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Alles begann mit Baruch Halevi im 12. Jahrhundert. Als der Prophet Moses ihm auftrug, seinen Heimatort Espinosa zu verlassen, ging er nach Lissabon. Dort, als Leibarzt des Königs, braute der sephardische Jude ein Elixier, das unsterblich macht. Seither wird das Rezept in der Familie an den Erstgeborenen vererbt. So kommt es zu Ari, dem letzten der Spinozas, der die Geschichte seiner Familie und ihrer vielfältigen Figuren aufschreibt - ohne es mit der Wahrheit allzu genau zu nehmen. Sie reicht vom Mittelalter in Spanien über Portugal, die Niederlande Rembrandts und das Paris der Aufklärung bis…mehr

Produktbeschreibung
Alles begann mit Baruch Halevi im 12. Jahrhundert. Als der Prophet Moses ihm auftrug, seinen Heimatort Espinosa zu verlassen, ging er nach Lissabon. Dort, als Leibarzt des Königs, braute der sephardische Jude ein Elixier, das unsterblich macht. Seither wird das Rezept in der Familie an den Erstgeborenen vererbt. So kommt es zu Ari, dem letzten der Spinozas, der die Geschichte seiner Familie und ihrer vielfältigen Figuren aufschreibt - ohne es mit der Wahrheit allzu genau zu nehmen. Sie reicht vom Mittelalter in Spanien über Portugal, die Niederlande Rembrandts und das Paris der Aufklärung bis ins Wien der Kaiserzeit und zu Hitler und Stalin. Ein Panorama jüdisch-europäischer Geschichte und ein herrlicher Schmöker obendrein.
Autorenporträt
Gabi Gleichmann, 1954 in Budapest geboren, wuchs in Schweden auf und lebt heute in Oslo. Er studierte Literaturwissenschaft und Philosophie, arbeitete als Journalist und war Präsident des schwedischen PEN Clubs. Heute ist er Verleger, Autor und Kritiker. Für seinen Roman Das Elixier der Unsterblichkeit (Hanser, 2013) erhielt er 2012 den Norwegischen Debütpreis.

Wolfgang Butt, geboren 1937, langjähriger Hochschuldozent für Skandinavistik und Kleinverleger von Literatur aus Skandinavien. Seit 1995 freiberuflicher übersetzer, u.a. von P.O. Enquist, Arne Dahl und sämtliche Kriminalromane von Henning Mankell.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.11.2013

Dichter ohne Wurzeln

Gabi Gleichmann hat keinen Stammbaum; die Nazis haben seine Familie ausgelöscht. So hat er einen Roman geschrieben über die Vorfahren: alles erfunden, alles wahr

Gabi Gleichmann, kahler Kopf, drahtige Figur, freundliches Lächeln, steht zwischen den Stelen des Berliner Holocaust-Mahnmals und sagt an diesem Ort des Erinnerns, dass er nichts von Stammbäumen hält. Nicht von solchen jedenfalls, die nichts weiter tun, als in Wohnzimmern zu hängen und Namen und Lebensdaten aufzuführen. Seine norwegische Frau besitze so ein Stammbaum-Bild. Angefertigt von ihrem Onkel, einem Hobby-Ahnenforscher. Dessen Werk: 350 Jahre Heiraten, Kinderkriegen und Sterben im Familienzweig von Gleichmanns Frau, deren Vorfahren eine bestimmte Provinz nie länger verlassen haben.

Gleichmann schüttelt den Kopf, klopft mit dem Finger auf eine Stele, als teste er den Stein. Allein die Fixierung einer Familie auf eine einzige Region, sagt er, sei unvorstellbar für ihn: Gleichmann, geboren in Budapest, aufgewachsen in Schweden, wohnhaft in Oslo und 59 Jahre alt, ist Jude. Seine Familie hatte nie die Möglichkeit, Wurzeln zu schlagen. Die Judenverfolgung zwang sie über Jahrhunderte, immer wieder aufzubrechen. Sie lebte über ganz Europa verstreut, Genaueres weiß Gleichmann nicht: Die Nazis deportierten seinen Vater in ein jugoslawisches Arbeitslager, Partisanen befreiten ihn. Seine Mutter überlebte den Holocaust in Budapest in einem Versteck. Die übrige Familie wurde ausgelöscht. Nur einige Namen sind geblieben, Anekdoten. "Alles andere", sagt Gleichmann, "ist mit diesen Menschen verbrannt." Hält er deshalb nichts von Stammbäumen?

"Das hat auch meine Frau gefragt. Sie meinte, ich sei neidisch, weil ich unseren Kindern nicht auch so ein Baumbild zeigen kann." Gleichmann macht zwei schnelle Schritte nach links und ist hinter einer Stele verschwunden. Als er wieder auftaucht, sagt er: "Lebensdaten und Namen allein erzählen nicht, worauf es wirklich ankommt: Was für Träume die eigenen Vorfahren hatten, ihre Wünsche, Sehnsüchte und Gedanken. Ihr Scheitern, ihre Erfolge, wie sie geliebt haben, warum sie geliebt worden sind. Doch ich gebe zu: Natürlich war der Stammbaum meiner Frau ein Schock für mich. Was habe ich meinen Söhnen schon zu bieten?"

Gleichmann beschloss, ihnen jene Vorfahren zurückzugeben, deren Spuren die Nazis ausgelöscht haben. Er schrieb einen Roman, seinen ersten überhaupt. Nach sechs Monaten war er fertig; fast 700 Seiten zählt "Das Elixier der Unsterblichkeit". Es erzählt die Geschichte einer jüdischen Familie vom 12. Jahrhundert in Spanien bis in die norwegische Gegenwart. Fragt man ihn, wie viel Biographisches in dem Buch stecke, sagt er: "Alles ist wahr, ich kann das garantieren, denn ich habe alles erfunden."

Gleichmann hat Erfahrung damit, viel zu wagen. Er war Journalist und leitete das Feuilleton der schwedischen Tageszeitung "Expressen", war Präsident des schwedischen PEN und rettete die mit dem Tode bedrohte bangladeschische Schriftstellerin Taslima Nasrin nach Schweden. Er führte eine Kampagne für Salman Rushdie und gegen Ajatollah Chomeinis Fatwa, die so viel Aufsehen erregte, dass auch Gleichmann Polizeischutz bekam. Die Entscheidung, sein Leben im Licht der schwedischen Öffentlichkeit aufzugeben und seiner Frau nach Oslo zu folgen, zeugt ebenfalls von Mut. Gleichmann wurde Hausmann und war nur noch für seine vier Söhne da. 2010, die Kinder waren da aus dem Gröbsten raus, gründeten er und seine Frau den kleinen Verlag "Agora", der ihre Lieblingsautoren verlegt, etwa Juan Luis Borges, Italo Calvino, David Grossmann, Péter Nádas oder Péter Esterházy. "Man könnte auch sagen: Wir verlegen Schriftsteller, die sich schlecht verkaufen", sagt Gleichmann.

Von ihm kann man das nicht behaupten. In Norwegen wurde sein Buch ein Bestseller; noch bevor es erschien, hatten Verlage aus zwölf Ländern die Übersetzungsrechte gekauft. Im Mittelpunkt des Romans steht Ari Spinoza, ein Mann ohne Nachkommen, der in Oslo im Sterben liegt. Am Leben hält ihn einzig das Erzählen seiner Familiengeschichte, und so taucht diese männliche Scheherezade wieder und wieder ein in das Leben von 36 Generationen. Auf Dauer ist das zwar etwas anstrengend, vor allem da die Männer im Stammbaum durchweg hochintelligent oder charismatisch sind, die Frauen aber unauffällig oder launisch. Doch man möchte wissen, wie es weitergeht mit dem Leibarzt des spanischen Königs, mit krankhaften Lügnern, Mystikern, Hochstaplern, Deserteuren, Erfindern, Betrügern, Kaufleuten und Gelehrten. Sie alle berühren das Weltgeschehen, treffen historische Persönlichkeiten wie Herzl, Voltaire, Rembrandt, Stalin und Hitler. Die in Europa virulente Judenfeindlichkeit scheint zwar in allen Episoden durch, Gleichmann lässt aber nicht zu, dass sie alles überstrahlt. Die Schicksale der Spinozas erzählen viel mehr vom jüdischen Humanismus und vom Geist und den Werken, die Europa der jüdischen Kultur zu verdanken hat. "Ich wollte nicht, dass immer nur der Schrecken im Mittelpunkt steht, wenn es um die jüdische Vergangenheit geht."

Gleichmann dreht sich um, blickt über das Stelenfeld. In Berlin ist er schon öfter gewesen. Das Holocaust-Mahnmal, wundert er sich laut, habe er aber immer ausgelassen. Er sagt: "Ich glaube, ich komme heute Nachmittag noch einmal hierher. Zusammen mit meiner Frau."

KAREN KRÜGER

Gabi Gleichmann: "Das Elixier der Unsterblichkeit". Hanser-Verlag, 669 Seiten, 26 Euro

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Einen für Norwegen sehr ungewöhnlichen Roman hat der Journalist und Verleger Gabi Gleichmann mit seinem sechsunddreißig Generationen umfassenden Familienepos da vorgelegt, staunt Carsten Hueck. Die Handlung beginnt 1.000 nach Christus im spanischen Espinosa, wo der spätere Leibarzt des portugiesischen Königs ein Elixier der Unsterblichkeit erfindet und von Moses den Auftrag bekommt, das Rezept an die nächsten Generationen weiterzugeben, und endet im Jetzt mit dem letzten, da kinderlosen Nachkommen der jüdischen Familie. Der Rezensent erkennt in dem Roman den magischen Realismus Lateinamerikas sowie Anleihen an den Schelmenroman. Gleichmanns "Fabulierlust" lässt ihn gar an die Erzählungen Scheherazades denken. In seinem Großwerk schaffe sich der Autor einen eigenen fiktionalen Stammbaum, und es gelingt ihm dabei, so Hueck, nicht nur eine Geschichte Europas, sondern aller europäischen Juden zu entwerfen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein Schelmenstück, in dem philosophische Überlegungen in Witze münden ... Wer daran Freude hat, und auch an augenzwinkernden Erfindungen und handfesten Spekulationen, an der herzzerreißenden Mischung von Tragik und Komik des Menschenlebens, wird diesen klugen, unterhaltsamen Roman lieben." Carsten Hueck, NDR Kultur Matinee, 16.08.13

"Ein vielschichtiger, immer wieder sich selbst reflektierender Text, in dessen Zentrum die Erinnerung steht." Peter Zimmermann, ORF, 13.10.13

"Spannend, abwechslungsreich und unterhaltsam." Magnus Zawodsky, Nürnberger Zeitung, 27.09.13

"Gabi Gleichmann gelingt mit seinem Romandebüt 'Das Elixier der Unsterblichkeit' das Unvorstellbare, und zwar in so fantastischer Weise, als habe er selbst vom Elixier unsterblicher Erzählkunst gekostet." Sabine Neubert, Neues Deutschland, 30.01.14