochgehalten wird.” Und schließlich ist die Opposition ja zu simpel. Da einerseits auch hochgehaltener Anspruch das Ego bediene und somit korrumpiere, andererseits die Sehnsucht nach Wahrheit auch im schlichtesten Genre immer wieder aufblitze, gebe es, stellt Morsbach fest, „alle erdenklichen Mischformen”.
Die Unbefangenheit, mit der Petra Morsbach von Wahrheit redet, „frappiert”, um ihr Wort aufzugreifen, nicht weniger als der sprachliche Selbstverrat, dem sie nachspüren will. Denn wer, der intellektuell auf sich hält, hätte angesichts einer so apostrophierten Wahrheit nicht ein Lächeln und ein Fragezeichen parat? Wahrheit? – als ob wir wüssten, was das ist. Naiv ist Morsbach indes nicht. Ihre Wahrheit ist unwahrscheinlich. Sie ist nicht gegeben, sondern erarbeitet. Aber sie hat ihre Evidenzen. Wer die gewundene Sprache dessen liest, der unbedingt beweisen möchte, was er nicht beweisen kann, der weiß, nein hört, wie Sprache fern der Wahrheit klingt, und wie anders in ihrer Nähe. Und vor solchen Evidenzen wird alle Skepsis gegen eine Definition der Wahrheit blass.
Sprache ist für Morsbach nicht die mehr oder minder hübsche Einkleidung der Wahrheit. Sie ist ihr Leib. Arbeit an der Sprache ist Arbeit an der Wahrheit, unabhängig davon, ob der Text fiktional ist oder nicht. Obschon sie Intuition nicht geringschätzt, macht daher Revision für Morsbach den Schriftsteller. „Er merkt, daß seine Gedanken und Erfindungen sich verbessern, wenn er seine Sprache verbessert.” Es beginnt mit dem Einfachsten: „Wo in zwei Sätzen hintereinander das Wort ‚aber‘ steht, hat er nicht klar gedacht. Abgegriffene Adjektive verraten, daß er nicht genau genug hingesehen hat, um eigene Worte zu finden. Schiefe Metaphern stehen für Übertragungsschwäche.” Doch es wird komplizierter. „Auch ein Text ohne Sprachfehler ist noch nicht gut: Die Sprache wird steril, wenn der Autor den Stoff zu sehr kontrolliert, und beliebig, wenn er es zu wenig tut. Sie wird gewunden und schwerfällig, wenn er etwas verbergen will. Sie wird vage, wenn er aus Faulheit oder Unsicherheit ohne konkrete Vorstellung die Seiten füllt.”
So konkret sind Morsbachs corpora delicti, und die Autorin scheut sich nicht, noch konkreter zu werden. Denn an drei sehr bundesrepublikanischen Büchern erprobt sie ihre unzeitgemäße Theorie wahrer und unwahrer Literatur. Indes machen es Morsbach die Beispiele, die sie ausgesucht hat, von Alfred Andersch, Marcel Reich-Ranicki und Günter Grass, zu leicht. Ihr Mäßiges affiziert den Essay. „Wahrnehmungsschwäche” bei Reich-Ranicki, ein „Haltungstext” von Grass: Zu solchen gewiss zutreffenden Einsichten würde man lieber deutlich unterhalb der Schwelle von 150 Seiten gelangen, sagen wir: nach zwei Seiten.
Am Ende spricht der Einwand für Petra Morsbach, wenn auch in diesem Punkt nicht für ihren Versuch: Sie schreibt einfach viel zu gut, als dass man von ihr Sekundärliteratur, selbst so widerspenstige, zu Grass und Reich-Ranicki lesen möchte. Wer Biss hat, wie diese Essayistin, sollte eher noch riskieren, an harten Brocken die Zähne sich auszubeißen, denn ausführlich in weichen stochern. Ein schwieriger Gegenstand: wie etwa in einer Erzählung von Kleist der Eigensinn der Sprache lebendig ist und sich zuweilen gegen den Autor durchsetzt, wäre Morsbachs so formidabel eingeführter Idee angemessen gewesen.
ANDREAS DORSCHEL
PETRA MORSBACH: Warum Fräulein Laura freundlich war. Über die Wahrheit des Erzählens. Piper Verlag, München und Zürich 2006. 184 Seiten, 14 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Sehr genau hingeschaut hat Andreas Dorschel bei der Lektüre von Petra Morsbachs Essay über die Wahrheit des Erzählens und zitiert in seiner Rezension ausgiebig daraus - nicht nur wegen der Komplexität seines Gegenstandes, sondern auch, weil dieser von der Autorin sprachlich besonders gut getroffen wird. Und gerade diesem Zusammenhang zwischen Sprache, Erzähltem und Erzähler widmet sich Morsbachs Essay, vor allem in Gestalt der Widerständigkeit der Sprache gegen die Absichten des Erzählers. Wo diese auseinander fallen, wo der Erzähler also von seiner eigenen Sprache verraten wird, da offenbart sich die Wahrheit der Sprache, berichtet der Rezensent. Wahrheit, so weiß er, ist für Morsbach untrennbar von Sprache, und wer an der Sprache arbeite, arbeite an der Wahrheit. Doch wenn sie zur Überprüfung ihrer Überlegungen Texte von Andersch, Reich-Ranicki und Grass analysiere, dann staple sie zu tief, meint der Rezensent. Feinere Kost, etwa eine Erzählung von Kleist, wäre Morsbachs hohen essayistischen Qualitäten und ihrer "formidabel" eingeführten Idee eher würdig gewesen, so der Rezensent angetan. 

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.11.2014

Der Evangelist von Hiddensee

Anmerkungen zu einem Bestseller: Warum ich Lutz Seilers "Kruso" anders lese als manche von seiner Sprachgischt benommenen Kritiker.

Von Wolfgang Hegewald

Auch wenn niemand sagen kann, wie ein Bestseller entsteht, so sind gewiss immer Zeitumstände daran beteiligt, die eine Rezeptionsempfänglichkeit begünstigen. Wenn in der Gesellschaft diffuse Ängste rumoren und grassieren, die Furcht vor Abstieg und Wohlstandsverlust umgeht, dann wird das Raunen der Utopie wieder lauter.

Sprache und Erzählen sind Erkenntnisinstrumente, die nicht nur durch die Weltdeutungsleistungen des Autors überraschen, sondern gelegentlich auch gespenstische Fehldeutungen offenlegen, auf der autorenabgewandten Seite des Textes gleichsam. Die Sieger der Rezeptionsgeschichte (Bestseller genannt) respektive ihre Autoren mögen die (vor-)herrschende Lesart in Beton gießen lassen; Erzählsystemen haftet allemal ein subversiver Eigensinn an. Der Wortlaut gilt und bringt es an den Tag. An robusten Bestsellern wie "Die Blechtrommel" von Günter Grass und "Der Vater eines Mörders" von Alfred Andersch, Büchern, die längst zum kanonischen Bestand antifaschistischer Nachkriegsliteratur gerechnet werden, hat Petra Morsbach durch präzise Lektüre solche Deutungsstörungen aufgezeigt ("Warum Fräulein Laura freundlich war - Über die Wahrheit des Erzählens", München 2006).

Der Roman "Kruso", so schallt es mir nun allenthalben und fast unisono entgegen, vergegenwärtige virtuos mit den Mitteln des magischen Realismus die historische Möglichkeitsform eines Lebens in und zugleich jenseits des Verhängnisses namens DDR. Während der Staat in seinen letzten Zügen lag, erprobte das verwegene Kollektiv der Saisonkräfte auf Hiddensee, der Insel des Freiheitsgerüchts, kontrafaktisch ein freiheitlich-utopisches Lebenskonzept. In phantastischer Sprachgischt leuchte diese Möglichkeit auf, die den inneren Ausreiseantrag nobilitiere.

Die Alternative, elitär und fast mythischen Ranges, aus der Sicht der Saisonkräfte: die Flucht übers Meer. Wer sie wählte, hat zuvor in die absolute Freiheit des Todes eingewilligt. Einige Kritiker scheinen, von der Lektüre benommen, in der Insel Hiddensee sogar eine Art Zonen-Macao zu vermuten, eine geistig-moralische Freihandelszone der DDR.

Ich lese, salopp gesagt, etwas anderes in "Kruso": Auf dem Eiland wiederholt sich das ganze Elend des kleinen verrotteten Landes als Farce und Satyrspiel. In der Tyrannei der Aussteiger spiegelt sich die Lebenswelt der DDR en miniature. Das "Moratorium des Alltags" (Odo Marquardt), das die eingeschworene Inselgemeinschaft zu praktizieren vorgibt, ist mit ebendiesem Alltag derart kontaminiert und von ihm korrumpiert, dass es sich selbst suspendiert.

Doch je weiter meine Lektüre von "Kruso" fortschritt, desto fragwürdiger kam es mir vor, dass mein Deutungsmuster der Intention von Autor oder Text entspreche. Von der Kritik ganz zu schweigen, die bald vor allem davon handelte, dass einem auch keine anderen Superlative zu "Kruso" einfielen als dem Kollegen von der Nachbarzeitung. Aber das kann man dem Roman nicht ankreiden.

"Kruso" ist ein Entwicklungs- und Initiationsroman. Ed Bendler, Germanistikstudent aus Halle, von Trakls Vers trunken und durch einen Verlust traumatisiert, bricht zu einer abenteuerlichen Reise nach Hiddensee auf. Dort erhält er, im letzten Sommer der DDR, eine prekäre Anstellung, eine provisorische Unterkunft, und er findet Blutsbrüder, allen voran Kruso. Und Ed fungiert als Erzähler. Kruso verkörpert in Personalunion den Inselschamanen, den gütigen Bonzen mit diktatorischen Allüren, einen verquasten Charismatiker vom Schlage Sascha Andersons, einen Freiheitsapostel und Weisheitslehrer (oft kaum mehr als ein Spruchbeutel voll pathetisch-trivialer Sentenzen à la "Nur Unfreiheit gebiert die wahre Freiheit") - und er wird für Ed zum existentiellen Faszinosum, mit einer homoerotischen Unterströmung.

Diese Konstellation stürzt mich, den Leser, in ein dramaturgisches Dilemma: Eds Erzählung will vor allem treues Vermächtnis sein, eine Art Evangelium nach Kruso, das weder hagiographische Arabesken noch liturgische Wiederholungen scheut. Das macht mir die Lektüre bald lang. Denn Kruso ist, trotz all seiner kapriziösen Volten, berechenbar wie sein Credo: Wir bleiben hier!

Diese bis in die Jetztzeit des Epilogs reichende Anhänglichkeit Eds an Kruso hat erzählerische Scheuklappeneffekte zur Folge und fermentiert den fast 500 Seiten dicken Roman mit einer Gläubigkeit, die mich befremdet. Zu den Konsequenzen dieser Erzählperspektive ist, so meine ich, auch die chronische Humorlosigkeit der über weite Passagen eindrucksvoll modulierten Prosa zu rechnen. Ein Sektierer wie Ed hat keinen Sinn für abgründige Komik, die ich in etlichen Szenen wittere.

Religiöse und parareligiöse Muster finden sich in "Kruso" allenthalben; das Ausflugslokal "Klausner", wo Ed wohnt und schuftet, erinnert nicht zufällig an eine Einsiedelei. Krusos raunende Freiheitsrhetorik, meist mit dunklem Guru-Tremolo vorgetragen und vom Jünger Ed enervierend variantenreich repetiert, ließ mich gelegentlich an ein Diktum von G. K. Chesterton denken, eines Autors von religiöser Hellhörigkeit: "Das innere Licht ist die trübste aller Beleuchtungsarten." Was es mit der Menschlichkeit in finsteren Zeiten für eine Bewandtnis hat, lässt sich bei Hannah Arendt nachlesen; sie wusste auch, dass die Menschlichkeit der Erniedrigten und Beleidigten die Stunde der Befreiung nie auch nur um eine Minute überlebt hat.

Eine grob skizzierte, exemplarische Andeutung nur zu der von mir behaupteten Parallelaktion zwischen DDR-Alltag und Kruso-Kommunitäts-Brauch: die "Vergabe". So heißt im Jargon der Sekte die zeremoniell verbrämte Übereignung von Schiffbrüchigen, also ohne Quartiergewissheit auf der Insel eintreffenden Frauen oder Männern, an Saisonkräfte, sexuelle Dienstleistungs- und informelle Auskunftsbereitschaft inbegriffen. Von Kruso als Strandweihespiel in absolutistischer Manier zelebriert. Ed staunt, genießt und macht sich Notizen. Man erinnert sich: Wohnraum war zwischen Rostock und Erfurt knapp, solange die DDR existierte. Wer bei der staatlichen Wohnungsverwaltung vorstellig wurde, sollte zumindest verheiratet sein. Staatlich reglementierter Sexualgewahrsam als Vorbedingung, ein halbwegs erträgliches Domizil zu ergattern.

Den von keinem vorhergesehenen Fall der Mauer erleben die in Gemeinschaftspathos und Inseltrotz Internierten (Helmuth Plessner, hilf!) als Weltverlust und narzisstische Kränkung. Hochartifizielle, den Kopf benebelnde Sprachgischt weht in diesen härter werdenden Zeiten von Hiddensee her. Wo der Lurch begraben ist, beginnt der alte Maulwurf wieder zu wühlen. Ist es Rückblick, ist es Vorschein: Das Gespenst der Utopie geht um.

Der Schriftsteller Wolfgang Hegewald, geboren 1952 in Dresden, verließ 1983 die DDR und ging in die Bundesrepublik. Zuletzt erschien sein Roman "Herz in Sicht" (Matthes & Seitz).

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