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Wiener Kaffeehäuser, Sigmund Freuds Couch, Schriftsteller wie Franz Kafka, Robert Musil und Joseph Roth; Kaiser, Könige und Vampire - Richard Wagner führt den Leser durch die Seelenlandschaft Mitteleuropas.
Eine fiktive Bibliothek, ein Bibliothekar, der zur Besichtigung einer untergegangenen Welt bittet, die immerhin fünf Jahrhunderte überdauerte und auch heute nichts von ihrer Strahlkraft verloren hat: Wer der Einladung folgt, stößt auf historische und literarische Fundstücke, die ein vielstimmiges Bild der Donaumonarchie zeichnen.

Produktbeschreibung
Wiener Kaffeehäuser, Sigmund Freuds Couch, Schriftsteller wie Franz Kafka, Robert Musil und Joseph Roth; Kaiser, Könige und Vampire - Richard Wagner führt den Leser durch die Seelenlandschaft Mitteleuropas.

Eine fiktive Bibliothek, ein Bibliothekar, der zur Besichtigung einer untergegangenen Welt bittet, die immerhin fünf Jahrhunderte überdauerte und auch heute nichts von ihrer Strahlkraft verloren hat: Wer der Einladung folgt, stößt auf historische und literarische Fundstücke, die ein vielstimmiges Bild der Donaumonarchie zeichnen.
Autorenporträt
Wagner, Richard
Richard Wagner, geboren 1952 im rumänischen Banat, arbeitete als Journalist und veröffentlichte Lyrik und Prosa in deutscher Sprache. Nach Arbeits- und Publikationsverbot verließ er Rumänien im Jahr 1987 und lebt seitdem als freier Schriftsteller in Berlin. Sein Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Zuletzt erschienen von ihm der Roman Belüge mich (2011) und, gemeinsam mit Thea Dorn, Die deutsche Seele (2011).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.03.2014

Jeder hatte sein
eigenes Banat
Richard Wagner erinnert an
das Habsburgerreich
Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts sah der Nationalstaat aus wie die einzig berechtigte, weil einzig in sich gefestigte Staatsform; der Ausgang des Ersten Weltkriegs schien das zu bestätigen. Wer in der Zwischenkriegszeit das untergegangene Habsburgerreich verteidigte, wie es etwa Joseph Roth tat, war gewiss nicht modern. Aber es steckte in der Trauer um die Donaumonarchie etwas Humanes, der Wunsch nach einer Politik, die verschiedene Völkerschaften zusammenleben ließ.
  Diese Sicht hat an Sympathie gewonnen, gerade nach dem Ende der großen Systemkonfrontation, als die Kategorie des Nationalen wieder erstarkte. „Habsburg. Bibliothek einer verlorenen Welt“ ist das neue Buch von Richard Wagner betitelt. Was verloren ist, hat Anspruch auf unseren Respekt. Und müsste Wagner, 1952 im rumänischen Banat geboren, nicht der geborene Vertreter des Habsburgischen Geschichtsmythos sein? Doch so ist es nicht. Zu deutlich sieht er, wie dieser Mythos zur Geschäftsidee verkommen ist, zu einem „Markenzeichen der Republik Österreich“.
Dass etwas Markenzeichen ist, heißt allerdings nicht, dass es nicht einmal etwas Großes war. Aber auch hier ist Wagner skeptisch. Das Imperium hält er nicht für eine Alternative zum Nationalstaat, sondern für ein „Instrument des europäischen Ausgleichs“. Auch nichts geringes, möchte man denken. Doch zuletzt, so Wagner, habe das Instrument nicht mehr ausgereicht, die auseinanderstrebenden Teile zusammenzuhalten. Die im neunzehnten Jahrhundert alles entscheidende Frage sei die der Nation gewesen, auf diese Frage habe die Habsburgermonarchie keine Antwort gefunden.
  Es ist im Ergebnis kein ganz neues Bild, das Wagner vermittelt. Die Aufspaltung in eine Vielzahl kurzer, jeweils neu einsetzender Kapitel ist nicht ohne Nachteil zu haben. Seitdem die Donaumonarchie in ihrer Vitalität wieder günstiger beurteilt wird, gerade erst von Christopher Clark etwa, wäre man interessiert, die Frage nach Zerfall und Zusammenhalt systematisch erörtert zu sehen. Das Nacheinander der Skizzen verhindert das. Es entspricht vielleicht dem Gegenstand in seiner Buntheit, das aber ein bisschen zu sehr. Denn so hat das Buch formal Teil an der markenzeichenhaften Habsburgermelange aus Zaunerschnitte und Franz Kafka, Wittgenstein, Tante Jolesch, Psychoanalyse, Vampirismus und dergleichen.
  Aber während er das Buch liest, sickert in den Leser ein Gefühl der Lasten oder Schmerzen ein, die das Habsburgerreich hinterlassen hat. Diese Probleme sind nicht erst 1918/19 in der Zerteilung einer ursprünglichen Ganzheit entstanden. In den Provinzen des Reichs, im Banat etwa, wurden verschiedene Sprachen gesprochen, „mehr nicht. Man lebte nicht friedlich zusammen, wie der dem heutigen Klischee angepasste Mythos nahelegt, man ging sich vielmehr erfolgreich aus dem Weg.“ Wer als Banater zum Studium nach Wien ging, suchte dort Kontakt nicht mit anderen Banatern, sondern als Deutscher mit deutschen Banatern, als Ungar mit ungarischen Banatern. „Jeder hatte sein eigenes Banat“. Von Bedeutung war die „Herkunftskultur“. Wer in der deutschen Bevölkerungsgruppe aufwuchs, erwarb dadurch das „Passwort für die deutsche Kultur insgesamt“.
  Das wirkt bis heute nach. In der Honterusschule im siebenbürgischen Kronstadt (Brasov) besuchen rumänische Kinder den deutschsprachigen Unterricht, zu Schulfesten „simulieren sie die Sachsenfolklore“, um irgendwann ein deutschsprachiges Abiturzeugnis zu erhalten, „mit dem man etwas in Europa anfangen könne, wie sie meinen“. Habsburg als Chiffre verspricht ein Miteinander der Völker. Aber wer in der Peripherie lebt, der sieht, dass es auch unter Völkern ein Oben und Unten gibt.
  Derzeit schätzt man im Westen die k.u.k-Reize. Wie sehr wir bereit sind, uns von ihnen einspinnen lassen, zeigt sich für Wagner an der der westlichen Politik gegenüber der Ukraine. Er hält wenig davon, die Ukraine in die EU aufzunehmen, er sieht darin imperiales Wunschdenken der EU oder der USA. Ein Zauberwort der Beitrittsbegründung hieß lange Galizien. Galizien aber war kulturell durch Polen und Juden (polnisch- und deutschsprachige) bestimmt, die ostmitteleuropäische Identität eine der Abgrenzung nach Osten. „Wieso“, fragt Wagner, „soll der zum Markenzeichen gewordene Mythos Galizien, der sich ausdrücklich als austriakisch verstand, nun als Begründung für einen Beitritt Kiews und Charkiws zur EU gelten?“
  Das Argument „Galizien“ zeigt die Donaumonarchie als europäisches Modell. Die Überdehnung der Kräfte Habsburgs jedenfalls sieht Richard Wagner wiederholt in der Überdehnung der Kräfte der Europäischen Union.
STEPHAN SPEICHER
  
  
  
  
  
Richard Wagner: Habsburg. Bibliothek einer verlorenen Welt. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2014. 240 Seiten, 27, 99 Euro. E–Book 21,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Als Nachfahre der einst von Maria Theresia ins Land gerufenen Banater Schwaben ist der rumäniendeutsche Schriftsteller Richard Wagner selbst ein Habsburger, insofern findet Jan Koneffke es durchaus spannend, was Wagner über Habsburg zu sagen hat. Unnötige Abschweifungen, polemische Vereinfachungen und ungerechte Seitenhiebe stoßen dem Rezensenten zwar bisweilen sauer auf, aber die fundierte Analyse und das breite Wissensspektrum des Autors versöhnt ihn sogleich wieder. Was Wagner über den Vorbildcharakter des habsburgischen Reiches für die EU oder die komplexe Rolle der Ukraine für die Region sagt, hat Koneffke doch ordentlich beeindruckt. Alles in Allem ein "durchaus lesenswertes, erkenntnis- und lehrreiches Buch", meint der Rezensent.

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"Müsste Wagner, 1952 im rumänischen Banat geboren, nicht der geborene
Vertreter des Habsburgischen Geschichtsmythos sein? Doch so ist es nicht. Zu
deutlich sieht er, wie dieser Mythos zur Geschäftsidee verkommen ist, zu einem
"Markenzeichen der Republik Österreich"." Sz, 28.03.2014