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"Deutschland - einig Vaterland" war immer schon eine Fiktion der Idealisten, eine Wunschvorstellung, die es in Wirklichkeit nie gegeben hat. Tatsächlich hat gerade die hart erkämpfte deutsche Einheit 1990 das Land nur noch tiefer gespalten: In Ost undWest, in Arm und Reich, in Profiteure und Zahler. Die »blühenden Landschaften in Ostdeutschland« sind ferner denn je, die gesamtdeutsche Wirtschaft wird durch die falsch konzipierte Vereinigung gelähmt: Statt der versprochenen Zuwachsraten gibt es Stillstand, ja sogar Rückschritt. Das gesamtdeutsche Nationalgefühl ist ein Relikt aus der…mehr

Produktbeschreibung
"Deutschland - einig Vaterland" war immer schon eine Fiktion der Idealisten, eine Wunschvorstellung, die es in Wirklichkeit nie gegeben hat. Tatsächlich hat gerade die hart erkämpfte deutsche Einheit 1990 das Land nur noch tiefer gespalten: In Ost undWest, in Arm und Reich, in Profiteure und Zahler. Die »blühenden Landschaften in Ostdeutschland« sind ferner denn je, die gesamtdeutsche Wirtschaft wird durch die falsch konzipierte Vereinigung gelähmt: Statt der versprochenen Zuwachsraten gibt es Stillstand, ja sogar Rückschritt. Das gesamtdeutsche Nationalgefühl ist ein Relikt aus der historischen Mottenkiste und nicht wieder zu beleben: Weiterhin gibt es zwei Gesellschaften, eine ost- und eine westdeutsche. Schon jetzt ist absehbar: Die "Wiedervereinigung" wird Deutschland länger belasten, als die DDR existiert hat.
Autorenporträt
Wolfgang Herles, geboren 1950 in Tittling, war von 1975 - 1980 Bonner Korrespondent des Bayerischen Rundfunks. 1980 - 1987 Redakteuer vom Bayerischen Rundfunk, 1987 - 1991 Leiter des Bonner ZDF-Studios, bis 1996 Leiter der ZDF-Talkshow "live". Seit 2002 ist er Moderator und Redaktionsleiter von "aspekte". Zahlreiche Buchveröffentlichungen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.11.2004

Friss, Vogel, oder stirb
Eine Polemik über die missglückte deutsche Vereinigung
Er sagt das einfach so, ganz ungeschminkt - wir sind kein Volk! Wolfgang Herles, Fernsehjournalist und Publizist, hat genug von dem Getue um die Vereinigung und vor allen Dingen kann er den Slogan von deren Vollendung nicht mehr hören; die nämlich wird gar nicht stattfinden. Er richtet sich in seinem Buch gegen die so genannten Patrioten. Als solche gelten ihm all jene, die den Verstand ausschalten, wenn es um Deutschland als Ganzes, um die beschworene Einheit von Ost und West geht. Dazu zählen natürlich die Aktivisten der Vereinigung, allen voran - und von fast allen unterstützt - Helmut Kohl. Es gibt unbestritten Gründe, die Vorgehensweise, die zur Vereinigung führte, zu kritisieren. Mit Sicherheit hat Vernunft bei dem Prozess die geringste Rolle gespielt. Fehler über Fehler wurden gemacht, die Wolfgang Herles auflistet und über die inzwischen weitgehend Konsens besteht.
Nun also haben wir die Misere. Nichts da von blühenden Landschaften im Osten und auch im Westen geht es bergab. Die Ostdeutschen haben sich keineswegs eine neue Identität verpassen lassen. Die die Chance genutzt haben, sind rar, und die meisten von ihnen wiederum haben sich gleich in den Westen aufgemacht. Ewiggestrige leben in der früheren DDR und hängen, das zitiert der Autor aus Umfragen, den alten Zeiten nach.
Nicht frei von Häme
Eine Polemik nennt sich das Buch im Untertitel. Polemik, das bedeutet außerhalb der Wissenschaften „unsachlicher Angriff, scharfe Kritik”, und dieser Definition wird Wolfgang Herles völlig gerecht. Zwar schreibt er im Vorwort, seine Einlassungen richteten sich nicht gegen den Osten, sondern würden Selbsttäuschungen und Tabus der ganzen Nation attackieren, doch so ganz nimmt man ihm das nicht ab. Fraglos ist ihm zuzustimmen, dass Verstand und Willenskraft an die Stelle von patriotischer Inbrunst treten sollten, doch schon die „kühle Rationalität”, die er ebenfalls einfordert, klingt ganz danach, als zählten die Menschen nicht; die Vereinigung als Rechenexempel. Friss, Vogel, oder stirb, so könnte sein Buch ebenso heißen, gemünzt auf die schwerfälligen Menschen in Ostdeutschland, die so gar nichts auf die Reihe bekommen.
Freilich, die Liste der gescheiterten ostdeutschen Politiker nennt viele Namen von Männern, die einmal als Hoffnungsträger galten: von Lothar de Maizière über Wolfgang Schnur zu Ibrahim Böhme, um nur einige zu nennen. Und der Autor konstatiert nicht frei von Häme, dass diejenigen, die ordentlich in den neuen Ländern gewirtschaftet haben, aus dem Westen kamen, siehe Kurt Biedenkopf in Sachsen oder Bernhard Vogel in Thüringen. Muss man sich darüber wirklich wundern? Eine jedenfalls hat es doch - zumindest bislang - geschafft, die Erwartungen zu erfüllen:
Angela Merkel entspricht in allem einer westlichen Politikerpersönlichkeit und versteht es, die alten Hasen zu übertrumpfen, was das Fädenziehen und
das Erreichen von Macht betrifft. Sie wird vom Autor so frech wie treffend porträtiert, ebenso wie einige andere ostdeutsche Politiker, zum Beispiel Wolfgang Thierse, Manfred Stolpe und Gregor Gysi.
Hauptstadt der Illusionen
Immerhin: Wenn es um die Kardinalfehler der Vereinigung geht, bleiben die Ostdeutschen ungeschoren. Sie seien
daran keineswegs beteiligt gewesen.
Weder haben sie den Umtausch ihres Geldes von eins zu eins verlangt, noch die
Angleichung der Einkommen (das waren bekanntlich die Gewerkschaften aus dem Westen), noch tragen sie Verantwortung für die Überbelastung der Rentenkassen. Wobei Wolfgang Herles nicht vergisst, auf den seit Jahren praktizierten skandalösen Stellenabbau der Wirtschaft zu Lasten der Rentenkassen hinzuweisen.
Die Geschichte der deutschen Vereinigung ist, wie bekannt, alles andere als eine Erfolgsgeschichte. Der Autor hat nichts erfunden oder dazugedacht. Die Fakten stimmen und es finden sich gewitzte Unverschämtheiten, etwa wie Berlin, die „Hauptstadt der Illusionen”, abgewatscht wird. Und dennoch, ein oft zynischer Ton und die forsche Betrachtungsweise desjenigen, der erfolgreich ist, nehmen den Leser häufig gegen das Buch ein. Natürlich nur den unmodernen, der nicht begriffen hat, wie groß die Chance für den Menschen ist, wenn der Staat sich von seiner sozialen Verantwortung ihm gegenüber verabschiedet, und der nicht im Gesetz des Marktes die Voraussetzungen für ein besseres Leben sieht.
ELKE NICOLINI
WOLFGANG HERLES: Wir sind kein Volk. Eine Polemik. Piper-Verlag München 2004. 240 Seiten, 12,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Elke Nicolini gibt dem Autor Wolfgang Herles, der konstatiert, dass die Geschichte der Wiedervereinigung eine Geschichte eines Scheiterns ist, zwar widerstrebend recht. Die Fakten und Punkte, die der Autor zur Untermauerung seiner These, auf westlicher Seite seien bei der Wiedervereinigung gravierende Fehler gemacht worden, sind alle richtig und es herrscht darüber auch "weitgehend Konsens", räumt die Rezensentin ein. Dennoch beschleicht sie angesichts der "Polemik", wie sich das Buch im Untertitel nennt, Unbehagen und das liegt nicht zuletzt am zynischen, hämischen Ton, den Herles insbesondere gegenüber den Ostdeutschen anschlägt. Dabei werden Politiker aus dem Osten durchaus "frech" und treffend porträtiert, gesteht Nicolini ein und sie hat sich auch über so manche der "gewitzten Unverschämtheiten" des Autors, wie beispielsweise seine Einlassungen gegen Berlin amüsiert. Trotzdem gibt sie zu, dass sie sich durch die allzu "forsche Betrachtungsweise" und den "zynischen Ton" Herles' insgesamt abgestoßen fühlt.

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