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Entdecken Sie einen großartigen Erzähler Geschichten, die den Blick verändern: Alois Hotschnig spielt in seinem Erzählungsband auf subtile Weise mit der Wahrnehmung.
»Welcher Handlung ich hier beiwohnte, wusste ich nicht, und die Regeln, nach denen dies alles geschah, waren nicht zu erkennen, und doch war ich jeden Tag mit dabei, gegen meinen Willen und gierig danach, es zu sehen.«
Dieser Satz stammt aus einer Erzählung, in der das untätige und aufreizend selbstgenügsame Verhalten seiner Nachbarn den Erzähler dazu bringt, sein Leben vollständig nach ihrem Rhythmus auszurichten, um ihrem
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Produktbeschreibung
Entdecken Sie einen großartigen Erzähler Geschichten, die den Blick verändern: Alois Hotschnig spielt in seinem Erzählungsband auf subtile Weise mit der Wahrnehmung.

»Welcher Handlung ich hier beiwohnte, wusste ich nicht, und die Regeln, nach denen dies alles geschah, waren nicht zu erkennen, und doch war ich jeden Tag mit dabei, gegen meinen Willen und gierig danach, es zu sehen.«

Dieser Satz stammt aus einer Erzählung, in der das untätige und aufreizend selbstgenügsame Verhalten seiner Nachbarn den Erzähler dazu bringt, sein Leben vollständig nach ihrem Rhythmus auszurichten, um ihrem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Die große Kunst von Alois Hotschnig besteht darin, seine Leser mit unwiderstehlicher Macht zu teilnehmenden Beobachtern zu machen und sie hinter scheinbar alltäglichen Vorgängen das Besondere sehen zu lassen. Wir begegnen einer Familie, die über Jahre hinweg vergeblich auf den immer wieder angekündigten Besuch eines Onkels wartet, einer alten Dame, in deren Puppensammlung sich der Erzähler selbst vorfindet, oder einem Mann, der in der Wohnung seiner ehemaligen Geliebten auf eine fremde Gegenwart trifft. Und wir suchen unweigerlich nach verdeckten Motiven und unausgesprochenen Absichten, um am Ende zu fragen, wer hier eigentlich wen betrachtet.

Die Kraft dieser lange nachwirkenden Erzählungen verdankt sich auch der präzisen und einfühlsamen Sprache, mit der Alois Hotschnig verborgene Zusammenhänge im scheinbar Vertrauten eröffnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.02.2006

Das Regiment der Puppen
Drift ins Irreale: Erzählungen des Österreichers Alois Hotschnig

Da will zum Beispiel Karl Freunde besuchen, aber landet bei deren Nachbarin, weil sie ihn, so meint er zunächst, verwechselt hat. Sie lädt ihn in ihr Heim ein. "Sie hielt eine Puppe im Arm, wie ein Kind, damit ging sie auf mich zu und nahm mich an der Hand und sah mir verlegen und nicht ohne Stolz in die Augen, dann führte sie mich zum Sofa, auf das sie sich setzte, und bat mich, dasselbe zu tun. Ich setzte mich auf den Stuhl gegenüber und wußte nicht, wie ich jemals wieder wegkommen sollte von dort. Das ist Karl, sagte sie und fuhr der Puppe behutsam durchs Haar, und unwillkürlich strich ich mir mit derselben Bewegung die Haare aus der Stirn."

Die alte Dame hat aber nicht nur eine Karl-Puppe, sie beherbergt ganze Puppenregimenter. Elly befindet sich da, und Gerda, und Anny, und noch viele andere in unterschiedlichen Erhaltungszuständen. In diesem Falle erzählt Karl die Geschichte der Puppenfee, soweit er sie miterlebt. Irgendwann beginnt er dann, mit den Puppen, ihren Kindern, wie die Nachbarin sie nennt, zu verschmelzen.

"Eine Tür geht dann auf und fällt zu" ist nur eine von neun Kurzgeschichten aus Alois Hotschnigs Sammlung "Die Kinder beruhigte das nicht". Allen gemeinsam ist ein verstörender Grundton, ein leichtes Abdriften ins Irreale. Aus scheinbar Alltäglichem entwickelt Hotschnig hier Situationen, die seine Protagonisten, aber auch den Leser in Unruhe versetzen. Es wird nie ganz klar, ob sich die Welt in Verwerfungen wiederfindet oder ob die Helden seiner Schilderungen den Verstand verlieren.

Seit der 1959 geborene Hotschnig dreißigjährig mit seiner Erzählung "Aus" an die Öffentlichkeit trat, wurde er in schöner Regelmäßigkeit ausgezeichnet, 1992 beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb, Anna-Seghers-Preis oder, vor vier Jahren, mit dem Italo-Svevo-Preis. Anders als in seinen Romanen "Leonardos Hände" (1992) und "Ludwigs Zimmer" (2000) bieten die kurzen Passagen in dieser Auswahl kaum Möglichkeiten, tiefer verborgene (Familien-)Geheimnisse auch nur anzudeuten. Was in epischer Form funktionieren mag, hat berechtigterweise im Zehnseiter keinen Raum. Obwohl er also bewußt auf ein liebgewonnenes Spiel verzichtet, bleibt sein lakonischer Stil allemal erkennbar. In langen, gerne durch Bindewörter verbundenen Reihensätzen beschreibt er Befindlichkeiten und Beobachtungen, die bezeugen, daß die Welt zumindest für Hotschnigs Helden ein bißchen aus dem Lot gerät. Wenn diese Veränderungen nicht genau faßbar werden, dient dies der Atmosphäre um so mehr. Der Zustand einer Gartenumzäunung und übliche Vermerke über Dosierung einer Arznei auf einem Rezept bekommen dann schon mal in der Wahrnehmung des Lesers ihre eigene Bedeutung ("morgens, mittags, abends").

Die Geschichten sind unspektakulär und ruhig, ein oder zwei davon bleiben wahrscheinlich längere Zeit im Gedächtnis und spuken vielleicht noch länger in der unbewußten Erinnerung herum, aber eher nicht so lange, wie das Warten auf Onkel Walter nun schon andauert. Anders als Godot haben den zumindest schon ein paar Menschen gesehen, versichert Alois Hotschnig ("vielleicht diesmal, vielleicht jetzt").

MARTIN LHOTZKY

Alois Hotschnig: "Die Kinder beruhigte das nicht". Erzählungen. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2006. 127 S., geb., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Hotschnigs Geschichten werden mir beim Lesen zu meiner eigenen Erinnerung. Sie erinnern mich an ein Leben weit weg, das sehr traurig war und sehr lebenswert, ein Leben, das man leidend - nämlich passiv, die leidende Form - bestehen kann; ein Leben zum Anschauen. So wird Traurigkeit zur Lebensfreude, Langeweile zur Spannung. Hotschnig macht mir mit seinen Geschichten das Leben lebenswert." Peter Bichsel

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.05.2006

Merkt ihr eigentlich, dass ich nicht da bin?
„Die Kinder beruhigte das nicht”: Alois Hotschnig spielt in seinen Erzählungen mit der Versuchung der Abwesenheit
Ein Haus, ein See, ein Steg, zwei Liegestühle, auf denen die Nachbarn ruhen, tagein, tagaus, bei jedem Wetter. Oder: Eine Frau, die durch die Stadt schlendert, in Läden hineingeht, Kleidung anprobiert, eine Ruhepause im Café einlegt, durch den Park spaziert. Oder: ein anderes Haus, seine Mauern wurden von Moos befreit und erneuert, Bäume säumen die Straße, Hunde streunen umher, Kinder hüpfen über Regenlachen. Fast jede der neun Erzählungen dieses Bandes beginnt mit einer kleinen topologischen Skizze. Kurz blitzt so etwas wie Idylle auf, doch der Schein hat kaum einen Lidschlag Zeit, um zu wirken. Denn da ist dieser Blick des Erzählers: nicht böse, nicht einmal zornig, aber doch auf beunruhigende Weise zersetzend.
Woher rührt dieser Blick, mit dem die Ich-Erzähler Alois Hotschnigs die Welt betrachten? Der 1959 geborene Österreicher ist ein überaus kontrollierter Autor, der es sich niemals leicht macht. Kaum hat er bewiesen, dass er etwas kann, sucht er sich neue Herausforderungen. Er hat mit zwei großen Erzählungen begonnen, 1989 erschien sein Erzähldebüt „Aus”, ein Jahr später „Eine Art Glück”. Es folgte der Roman „Leonardos Hände”, sein bisher bestes Buch. Mit „Absolution” erprobte er das Schreiben fürs Theater. Für seinen zweiten Roman ließ er sich mehrere Jahre Zeit. „Ludwigs Zimmer” ist ein Buch über die Abwesenheit, über den Wunsch zu verschwinden, sich irgendwo einzugraben, ganz weit weg von den Belangen der restlichen Welt. Dieses Thema variiert er in den neun Erzählungen seines neuen Buches „Die Kinder beruhigte das nicht”.
Es sind klassisch gebaute Erzählungen in der Traditionslinie von Johann Peter Hebels Kalendergeschichten, belegt mit einem modernen Unterton, der an die paradoxen Ausweglosigkeiten Franz Kafkas und die surrealen Spiegelgefechte des frühen Peter Weiss erinnert. Das eloquente Granteln Thomas Bernhards, das früher als Echo in Hotschnigs Texten zu hören war, ist verschwunden. Eigentlich möchte man jedem österreichischen Autor gratulieren, dem es gelingt, sich vom Übervater und seiner suggestiven Textmaschinerie freizuschreiben, aber sie ist eben auch ein Kraftwerk, dessen Ausfall sich bemerkbar macht. Denn wer den Zweifel - an sich, an anderen, an Gott und der Welt - zur Methode erhebt, der braucht einen starken Antrieb, um einen Text in Schwung zu bringen und dafür zu sorgen, dass er nicht an Auszehrung stirbt.
Unerbittliche Standards
Die Erzählungen Hotschnigs folgen einem Muster. Am Anfang wiegen sie sich ein paar Mal in den Hüften, stellen das Fleisch einer zauberhaft rhythmisierten Prosa zur Schau, doch dann hat der Zweifel seinen Auftritt, wie ein Gift zersetzt er den Textkorpus. Die Strenge dieses Verfahrens kann man durchaus bewundern und würdigen. Und doch fühlt man sich betrogen. Denn was übrig bleibt, ist eine Erzählkunst, deren Qualität unbestreitbar ist, die sich aber so unerbittlich an den eigenen Standards abarbeitet, dass sie den Leser aus den Augen verliert. Die Arbeit des Autors rückt in den Mittelpunkt, der Leser soll sie würdigen, auch wenn für ihn kaum etwas abfällt.
„Die Kinder beruhigte das nicht” thematisiert immer wieder die gleiche Konstellation. Ein Ich-Erzähler wagt einen Blick auf die Welt, kommt für Sekunden aus seinem eigenen Gehäuse heraus und verfängt sich sofort in der Spekulation darüber, was die Anderen über ihn denken mögen. Sie einfach zu fragen, ist ihm unmöglich. Es ist ein Subjekt im Spiegelkabinett seiner selbst, gefangen in seinen eigenen Deutungen, verurteilt dazu, sich immer das Schlimmste auszudenken.
Gleich in der ersten Erzählung, „Dieselbe Stille, dasselbe Geschrei”, werden wir darauf eingestimmt. Der Erzähler nimmt ein Paar wahr, das jeden Tag auf dem Steg des Nachbarhauses auf seinen Liegestühlen liegt. Er fühlt sich angezogen von diesem Bild einer Idylle und möchte gern hinter das Geheimnis ihrer Ruhe kommen. Während er die beiden beobachtet, fühlt er sich selbst ertappt: „überwacht, obwohl ich wusste, dass ich es war, der seine Nachbarn nicht aus den Augen ließ”. Er sucht ihre Nähe, kann sie aber nicht anders herstellen, als dass er ihre Gleichgültigkeit in Ablehnung umdeutet. Erst so, durch diese kleine emotionale Unterstellung, kommt er mit ihnen in „eine Art Kontakt”.
„Vielleicht diesmal, vielleicht jetzt” setzt eine andere Form der Abwesenheit in Szene. Die Erzählung beschreibt eine Familie, die ihre Feiern und Treffen damit entwertet, dass sie immer auf den einen Gast wartet, der niemals kommt, einen gewissen „Onkel Walter”. „Sein Fehlen wiegen wir alle, die wir da sind, nicht auf (. . .), denn Walters Abwesenheit lässt uns alle verschwinden.” Doch Alois Hotschnig geht es nicht um die Kritik eines bestimmten Menschentypus, den jeder kennt, also desjenigen, der sich immer ankündigt, um im letzten Moment abzusagen, desjenigen, der sich nach Jahren wieder meldet, kurz bevor man ihn endgültig vergessen hat, um nach der Beteuerung seines Kontaktwunsches wieder in der Versenkung zu verschwinden. Alois Hotschnig will mehr. Er möchte gleichsam an die Quintessenz dieser Art von Abwesenheit heran, möchte ihre ungeheure Wirkungsmacht, ohne den kleinen Haken, der zu ihr gehört: dass nämlich derjenige, der nichts so sehr genießt wie die Vorstellung, er könne jemand anderem fehlen, zugleich nicht kontrollieren kann, ob das tatsächlich der Fall ist. Es ist das Kafka-Syndrom, das hier am Werk ist, nur lässt sich das Spiel von Annäherung und Entzug mit Verlobten leichter spielen als mit Lesern auf dem anonymen Markt der Literatur.
Triumph des Rückzugs
Alois Hotschnig hat es weit gebracht. Er ist einer der besten Autoren seiner Generation. Er darf und soll damit rechnen, dass man nicht vergisst, wer er ist, auch wenn ein derart strenges Schreiben wie das seine Zeit braucht. „Die Kinder beruhigte das nicht” erzählt auch vom hochmütigen Irrglauben, gerade im Rückzug ließe sich die größte Anerkennung finden. Wer einen Roman wie „Leonardos Hände” geschrieben hat, in dem sich Formbewusstsein und das Interesse für andere Menschen die Waage halten, der wird seinen Blick auch wieder weiten können: weg von der Fixierung auf die Probleme des Subjekts, hin zu der Wahrnehmung, dass es auf der Welt auch noch anderes gibt. MEIKE FESSMANN
ALOIS HOTSCHNIG: Die Kinder beruhigte das nicht. Erzählungen. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2006. 127 Seiten, 14,90 Euro.
Jeder Liegestuhl erzählt von einer Idylle, deren Teil man werden möchte.
Foto: Imago/Imagebroker/Theissen
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Leicht zwiespältig äußert sich Rezensentin Meike Fessmann über diesen Erzählband Alois Hotschnigs, den sie als herausragenden Vertreter seiner Generation würdigt. Die neun Erzählungen, Variationen zum Thema Abwesenheit, haben Fessmann durchaus beeindruckt. So bescheinigt sie den Erzählungen einen klassischen Aufbau, kombiniert mit einer modernen Anmutung, die sie an Franz Kafka und die "surrealen Spiegelgefechte" des frühen Peter Weiss erinnert. Andererseits lässt sie das streng durchgehaltene Muster der Erzählungen mit den fast idyllischen Anfängen und den stets folgenden alles zersetzenden Zweifeln unbefriedigt zurück, ja, sie fühlt sich sogar "betrogen". Sie führt das auch darauf zurück, dass Hotschnigs Erzählen sich so konsequent an den eigenen Stilregeln orientiert, dass der Leser dabei bisweilen auf der Strecke bleibt.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Alois Hotschnig hat ein großartiges Buch geschrieben. Nur wenige Seiten braucht der österreichische Schriftsteller, um zu zeigen, was Literatur kann, wenn sie es denn kann [...].« NZZ