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Bei allen lokalen Unterschieden, die Situation der Christen in der muslimischen Welt ist häufig gekennzeichnet von Diskriminierung, Gewaltexzessen, Willkür und Vertreibung. Extreme muslimische Gruppierungen verfolgen das Ziel, den Nahen und Mittleren Osten zu entchristianisieren. Und ihnen wird wenig entgegengesetzt. Rita Breuer beleuchtet die historischen und theologischen Hintergründe und die Lage heute, da ein politisierter Islam die Fronten verhärtet.

Produktbeschreibung
Bei allen lokalen Unterschieden, die Situation der Christen in der muslimischen Welt ist häufig gekennzeichnet von Diskriminierung, Gewaltexzessen, Willkür und Vertreibung. Extreme muslimische Gruppierungen verfolgen das Ziel, den Nahen und Mittleren Osten zu entchristianisieren. Und ihnen wird wenig entgegengesetzt. Rita Breuer beleuchtet die historischen und theologischen Hintergründe und die Lage heute, da ein politisierter Islam die Fronten verhärtet.
Autorenporträt
Rita Breuer, Dr. phil., geb. 1963, Islamwissenschaftlerin und Volkswirtin mit langjähriger Entwicklungshilfetätigkeit für den islamischen Kulturraum. Zahlreiche Publikationen, Lehraufträge und Artikel zum Islam und Islamismus in der Gegenwart.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.07.2015

Das Gift des Salafismus
Rita Breuer dokumentiert Christenverfolgung im Islam

Der "Islamische Staat" (IS) und Boko Haram sind nur die Spitze eines Eisbergs. Im Irak und in Syrien verfolgt der IS das Ziel, Christen und andere "Ungläubige" auszulöschen, im Westen Afrikas massakriert Boko Haram die Einwohner christlicher Dörfer und versklavt die Mädchen. Aus ihren Verbrechen machen sie kein Geheimnis. Der IS brüstet sich mit ihnen, die Terrorgruppe Boko Haram, die Bildung für Mädchen ablehnt, prahlt mit der Sklavenhalterei, die der Islam schließlich erlaube. Obwohl diese Praxis durch den Koran und die Sunna, das überlieferte Vorbild Mohammeds, durchaus nicht gedeckt ist.

Und doch: Ohne Koran und Sunna, ohne die lange Geschichte der Alltagsdiskriminierung von Christen in der islamischen Welt, gäbe es die Auswüchse des IS und von Boko Haram nicht. Weltweit, so schreibt Rita Breuer, Islamwissenschaftlerin und viele Jahre für eine katholische Hilfsorganisation in der islamischen Welt tätig, werden hundert Millionen Christen verfolgt. Sie stellten damit achtzig Prozent aller Opfer religiös motivierter Diskriminierung und Verfolgung. Unter den ersten fünfzig Staaten auf der Liste, die diese Verfolgungen dokumentiert, befinden sich überwiegend muslimische Länder.

Dabei hatten Muslime und Christen noch in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts einträchtig miteinander gelebt. Gemeinsam kämpften sie für nationale Unabhängigkeit, im Alltag spielte die Religion keine große Rolle. Das änderte sich, als das schleichende Gift der Politisierung der Religion zu wirken begann und die salafistische Ideologie alle anderen mit dem Begriff "kuffar" (Ungläubige) belegte. Der Koran bezeichnet Christen lediglich als Andersgläubige, den Salafisten aber gilt bereits die kleinste Respektbezeugung gegenüber Andersgläubigen als Verrat am Islam.

Der politisierte Islam, so Breuer in ihrem ursprünglich 2012 erschienenen und nun deutlich erweitertem und aktualisierten Buch, breitete sich aus und führte auch außerhalb der salafistischen Kreise zu einer zunehmenden Diskriminierung der Christen: etwa wenn in Ägypten eine neue Kirche nur mit dem Dekret des Staatspräsidenten gebaut werden darf, wenn Christen Arabisch, die Sprache des Korans, nicht unterrichten dürfen oder wenn einem zum Christentum konvertierten Ägypter die Eintragung des Religionswechsels verweigert wird. Auch wenn in Saudi-Arabien ein Christ verhaftet wird, nur weil er mit Muslimen über seinen Glauben sprach, und wenn der Blogger Raif Badawi wegen "Beleidigung des Islams" - er hatte Muslime, Christen, Juden und Atheisten als gleichwertig bezeichnet - zu zehn Jahren Haft und tausend Peitschenhiebe verurteilt wird.

Die Diskriminierung, zeigt Breuer, ist im Koran angelegt. Er erlaubt zwar das gemeinsame Mahl mit Christen und mit Einschränkungen die Ehe mit ihnen. Koran 5:51, die letzte und verbindliche Sure zu den Christen, fordert aber: "Ihr Gläubigen! Nehmt Euch nicht die Juden und die Christen zu Freunden!" Auch die Scharia diskriminiert die Christen, im Familienwie im Strafrecht. Die meisten Verfassungen der arabischen Welt schreiben die Scharia als die zentrale Quelle der Gesetzgebung vor, zudem legen sie den Islam als Staatsreligion fest.

"Kaum ein mehrheitlich muslimisches Land kommt heute ohne religiöse Diskriminierung aus", schreibt Breuer. Diese Probleme offen anzusprechen sei nicht islamfeindlich, es wäre dagegen christenfeindlich, es nicht zu tun. Es sei nicht islamophob, den real existierenden Islam zu kritisieren. Vielmehr stelle die "Christophobie" als Stimmung in der islamischen Welt die "Islamophobie" weit in den Schatten. Die Toleranz des Islams mag im siebten Jahrhundert, als er entstand, beachtlich gewesen sein, heute müsse man aber mehr erwarten, "nämlich das klare Bekenntnis zur Gleichheit und vollen Religionsfreiheit." Von muslimischen Theologen erwartet Rita Breuer auf diesem Weg aber keine wirksame Hilfe.

Ihr lesenswertes Buch endet dennoch mit einer kleinen Hoffnung: "Muslimisch-christliches Zusammenleben kann gelingen. Auf beiden Seiten gab und gibt es immer wieder Menschen, die solidarisch, nicht dogmatisch denken." Religion sei eben, selbst wenn Salafisten es so predigten, nicht alles.

RAINER HERMANN.

Rita Breuer: "Im Namen Allahs?" Christenverfolgung im Islam.

Herder Verlag, Freiburg 2015. 192 S., br., 9,99 [Euro].

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