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Norman Manea wurde zum Augenzeugen zweier Schreckensherrschaften: mit fünf Jahren wurde er als Kind jüdischer Eltern nach Transnistrien deportiert, mit fünfzig war er gezwungen, aus Ceaucescus Rumänien zu emigrieren. Seine Autobiographie ist ein "Buch der Wut" (Charles Simic) und das Porträt eines Heimatlosen, dem das Schreiben zum einzigen Vaterland wurde.

Produktbeschreibung
Norman Manea wurde zum Augenzeugen zweier Schreckensherrschaften: mit fünf Jahren wurde er als Kind jüdischer Eltern nach Transnistrien deportiert, mit fünfzig war er gezwungen, aus Ceaucescus Rumänien zu emigrieren. Seine Autobiographie ist ein "Buch der Wut" (Charles Simic) und das Porträt eines Heimatlosen, dem das Schreiben zum einzigen Vaterland wurde.
Autorenporträt
Norman Manea, 1936 in der Bukowina (im heutigen Rumänien) geboren, wurde 1941 mit seiner Familie deportiert. Er überlebte das Lager und war ab 1974 freier Schriftsteller in Bukarest. Seit 1986 lebt er in New York.
Rezensionen
"Der rumänische Autor Norman Manea erzählt die ergreifende Geschichte seines Lebens unter zwei Diktaturen...Einer der ganz großen Protagonisten osteuropäischer Literatur...Besser als alle Theorie und Geschichte totalitärer Herrschaft führt einen der Autor in die Abgründe menschlichen Daseins ...Ein erstaunliches Buch, eines der besten Erinnerungsbücher über die Schrecken des 20.Jahrhunderts." (Stephan Sattler, Focus)

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Karl-Markus Gauß stellt klar, dass dieses "Selbstporträt" keineswegs "intime Enthüllungen" oder auch nur "sinnliche Prägnanz" bietet, sondern vielmehr ein von "Skrupeln" und "Zweifeln" geprägtes Reflexionswerk darstellt. Der rumänische Autor, der wegen seiner jüdischen Herkunft in einem der berüchtigten "transnistrischen Lager" interniert war und erst mit 52 Jahren ins New Yorker Exil ging, will sich in seinen "traumatischen" Erinnerungen dieser Zeit keine "Geschichte erfinden" und belässt es deshalb auch bei "Erinnerungsfetzen", die in keinen erzählerischen Zusammenhang gebracht werden, erklärt der Rezensent. Lieber "referiert" Norman Manea über die noch heute in Rumänien tabuisierte Epoche des Ceaucescu-Regimes, so Gauß etwas irritiert. Ihm sind die Ausführungen, mit denen Manea beispielsweise über die Gründe seines erst so spät erfolgten Exils nachgrübelt, insgesamt zu vage und die "innere Motivation", die der Autor so wortreich verständlich machen will, bleibt, wie er moniert, dennoch dunkel. Insgesamt sind dem Rezensenten die "düsteren, fast in bürokratischer Verklausulierung" geschriebenen Erklärungen zu "nebulös", und er findet, dass Manea für den Leser in seiner Selbstbeschreibung "kaum fassbar" wird. Trotzdem zeigt sich Gauß von der "bedrückenden Atmosphäre" durchaus berührt, die er als beeindruckendstes Lektüreerlebnis dieser Memoiren hervorhebt.

© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.07.2004

Wider die Großmannssucht des guten Gewissens
Denn wir wissen nicht, wie das ist: Norman Maneas Reise aus dem Exil nach Rumänien und wieder zurück
Norman Maneas literarisches Werk ist ein Archiv von Skrupeln, und das Metier dieses Autors ist der Zweifel an allem, womit ein Schriftsteller gemeinhin zu arbeiten pflegt: an der Erinnerung, an der subjektiven Kraft, die äußere Welt der Dinge deutend zu erfassen, an der Fähigkeit, sprachlich den Panzer des Ichs zu durchbrechen. Wenn ein solcher Autor ein Buch schreibt, das im Untertitel „Ein Selbstporträt” verspricht, darf man gerade das nicht erwarten, was dieses Genre sonst zu bieten pflegt. Weder besticht Manea die Leser mit intimen Enthüllungen noch mit sinnlicher Prägnanz. Seine Selbsterkundung ist selten Erzählung oder Beschreibung, fast immer Reflexion. Und selbst dort, wo er zu erzählen oder zu beschreiben beginnt, fällt er sich bald ins eigene Wort, um nur ja nicht ins Fabulieren zu geraten.
Fast scheint es, Manea, der Heimatlose, wäre auch in seiner eigenen Literatur nur als Exilant geduldet, nicht wirklich Herr über das, was er schreibt, sondern ein stets mit dem Schlimmsten rechnender Gast: Skeptisch geht er ans Werk, ob sich darin nicht Lüge und Klischee einnisten oder gar die Dinge in einen Sinnzusammenhang geraten, der ihnen nicht angemessen ist, sondern erst nachträglich und unbewusst zugemessen wurde. Manea zitiert einen anderen rumänischen Exilanten und Meister des Zweifels, E. M. Cioran: „Ausgeschlossen zu sein ist unsere einzige Würde.” Doch versieht er das Zitat gleich mit dem distanzierenden Kommentar: „Verstoßensein als Privileg und Vorrecht? Kleine Großmannssucht des guten Gewissens? An der Schwelle zum Greisenalter bietet das Exil eine letzte Lektion der Enteignung: die Vorbereitung des Entwurzelten auf die allerletzte Entwurzelung.”
Kosmopolit in Verkettung
Entwurzelung und Enteignung, Manea hat sie wiederholt erfahren. 1936 in der Bukowina geboren, wird er im Alter von fünf Jahren mit seinen Eltern in eines jener transnistrischen Lager deportiert, in denen der heute in Rumänien staatsoffiziell rehabilitierte General Antonescu die „Judenfrage” mit deutscher Hilfe auf nationalrumänische Weise lösen wollte. Ein paar Erinnerungsfetzen, aufblitzende Bilder aus dem mit Menschen vollgestopften Zug, mehr ist es nicht, das Manea über dieses traumatische Erlebnis, über Deportation und Überleben im Lager berichtet. Er möchte sich seine Geschichte nicht erfinden, das wenige, das er im Gedächtnis hat, nicht in einen erzählerischen Zusammenhang bringen; viel länger sind die Passagen, in denen er über jene Epoche referiert, die in Rumänien heute noch tabuisiert wird.
Der Kommunismus hat in Rumänien zwar die autoritäre Diktatur des Generals und seiner Eisernen Garden hinweggefegt, aber er verstand sich schon früh als „Nationalkommunismus”; erst recht, seitdem das Regime Ceaucescus weniger durch einen Volksaufstand als einen Putsch der Nomenklatura beseitigt wurde, ist der rumänische Nationalismus eine Kraft, die die ansonsten verfeindeten politischen Parteien vereint. An der Verstrickung von Rumänen in den Holocaust wagen bis heute nur gezählte, verfemte Außenseiter zu rühren.
Als der Neunjährige aus dem Lager zurückkehrt, hofft er, die Verheißungen des Sozialismus würden auch seinem eigenen Schicksal Sinn geben. Aber der Vater wird in den fünfziger Jahren inhaftiert, und in der stickigen Atmosphäre von Denunziation und Verrat bleibt der Heranwachsende, der die jüdische Religiosität seiner Verwandten nicht mehr zu teilen vermag, auf sich zurückgeworfen. Er arbeitet später als Bauingenieur und ab 1974 schließlich als freier Schriftsteller in einem Staat, der diese Freiheit durch ein ausgeklügeltes System von Privilegien und Zensur beschnitt. Im Jahr 1987 nutzt er ein Auslandsstipendium in Berlin dazu, diesen Verhältnissen sein persönliches Ende zu machen und in die Vereinigten Staaten zu emigrieren. Den ersten Eindruck von New York beschreibt er als „die Freude, fremd zu sein unter Fremden”.
In den 43 Abschnitten des Selbstporträts, die sich vielfach ineinander spiegeln, überkreuzen und nicht frei sind von Wiederholungen, grübelt Manea immer wieder auch darüber, warum er sein Land erst so spät verlassen hat, als 52-jähriger. Da war natürlich die Familie, die er nicht im Stich lassen wollte. Er verlässt die Eltern, mit schlechtem Gewissen, als sie alt sind, und ist nicht dabei, als die Mutter stirbt und begraben wird. Wie ihm die sterbende Mutter im Traum erscheint, das zählt zu den ergreifendsten Passagen des Buches.
Und natürlich ist es auch die Liebe zu einer Landschaft, die ihn in Rumänien, das er mythisch „mein Jormania” nennt, gehalten hat, und vor allem das Wissen, dass die rumänische Sprache seine einzige Heimat ist. Wie verquält Manea auch über die Gründe nachdenkt, die ihn erst so spät jenes Land verlassen ließen, in dem er seit 1980 als „Kosmopolit”, „Exterritorialer”, „Parteiloser” öffentlich angefeindet wurde, es will ihm nicht recht gelingen, seine innere Motivation verständlich zu machen. Das Buch hat seine düsteren, fast in bürokratischer Verklausulierung gehaltenen Stellen, in denen vage von „Verkettungen, denen ich mich noch nicht entwunden hatte”, und ähnlichen Dingen die Rede geht. Mitunter klingt das so nebulos, als wollte er sich gegen Verdächtigungen wehren, von denen seine westlichen Leser ohnehin gar nichts wissen.
Der verzweifelte Hooligan
Im Jahr 1991 war Manea jedenfalls schon ein international renommierter Autor, als er in einem amerikanischen Zeitungsartikel über die frühen Verstrickungen Mircea Eliades berichtete. Der in aller Welt geehrte Religionsphilosoph mit seinem schier unüberschaubaren Werk hatte in seiner Jugend im Chor der antisemitischen Legionäre der Eisernen Garde begeistert mitgebrüllt. Damals wurde Manea, wiewohl Studien mittlerweile nicht nur die Richtigkeit seiner Behauptungen bewiesen haben, sondern auch zeigen, dass seine Kritik an Eliade durchaus maßvoll war, in Rumänien mit einer beispiellosen Hetzkampagne überzogen. Aus dem „Kosmopoliten” der kommunistischen Ära wurde in der Sprache der rasch gewendeten antikommunistischen Nationalisten der „Zwerg Jerusalems”, der im Auftrag des CIA eine nationale Ikone in den Dreck gezerrt habe.
Sein Freund Philip Roth hat Norman Manea ermuntert, Rumänien noch einmal zu besuchen, um sich von seiner osteuropäischen Neurose zu befreien. Des langen und breiten erklärt Manea sich und uns, welch starke innere Widerstände er zu überwinden hatte, bis er 1997 doch nach Bukarest flog. Um ihn, den im Ausland Berühmten, im Inland Verleumdeten, bemühen sich jetzt die Fernsehstationen. Doch die Heimkehr wird weder Triumphzug noch sentimentalische Rückkehr ins verlorene Reich der Kindheit. Auf den letzten 150 Seiten schreibt Manea in Tagebuchform von seinem Widerwillen, sich den Medien zu stellen, seiner Angst, auf der Straße alten Bekannten zu begegnen, seiner Bitterkeit, die Dinge zugleich so verändert und in ihrem Kern so unverändert vorzufinden.
Elegische Töne klingen an, wenn er in Viertel und Gegenden gerät, die er von seiner Jugend her kennt. Begegnungen mit Kollegen von früher weicht er aus, wo er nur kann, ohne triftig zu begründen warum. Bis zum letzten Tag lastet etwas Schweres auf dieser Reise, die nicht zur persönlichen Therapie wird, die Manea andrerseits aber auch nicht als Chance zur großen öffentlichen Abrechnung nützen möchte. Stattdessen fährt er durch das Land und brütet über die Einsamkeit des Emigranten. Den Titel „Die Rückkehr des Hooligan” kann man im Deutschen leicht missverstehen; er ist eine Reverenz an den jüdischen Schriftsteller Mihail Sebastian, der 1935 einen Essay „Wie ich zum Hooligan wurde” verfasste; in Sebastians Entwurf des Hooligans scheint nicht der Rowdy englischer Fußballplätze auf, sondern der Einzelgänger, der schon innerhalb der eigenen Gruppe ein Exilant ist, ein „Außenseiter ohne Identität”, der diesen Mangel selbstbewusst und verzweifelt als Chance versteht, seinen Weg jenseits der vorgezeichneten Bahnen zu gehen.
Am Ende kehrt der Hooligan aus der Heimat, die er nicht mehr gefunden hat, in das Exil zurück, das ihm nie Heimat werden wird. Es war gewiss mehr als ein unglücklicher Zufall, dass Norman Manea im Flugzeug, das ihn zurück nach New York brachte, seine Hefte mit den Reisenotizen vergessen hat. Sieben Jahre hat er für die Niederschrift eines „Selbstporträts” gebraucht, in dem er persönlich doch kaum fassbar wird. Als ein „Buch der Wut und eine Chronik der gequälten Seele” hat ein anderer Exilant, Charles Simic, diese Rechenschaft bezeichnet, deren bedrückende Atmosphäre sich als stärkstes Erlebnis der Lektüre auch auf den Leser überträgt.
KARL-MARKUS GAUSS
NORMAN MANEA: Die Rückkehr des Hooligan. Ein Selbstporträt. Aus dem Rumänischen übersetzt von Georg Aescht. Hanser Verlag, München 2004. 416 S., 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2004

Ein Kind, das nicht mehr älter werden konnte
Diese Bukowina gibt es nur noch in der Erinnerung: Norman Maneas "Die Rückkehr des Hooligan" zeichnet das eigenwillige Selbstporträt eines Heimatlosen

Die literarische Annäherung an das Selbst ist kein leichtes Unterfangen. Kommen noch traumatische Erfahrungen hinzu wie Vertreibung und das Leben unter einer Diktatur, wird die literarische Rekonstruktion des historischen Ich zusätzlich erschwert. Zumal dann, wenn dies im Exil geschieht und die unmittelbare Nähe zu den Orten der Erinnerung fehlt.

Solche Hürden säumen auch den Weg, den Norman Manea in seinem Erinnerungsbuch "Die Rückkehr des Hooligan" beschritten hat. Sein "Selbstporträt" ist Ergebnis eines literarischen Ringens mit einer schwierigen Biographie; eine Autobiographie ist es nicht, ob eine solche überhaupt intendiert war, bleibt unklar. Der dem rumänischen Original hinzugefügte deutsche Untertitel erhebt denn auch diesen Anspruch nicht; treffender allerdings wäre "Versuch eines Selbstporträts". Denn was die Qualität des Werks ausmacht, ist nicht unbedingt das, was Manea als Historiker seines Selbst zu berichten hat, sondern vielmehr sein vielschichtiger Reflexionsgehalt. Und dieser findet sich weniger im ersten und letzten Teil des Buches, die der Reise des Autors in seine Heimat nach mehr als einem Jahrzehnt Exil und deren Vorbereitung gewidmet sind, sondern in den dazwischenliegenden Abschnitten, die aus der Erinnerung geschriebene autobiographische Skizzen enthalten. Wer hier aber den fleißig protokollierenden Autobiographen sucht, wird enttäuscht. Denn weite Strecken von Maneas Leben bleiben im dunkeln. So berichtet der Autor beispielsweise kaum etwas über die Zeit in Transnistrien, wohin er als fünfjähriges Kind mit seiner Familie 1941 deportiert wurde. Zwar ist in diesem Kontext immer wieder von dem "Lager" die Rede. Einem autobiographischen Bericht des Vaters, aus dem einige Passagen zitiert werden, ist aber zu entnehmen, daß die Familie den Aufenthaltsort damals immer wieder gewechselt hat: So ist von einem "ungeheizten Raum" in Moghilev die Rede, von einer Zuckerfabrik in Vindiceni sowie von einer Spiritusfabrik in Iurcauti, von wo aus die Familie flüchtete, um schließlich wieder in Moghilev zu landen. Manea selbst hat nach eigenem Bekunden kaum Erinnerungen an diese Zeit, Versuche, von den Eltern Näheres über diese Schreckenszeit zu erfahren, scheiterten.

Symptomatisch für diese Verdrängung, die sich auch in Maneas retrospektivem Blick niederschlägt, ist etwa, daß der Autor fast nur vom Beginn und Ende dieses dunklen Kapitels berichtet. Im dazwischenliegenden Zeitloch ragt die meisterhaft geschilderte Bestattungsszene am Grab des an Unterversorgung verstorbenen Großvaters als Schlüsselereignis jener "Initiation" heraus, die den Knaben schlagartig "alt" werden ließ. Die Erfahrung der Ausgrenzung bestimmt offenbar bis heute das Lebensgefühl des Schriftstellers. Das eigene jüdische Familienumfeld allerdings empfand er ebenfalls als beengend und spricht in diesem Zusammenhang von einem selbstauferlegten Ghetto der Juden, der "Kralle", der er immer wieder zu entfliehen versuchte. Dazu zählt auch die Mutter, die er in der Rückschau mit einer Art Haßliebe evoziert - die jiddische Mamme läßt grüßen. Die ihr gewidmeten Passagen, besonders die Schilderung, wie der 1986 freiwillig ins Exil gegangene Manea Jahre nach deren Beisetzung, bei der er nicht anwesend war, das Grab der Mutter besucht, gehören mit zum Bewegendsten, was Manea geschrieben hat. Und die, wenn auch lückenhaft, aber dennoch lebendig rekonstruierte Familiengeschichte lebt von jener Selbstironie und jenen Selbstzweifeln, die den Reiz manch eines modernen europäisch-jüdischen Autors ausmachen.

Wenn Manea bei seinen häufig ins Philosophische gehenden Betrachtungen also immer wieder Proust, Kafka oder den rumänisch-jüdischen Mihail Sebastian anführt, so wirkt dies nicht gekünstelt, sondern authentisch. Denn der sein Leben lang Bukowiner gebliebene Rumäne wird häufig von Selbstzweifeln geplagt, ist innerlich zerrissen zwischen Exil und einer Heimat, die letztlich doch keine war. Die über vierzig kurzen Kapitel, in die "Die Rückkehr des Hooligan" unterteilt ist, sind fragmentarische Spuren einer Erinnerungsarbeit, die sich stellenweise eher als deren Verweigerung lesen, was sie in einer Zeit, in der das Genre Autobiographie zur schrillen Selbstinszenierung zu verkommen droht, so spannend und lesenswert macht.

Im Hinblick auf die Schilderung der kommunistischen Zeit stellt sich jedoch die Frage nach weiteren Gründen für diese Verweigerungshaltung. Denn der ausgebildete Bauingenieur Manea, in seiner Jugend ein überzeugter Kommunist, scheint in späteren Jahren nicht besser oder schlechter gestellt gewesen zu sein als manch anderes vom Staat geduldete Mitglied eines osteuropäischen sozialistischen Schriftstellerverbands, auch wenn er - beileibe nicht als einziger - mit der kommunistischen Zensur in Konflikt geraten war. Die Schilderung dieser längsten Phase seines Lebens ist auffällig detailarm. Darüber kann auch der wunderbar aphorismenhafte und psychologisierende Text, der die kommunistische Zeit als eine in jeder Hinsicht absurde und verlogene auferstehen läßt, nicht hinwegtäuschen: Selbst die Hintergründe der erwähnten Einweisung des Verfassers in eine psychiatrische Anstalt bleiben dem Leser verborgen. Als besonders traumatisch für Manea - abgesehen von der Internierung seines Vaters in einem kommunistischen Straflager - wirkt das Ganze eigentlich nicht. Wenn Manea also im Hinblick auf seine kommunistische Vergangenheit mit der Erinnerung äußerst sparsam umgeht, dürfte er Gründe dafür gehabt haben. Möglicherweise wirkt hier die alte Übervorsicht des ehemaligen Untertanen fort, eine mögliche Erklärung wäre auch die Rücksichtnahme auf noch lebende Bekannte, die er meist nicht mit vollem Namen nennt, wohingegen bereits verstorbene durchaus identifizierbar sind: All das ist nicht untypisch für den zögerlichen Umgang des postsozialistischen Rumäniens mit seiner kommunistischen Vergangenheit - auch wenn es sich dabei um einen Exilrumänen handelt, der allerdings sehr spät in den Westen emigriert war.

Eine gewisse Verbitterung, die sich durch das ganze Buch zieht, ist unübersehbar. Diese scheint vor allem aus einer antisemitisch gefärbten Verunglimpfung des Autors durch Ultranationalisten zu resultieren, die ihn aufgrund eines von ihm 1991 publizierten Aufsatzes über die Nähe des rumänischen Religionsphilosophen Mircea Eliade zum Faschismus als "Volksverräter" abgestempelt hatten. Manea selbst zwar will sich allem Anschein nach nicht zum Opfer stilisieren, die Geschichte aber scheint ihn dazu zu zwingen; und er seinerseits hat offensichtlich auch keine großen Anstrengungen unternommen, sich dem sonderlich zu widersetzen, verschaffte ihm doch die Eliade-Affäre seinerzeit durchaus auch Publizität im Westen.

Der Titel "Die Rückkehr des Hooligan" spielt auf das Buch "Wie ich zum Hooligan wurde" von Mihail Sebastian an, der sich im immer faschistischer gewordenen Rumänien der Zwischenkriegszeit nicht hatte vorstellen können, von seinen rumänischen Schriftstellerkollegen eines Tages als jüdischer Fremdkörper betrachtet zu werden. Man könnte geneigt sein, Norman Maneas Schicksal, was sein Buch durchaus suggeriert, mit dem von Sebastian zu vergleichen. Man muß es aber nicht.

Norman Manea: "Die Rückkehr des Hooligan". Ein Selbstporträt. Aus dem Rumänischen übersetzt von Georg Aescht. Hanser Verlag, München 2004. 424 S., geb., 24,90 [Euro].

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