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Xan Meo erwacht aus dem Koma und wird zum Rüpel, der König der Pornoindustrie dreht heimlich Videofilme über die Kronprinzessin, und Clint Smoker, Journalist eines Busenjournals, ist auch nicht ganz sauber. Ein komisches und beklemmendes Bild der Gegenwartsgeschichte, gezeichnet vom "Chefironiker der denkenden Klasse". (Sigrid Löffler, LITERATUREN)

Produktbeschreibung
Xan Meo erwacht aus dem Koma und wird zum Rüpel, der König der Pornoindustrie dreht heimlich Videofilme über die Kronprinzessin, und Clint Smoker, Journalist eines Busenjournals, ist auch nicht ganz sauber. Ein komisches und beklemmendes Bild der Gegenwartsgeschichte, gezeichnet vom "Chefironiker der denkenden Klasse". (Sigrid Löffler, LITERATUREN)
Autorenporträt
Martin Amis, 1949 in Swansea?/?Wales geboren, wurde schon mit seinem ersten Roman berühmt. Weitere erfolgreiche Romane und Erzählungsbände folgten. Zuletzt erschienen bei Hanser Yellow Dog (Roman, 2004), Die Hauptsachen (2005), Koba der Schreckliche (2007), Haus der Begegnungen (Roman, 2008) und Die schwangere Witwe (Roman, 2012). Martin Amis lebt in London und Uruguay.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.09.2004

Königin im Koma, Prinzessin in der Pubertät
Martin Amis hat die Karaoke-Version seiner einstigen Erfolge geschrieben: "Yellow Dog" läuft hochtourig ins Leere

Als schwerer Junge hat man es gewiß nicht leicht. Ständig muß man seinem schlimmen Ruf gerecht werden und immer wildere Sauereien bieten, damit niemand einem den hart erkämpften Rang abläuft. Denn auf der nach oben offenen Skandal-Skala muß jedesmal ein höheres Maß erreicht werden, sonst wendet sich die öffentliche Erregung bald anderem zu. So kommt es, daß auch altgediente Schwerenöter irgendwann so unter Druck geraten, daß sie statt schönem Gift nur noch jämmerlichen Schweißgeruch verbreiten.

Martin Amis ist, das hat er längst bewiesen, ein Schwergewicht der englischen Gegenwartsliteratur. Besonders in der bleiernen Zeit der Thatcher-Jahre ist er dem saturierten Leben ihrer Mittelstandsgesellschaft mit giftigen Satiren so erbarmungslos wie wirkungsvoll zu Leib gerückt. Alle Aufschreie und Anfeindungen ließen sich da hochwillkommen als Beleg der harten Diagnose werten. Nach dreißig Jahren aber und mehr als einem Dutzend Büchern ist er in der Pose des unentwegten Provokateurs weniger erstarrt als schlicht erschlafft. Mit "Yellow Dog" führt er uns die Karaoke-Version seiner einstigen Erfolgshits vor, ein schwitzender, fast flehender Versuch, alte Erkennungsmelodien erneut anzustimmen und, was ihnen jetzt an Power fehlt, durch konfuse Anhäufung zu überbieten.

Dazu sind die größten Themen gerade gut genug: Inzest, Trauma, Koma, Vergewaltigung, Kindesmißbrauch, Mediengeilheit, Porno-Industrie, Flugzeugabsturz, Terrorangst. Ständig muß ein neuer Kracher mit einem bewährten Markenzeichen gezündet werden, weil der Effekt des vorigen sogleich verpufft. So kracht und keucht der Roman in einem fort, zappelt und zappt sich durchs Programm. Es scheint, als wolle sein Autor die Skandal-Rivalen wie Irvine Welsh, der ihm mit "Porno" schon bedrohlich nahe kam, endgültig in die Schranken weisen. Seine Erzählkraft aber erschöpft sich in obszönen Kraftausdrücken, statt Figuren gibt es Abziehbilder und statt Handlungsfäden nur ein wirres Knäuel.

Vier bis fünf dünne Stränge werden kenntlich. Erstens: Ein Londoner Schauspieler und Autor wird von einem Schlägerkommando brutal attackiert, verliert dabei nicht nur Erinnerungsvermögen, sondern auch menschlichen Anstand, so daß er mit animalischer Gewalt über Ehefrau und Töchter herfällt. Zweitens: Der Kolumnist eines Sexblättchens, das seine Leser offiziell als "Wichser" tituliert, hat Erektionsprobleme, führt eine Schmutzkampagne gegen einen Fußballstar und findet Befriedigung im Chatroom. Drittens: Das englische Königshaus steckt in der Krise, da die Königin im Koma, die Prinzessin in der Pubertät und das Oberhaupt überfordert ist; außerdem erpreßt man sie mit Nacktaufnahmen. Viertens bis fünftens gibt es die Geschichte eines alternden Ganoven, der auf Rache sinnt, und einer Porno-Queen, die dabei hilft - und was der Beliebigkeiten mehr sind. Wenn gegen Ende daraus doch noch ein Familienplot gestrickt wird und der verlorene Sohn den verkannten Vater findet, hat der Leser das Interesse längst verloren.

Dargeboten wird dies alles in einer Serie übergangsarmer Dialogszenen, die auch noch ohne erkennbaren Zusammenhang mit Szenen einer Flugzeugkatastrophe gegengeschnitten werden - wohl um dem Ganzen einen gehörig apokalyptischen Überbau zu geben. Oder ist die Sache mit dem Flugzeug doch eher metaphorisch zu verstehen? Über das tierische Sexverhalten des Protagonisten lesen wir: "Wenn es vorbei war, lag er zitternd da wie ein Motor. Russia dachte über diesen Motor nach. Es wäre der eines großen Fahrzeugs, dessen Getriebe in dem Bemühen, nicht abzuwürgen, ratternd hin und her schlug." Wer weiter nachdenkt, wird darin unschwer das Bemühen des gesamten Romans wiederfinden: hochtouriger, großspuriger Leerlauf.

Nur zu verständlich also, daß der Verlag für die deutsche Fassung wenig Mühe aufgewendet hat. Amis' ansonsten vielgerühmte Sprachkomik kommt hier ohnehin kaum über kalauernde Namensgebung und müde Wortspiele hinaus, die in Übersetzung selten zünden. Dafür bietet der deutsche Text ganz andere Pointen durch Mißgriffe beim Übersetzen. Von "Flußmündungsenglisch" ist hier die Rede, "subkontinentalen Gottheiten" und "doppelläufigen Namen"; "er kriegt bald seine zweite Luft" heißt es an anderer Stelle. Hinter solchen sonderbaren Wendungen erkennt man unschwer englische Idiome, die sich auf direktem Weg jedoch nicht einfach ins Deutsche übertragen lassen. Aber das soll uns nicht weiter kümmern. Denn alle Aufregung um "Yellow Dog", wie sie britische und amerikanische Medien voriges Jahr pflichtgemäß verbreiteten, ist überflüssig. Leicht legen wir das Buch beiseite und suchen bessere Lektüre. Die Wahl wird uns nicht schwerfallen.

Martin Amis: "Yellow Dog". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Werner Schmitz. Hanser Verlag, München 2004. 359 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Rezensent Tobias Döring ist enttäuscht. Zwar schätzt er Autor Martin Amis als Schwergewicht der britischen Gegenwartsliteratur. Doch in diesem Roman begegnet ihm der einstige Provokateur schlicht erschlafft. Den Roman selbst empfindet der Rezensent als "Karaoke-Version einstiger Erfolgshits", als flehenden, fast schwitzenden Versuch, "alte Erkennungsmelodien erneut anzustimmen" und, was ihnen jetzt an Power fehle, durch "konfuse Anhäufungen zu überbieten". Dazu sind Amis die größten Themen gerade gut genug, spottet der Rezensent: "Inzest, Trauma, Koma, Vergewaltigung, Kindsmissbrauch, Mediengeilheit, Porno-Industrie, Flugzeugabsturz, Terrorangst". Ständig muss ein neuer Kracher gezündet werden, gibt der Rezensent genervt zu Protokoll. Doch die Erzählkraft des zappelnden und zappenden Autors erschöpft sich für ihn schon in obszönen Kraftausdrücken. Statt Figuren gebe es Abziehbilder und statt Handlungsfäden nur ein wirres Knäuel. "Hochtouriger, großspuriger Leerlauf", bringt Döring seinen Totalverriss noch einmal auf den Punkt und äußert Verständnis, dass sich der Verlag mit der deutschen Fassung nicht sonderlich abgemüht hat.

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