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Annemarie Schwarzenbach: Freundin von Erika und Klaus Mann, Journalistin, Fotografin, politischer Freigeist und ewige Rebellin. In ihrer hochgelobten Romanbiografie schildert Melania Mazzucco eine der interessantesten Frauen der europäischen Bohème.
»Doch, sie ist schön, auch als Mädchen«, ergänzt Klaus Mann, als er seine Freundin Annemarie beschreibt. »Sie ist ehrgeizig und zart und ernst.« Annemarie Schwarzenbach ist all das und gleichzeitig eine der schillerndsten Figuren der mondän-intellektuellen Welt der dreißiger Jahre. Sie entstammte einer der reichsten Schweizer…mehr

Produktbeschreibung
Annemarie Schwarzenbach: Freundin von Erika und Klaus Mann, Journalistin, Fotografin, politischer Freigeist und ewige Rebellin. In ihrer hochgelobten Romanbiografie schildert Melania Mazzucco eine der interessantesten Frauen der europäischen Bohème.

»Doch, sie ist schön, auch als Mädchen«, ergänzt Klaus Mann, als er seine Freundin Annemarie beschreibt. »Sie ist ehrgeizig und zart und ernst.« Annemarie Schwarzenbach ist all das und gleichzeitig eine der schillerndsten Figuren der mondän-intellektuellen Welt der dreißiger Jahre. Sie entstammte einer der reichsten Schweizer Industriellendynastien, war von androgyner Schönheit, verzauberte Männer wie Frauen, war Fotografin und Schriftstellerin. Und doch schien sie immer auf der Flucht vor sich selbst, getrieben auf der Suche nach der unerreichbaren Liebe. Einfühlsam rekonstruiert Melania Mazzucco das Leben dieser außergewöhnlichen Frau: ihre Jugend in der Schweiz, ihre schwierige Beziehung zur Mutter, ihre Reisen nach Amerika, Persien und in den Kongo, ihre Scheinehe mit einem französischen Diplomaten und ihren tragischen Tod 1942, mit nur vierunddreißig Jahren.

Autorenporträt
Melania Mazzucco, geboren 1966 in Rom, wurde schon mit ihrem ersten Roman berühmt. Alle ihre Bücher wurden vielfach ausgezeichnet und in mehrere Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.08.2004

Steine des Anstoßes
Bewegt: Melania Mazzuccos Roman um Annemarie Schwarzenbach

Sie war jung, sie war schön, und sie war reich. Die Schweizer Fabrikantentochter Annemarie Schwarzenbach besaß, was das Herz begehrt, und war doch zutiefst unglücklich, von Selbstzweifeln geplagt, von Drogen abhängig, ruhelos bis zur Selbstzerstörung. "Verödeter Engel" notiert Thomas Mann 1938 im Tagebuch, nachdem die Freundin von Erika und Klaus wieder einmal in Küsnacht zu Besuch gewesen war.

Der alte Zauberer hatte einen guten Blick: Er sah nicht nur die androgyne Schönheit der jungen Frau; er sah auch die innere Zerrissenheit, gegen die weder das Reisen noch das Schreiben zu helfen vermochte. Und auch die Liebe taugte als Heilmittel nicht. Annemarie Schwarzenbach hatte einen fatalen Hang, Menschen, vor allem Frauen, zu lieben, die ihre Liebe nicht erwiderten, und ihrerseits jene zurückzuweisen, die sie vielleicht hätten lieben können. Die Ehe mit einem französischen Diplomaten war ein Desaster, und eine Lebensgemeinschaft mit Klaus Mann erwog sie zwar, ließ es dann aber doch nicht dazu kommen. Annemarie Schwarzenbach war nur vierunddreißig Jahre alt, als sie am 15. November 1942 an den Folgen eines Fahrradunfalls starb. Ihre einflußreiche Familie und der Lauf der Zeit sorgten dafür, daß sie und ihr schriftstellerisches Werk nach dem Krieg fast vollständig in Vergessenheit gerieten.

Erst nachdem Roger Perret und Charles Linsmeyer Ende der achtziger Jahre die Öffentlichkeit auf diese schillernde Figur der Schweizer Literatur aufmerksam gemacht hatten, wurden Annemarie Schwarzenbachs Reportagen, Romane und Briefe zum Teil wieder, zum Teil erstmals veröffentlicht, Biographien über sie geschrieben und Dokumentarfilme gedreht. Besonders in systemkritischen und feministischen Kreisen genießt die extravagante Tochter aus großbürgerlichem Hause mittlerweile Kultstatus. Ihre Großmutter war eine Bismarck, ihr Großvater Ulrich Wille deutschfreundlicher General im Ersten Weltkrieg, und während Annemarie sich für deutsche Emigranten und amerikanische Gewerkschafter stark machte, taten sich ihre Eltern als Sympathisanten von Nazi-Deutschland hervor: ein brisanter Mix, der die Autorin für viele zu einer Projektionsfigur eigener Befreiungsbestrebungen werden ließ.

Daß ihre Ausstrahlungskraft keineswegs nur auf die Schweiz beschränkt geblieben ist, beweist das neueste Buch der italienischen Drehbuch- und Romanautorin Melania G. Mazzucco: "Die so Geliebte" ist, so der Untertitel, ein "Roman um Annemarie Schwarzenbach". Auslöser ihrer Recherchen sei, so Mazzucco, eine Stelle in Klaus Manns "Wendepunkt" gewesen. Sie ließ ihr keine Ruhe, bis sie alles von und über Annemarie Schwarzenbach gelesen, gesehen und zusammengetragen und es ihrerseits zu einem literarischen Werk verarbeitet hatte. Warum in aller Welt es ein Roman werden mußte und keine Biographie, bleibt Mazzuccos Geheimnis. Vermutlich fühlte sie sich in diesem Genre freier, ihrer Fabulierkunst die Zügel schießen zu lassen. Tote können sich bekanntlich nicht mehr wehren.

Melania Mazzucco kommt vom Film, und so erzählt sie die Geschichte von ihrem Ende her. Sie denkt in Bildern. Deshalb lenkt sie den Blick des Lesers schon nach den ersten Sätzen auf jenen Stein, der Annemarie Schwarzenbach und ihrem Fahrrad im Herbst 1942 zum Verhängnis werden sollte. Zwanzig Seiten benötigt die Autorin, um Romanheldin und Stein in vermeintlicher Hitchcock-Manier aufeinandertreffen zu lassen: zwanzig Seiten voller topographischer Unstimmigkeiten, finsterer Anspielungen und voll von ahnungsvollem Geraune - bis, ja bis das Fahrrad "mit metallischem Geklirre über die Steine rutscht" und Annemarie Schwarzenbach im Staube liegt, "ihr Gesicht, das auf dem Stein und in der Finsternis ruhte", den Wolken und dem Himmel zugewandt.

Und das ist erst der Anfang. In zwölf langatmigen Kapiteln breitet Melania Mazzucco, schwärmerisch und distanzlos, das bewegte Leben ihrer Protagonistin vor der geneigten Leserschaft aus. Kein Konflikt im Hause Schwarzenbach, kein Drogenabsturz und kein Klinikaufenthalt, keine Reise, kein Autokauf und keine erotische Eskapade bleiben unbeschrieben. Die Mazzucco weiß alles und sieht alles und vermag sich noch in die geheimsten Regungen, die vertraulichsten Gespräche ihrer Figuren hineinzuversetzen, als sei sie persönlich zugegen gewesen. Rein äußerlich mag das meiste, was sie da so wortreich beschreibt, sogar stimmen und durch Briefe oder Tagebücher einigermaßen belegbar sein. Nur: Der hohe Ton, den die Autorin anschlägt, und ihr schwülstiger Stil lassen die Tragik dieses Lebens nicht tragisch erscheinen, sondern nur kitschig.

Auch wer von dem über fünfhundert Seiten starken Buch neue Einsichten in Leben und Werk von Annemarie Schwarzenbach erwartet, sieht sich enttäuscht. Interessant ist allenfalls, wie Melania Mazzucco die vielen tausend Fotos, die Annemarie Schwarzenbachs Mutter nach ihrem Tod hinterlassen hatte, interpretiert und daraus die Psychogramme zweier Frauen rekonstruiert, die sich in vielem ähnlicher waren, als ihnen guttat. Doch für alle, die die Schwarzenbach-Rezeption der letzten Jahre einigermaßen aufmerksam verfolgt haben, ist auch daran nichts wirklich neu.

Statt fiktiver Dialoge, nachempfundener Emotionen und populärpsychologischer Erörterungen einer hochneurotischen Mutter-Tochter-Beziehung hätte man lieber mehr von Annemarie Schwarzenbachs eigener Prosa gelesen. Diese nämlich ist das genaue Gegenteil von Melania Mazzuccos hemmungslosen Ergüssen: karg und poetisch und von jener elektrisierenden Unruhe durchdrungen, die auch die Person Annemarie Schwarzenbach für viele ihrer Zeitgenossen so anziehend machte. Sollte der eine oder die andere beim Lesen von Melania Mazzuccos Roman Lust bekommen haben auf das Original, so hätte dieses über weite Strecken ärgerliche Buch wenigstens einen guten Zweck erfüllt.

KLARA OBERMÜLLER

Melania G. Mazzucco: "Die so Geliebte". Roman um Annemarie Schwarzenbach. Aus dem Italienischen übersetzt von Gesa Schröder. Piper Verlag, München 2003. 540 S., geb., 23,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Erst Ende der 80er Jahre wurde die Öffentlichkeit wieder auf Annemarie Schwarzenbach aufmerksam, die in den 30er und 40er Jahren die Schweizer Literaturszene aufmischte und heute vor allem in feministischen Kreisen als Kultfigur gilt, führt Klara Obermüller das Sujet ihrer Besprechung ein. Seither wurden Schwarzenbachs Reportagen, Romane, Briefe veröffentlicht, seither entstanden Biografien und Dokumentarfilme über das abenteuerliche Leben der früh Verstorbenen. Warum die italienische Autorin Melania Mazzucco keine Biografie verfasst, sondern die Romanform gewählt hat, kann sich Obermüller nur mit dem Verweis auf die größere dichterische Freiheit erklären. Mazzucco, die ihre Herkunft vom Film laut Obermüller nicht verleugnen kann, nimmt sich große Freiheiten heraus, findet die Rezensentin: jedoch keine dichterische Freiheit, die erfindet, um etwas deutlich zu machen, sondern eine Freiheit, die alles und jedes Detail ausmalt und das auch noch in den schwülstigsten Farben. "Mazzucco weiß alles und sieht alles", ärgert sich Obermüller, die trotz aller populärpsychologischen Erörterungen keine wirklich neuen Erkenntnisse gewonnen hat. Mazzuccos Ergüsse seien das pure Gegenteil von Schwarzenbachs kargem poetischen Stil, warnt Obermüller und legt allen Interessierten das Original ans Herz.

© Perlentaucher Medien GmbH