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Wer bin ich? Woher komme ich? Woran werde ich sterben? Und wann? Antworten auf diese Fragen finden sich in unserer DNA. Schon bald wird die Entschlüsselung unseres Erbguts nur noch tausend Dollar kosten. Eine neue Ära der Medizin bricht an. Wie wird diese Schöne Neue Welt aussehen? Wie fühlt es sich an, zu wissen, welche Krankheiten einem drohen? Und welche gesetzlichen und ethischen Grenzen müssen wir der genetischen Revolution setzen? In einem faszinierenden Selbstversuch hat die Neurobiologin Lone Frank einen Ausblick in unsere Zukunft gewagt.

Produktbeschreibung
Wer bin ich? Woher komme ich? Woran werde ich sterben? Und wann? Antworten auf diese Fragen finden sich in unserer DNA. Schon bald wird die Entschlüsselung unseres Erbguts nur noch tausend Dollar kosten. Eine neue Ära der Medizin bricht an. Wie wird diese Schöne Neue Welt aussehen? Wie fühlt es sich an, zu wissen, welche Krankheiten einem drohen? Und welche gesetzlichen und ethischen Grenzen müssen wir der genetischen Revolution setzen? In einem faszinierenden Selbstversuch hat die Neurobiologin Lone Frank einen Ausblick in unsere Zukunft gewagt.
Autorenporträt
Frank, Lone
Lone Frank ist Neurobiologin und Dänemarks führende Wissenschaftsjournalistin. Sie schreibt für »Science«, »Nature« und die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« und ist Autorin von fünf Büchern. Ihr letztes über die Neuro-Revolution, »Mindfield. How Brain Science is changing our world« (2009), wurde hoch gelobt und in fünf Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.09.2011

Unter welchen Zugzwang setzt uns die PID?

Zwei Drittel aller Präimplantationsdiagnostiken im Ausland werden schon heute als Screening bei künstlicher Befruchtung angewandt. Zwei Bücher entwerfen das Panorama einer selektierenden embryonalen Qualitätskontrolle.

Der 2009 verstorbene, selbst spastisch gelähmte Philosoph und Publizist Andreas Kuhlmann stellt fest: "Der demokratische Konsens, dass Minderheiten nicht diskriminiert und dann, wenn sie benachteiligt sind, gar besonders gefördert werden sollen, wird in Frage gestellt, wenn breitgestreute Testverfahren dafür sorgen, dass behinderte Menschen gar nicht erst geboren werden. Ihnen wird gewissermaßen der Zugang zur Solidargemeinschaft versperrt. Und dies ist auch dann ein Problem, wenn man nicht davon ausgeht, dass dadurch das Lebensrecht menschlicher Föten verletzt wird oder dass als reale Folge dieser Selektionspraxis auch lebenden Behinderten Unterstützung entzogen wird. Der ,Skandal' besteht vielmehr darin, dass die Gesellschaft zu erkennen gibt, dass ihre Bereitschaft zu praktizierter Solidarität nicht der Ausdruck einer gleichsam unbedingten Akzeptanz behinderter Personen ist. Zunächst wird versucht, die Geburt dieser Menschen zu verhindern, und erst, wenn dies misslingt, wird ihnen - wenn es gutgeht - Unterstützung zuteil." Dieser ursprünglich in der "Deutschen Zeitschrift für Philosophie" veröffentlichte Text unter der Überschrift "Reproduktive Autonomie?" ist einer von mehreren Aufsätzen Kuhlmanns, die nun in dem Band "An den Grenzen unserer Lebensform" gesammelt vorliegen.

In der vom Frankfurter Institut für Sozialforschung herausgegebenen Buchreihe nehmen Kuhlmanns pointierte "Texte zur Bioethik und Anthropologie", so der Untertitel, einen entschieden soziologischen Blickwinkel auf die virulenten bioethischen Debatten ein. Axel Honneth unternimmt im Vorwort den Versuch, Kuhlmanns Argumente als soziologische Ernüchterung weitverbreiteter medizinischer Präventions- und Heilsversprechen zu beschreiben. Die Grundthese Kuhlmanns stellt Honneth als eine Art Dialektik der Autonomie dar: "Die Verheißungen der modernen, technologisch hochgerüsteten Medizin können eine Sogwirkung entfalten, in deren Folge wir unter dem ,Zugzwang' einer immer weiteren Perfektion unserer Gesundheit geraten, an deren Ende die totale Fremdkontrolle und Verkümmerung unserer lebensweltlichen Bindungen steht."

Beispiel Präimplantationsdiagnostik (PID), die durch die erwähnte Erklärung Kuhlmanns zur antiegalitären Selektionsgesellschaft mitberührt wird. Die Ausweitung dieses Verfahrens, deren Pro- wie Kontragründe er auf höchst faire, ja skrupulöse Weise erörtert, liegt für Kuhlmann gleichsam in der Natur der künstlichen Befruchtung, wie er in dem Aufsatz "Wunschkinder aus dem Labor?" festhält: "Dafür, dass es bei der Zulassung der PID zu einer Ausweitung ihrer Anwendung über die zunächst anvisierten Fallkonstellationen hinaus kommt, spricht in der Tat vieles." Kuhlmann schrieb dies im Jahre 2004. Damals war die PID noch nicht in dem Maße ein Standardangebot zum Embryonenscreening bei künstlicher Befruchtung (IVF), wie sie es im Ausland heute ist. Laut Bericht der European Society for Human Reproduction and Embryology (ESHR), die in der PID-Stellungnahme des Deutschen Ethikrats zitiert wird, werden heute gut sechzig Prozent aller Präimplantationsdiagnostiken international zu diesem Zweck durchgeführt.

Damit zeichnet sich das Panorama einer selektierenden embryonalen Qualitätskontrolle ab - nicht als Ausweg für einen kleinen Kreis erbgeschädigter Eltern, als welcher PID hierzulande noch immer hauptsächlich diskutiert wird, sondern als breit angewandtes Verfahren zur technischen Optimierung der künstlichen Befruchtung. Das gehört zum "Zugzwang", den die PID ausübt, ist sie in einem Land erst einmal rechtskräftig etabliert. Es ist Kuhlmanns Verdienst, für die solcherart hellsichtig wahrgenommene Dialektik der reproduktiven Autonomieangebote die Begriffe geschärft zu haben.

Im Genre ganz anders bestätigt auch das erzählend gehaltene Sachbuch von Lone Frank die unentrinnbare Screening-Perspektive der PID. Unter dem Titel "Mein wundervolles Genom" hat die Autorin - Neurobiologin und eine der führenden Wissenschaftsjournalistinnen Dänemarks - einen "Selbstversuch im Zeitalter der persönlichen Genforschung" unternommen. So gibt sie ein Gespräch mit dem britischen Genetiker Armand Leroi wieder, der breite Screening-Programme für Embryonen propagiert. Lone Frank schreibt über den Verlauf des Gesprächs: "Ich erlaube mir, auf die persönlichen Kosten hinzuweisen. Wenn man das komplette Genom eines Fötus sequenzieren oder wenigstens einen Gentest mit einem Genchip durchführen will, muss man eine Amniozentese machen lassen - mit dem Risiko einer Fehlgeburt. Aber Leroi denkt anders, er ist schon weiter. Er stellt sich vor, dass wir in Zukunft befruchtete Eizellen testen und auswählen werden, bevor sie mit einer Gebärmutter in Kontakt kommen. Dieser Vorgang heißt Präimplantationsdiagnostik und bedeutet, dass man aus jedem befruchteten Ei eines Paares, das durch künstliche Befruchtung entstanden ist, eine einzelne Zelle entnimmt und das Genom untersucht." Im Lichte der fesselnden Ausblicke, die Lone Frank anhand der internationalen Entwicklungen gibt, wirken unsere Ethikdebatten zum Teil wie etwas blauäugige Alibiveranstaltungen für medizinische Technologien, mit deren Entgrenzungspotential andere Länder bereits seit langem wirtschaften.

"Wie immer es nun aber um die zu Recht aufgeworfene Frage bestellt ist, ob sich eine einmal etablierte PID derart reglementieren lässt, dass es bei den wenigen, ursprünglich anvisierten Fällen bleibt: Das Problem der Menschenwürde ist in jedem einzelnen Fall betroffen, in dem im Labor mehrere Embryonen mit dem Zweck gezeugt werden, aus ihnen einen nach Möglichkeit nicht geschädigten auszuwählen", erklärt Kuhlmann, den Blick auf die deutsche Debatte zurücklenkend. Sein dieser Tage erscheinendes Buch liest sich im Übrigen als messerscharfe Kritik an den strategischen Argumenten von Gegnern wie Befürwortern der PID. Um sich dem schwierigen Problem, wie bei einer Kollision von Rechten zu verfahren sei, gar nicht erst stellen zu müssen, seien die "vollmundigsten Lebensschutzproklamationen bei vielen Protagonisten längst zur Manövriermasse verkommen, die sich je nach Interessenlage applizieren lässt". So werde vielfach Embryonen, "solange sie im Bauch der Mutter sind, kurzerhand der Status als Rechtssubjekte" abgesprochen, "um allen anderen Embryonen umso entschiedener Menschenwürde zuzuerkennen".

Allzu unbedenklich werde andererseits von Befürwortern eines abgestuften Lebensschutzes die Feststellung vieler Juristen und Mediziner übergangen, "dass die Keimzellverschmelzung den markantesten und eindeutigsten Einschnitt in der Individualentwicklung darstellt und dass jeder spätere Entwicklungsschritt deshalb nur in ,willkürlicher' Weise zu einem moralisch maßgeblichen Datum erhoben werden könne". Als Grundlage unserer bioethischen Debatten sind die beiden Bücher ein außerordentlicher Lesegewinn.

CHRISTIAN GEYER

Andreas Kuhlmann: "An den Grenzen unserer Lebensform". Texte zur Bioethik und Anthropologie.

Mit einem Vorwort von Axel Honneth. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2011. 199 S., br., 29,90 [Euro].

Lone Frank: "Mein wundervolles Genom". Ein Selbstversuch im Zeitalter der persönlichen Genforschung.

Aus dem Englischen von Ursel Schäfer. Hanser Verlag, München 2011. 323 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Zwei sehr unterschiedliche Bücher werfen für Christian Geyer erhellende Blicke auf die Implikationen und Gefahren der Präimplantationsdiagnostik (PID). Im Buch der dänischen Neurobiologin und Wissenschaftsjournalistin Lore Frank scheint die "unentrinnbare Perspektive der PID" insbesondere in einem Gespräch mit dem britischen Genetiker Armand Leroi auf, wie der Rezensent in seinen knappen Ausführungen zu dem Sachbuch wissen lässt. Insbesondere, was er an internationalen Entwicklungen auf dem Gebiet der Genforschung hier mitbekommt, lassen ihn die Debatten hierzulande über ethische Probleme der PID als reichlich "blauäugig" erscheinen.

© Perlentaucher Medien GmbH