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Chaim Potoks Geschichten erzählen von den großen und kleinen Ereignissen, die ein junges Leben erschüttern können: ein Unfall, der Verlust eines geliebten Menschen oder die Geheimnisse, die sich dicht unter der Oberfläche eines heilen Familienlebens verbergen. Diese Begebenheiten stehen alle am Beginn des Erwachsenenlebens. Auf den ersten Blick sind Potoks Helden Teenager, wie sie überall in der westlichen Welt leben könnten. Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich das Amerikanische umso deutlicher. Sechs poetische Geschichten vom Erwachsenwerden sowie Momentaufnahmen der amerikanischen Gegenwart.…mehr

Produktbeschreibung
Chaim Potoks Geschichten erzählen von den großen und kleinen Ereignissen, die ein junges Leben erschüttern können: ein Unfall, der Verlust eines geliebten Menschen oder die Geheimnisse, die sich dicht unter der Oberfläche eines heilen Familienlebens verbergen. Diese Begebenheiten stehen alle am Beginn des Erwachsenenlebens. Auf den ersten Blick sind Potoks Helden Teenager, wie sie überall in der westlichen Welt leben könnten. Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich das Amerikanische umso deutlicher. Sechs poetische Geschichten vom Erwachsenwerden sowie Momentaufnahmen der amerikanischen Gegenwart.
Autorenporträt
Chaim Potok wurde in New York geboren. Seine Familie gehört zu den Lubavitcher Chassidim, die aus Osteuropa in die USA flohen. Potok studierte Englische Literatur und Philosophie und wurde zum Rabbiner ausgebildet. Er lebte in Pennsylvania und zählt zu den bedeutendsten jüdischen Romanciers der amerikanischen Literatur. In deutscher Sprache liegt vor: Mein Name ist Ascher Lev (1976), Die Erwählten (1992) und Novembernächte (Zsolnay, 1998). Er starb 2002 in New York.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Besonders beeindruckt an diesem Buch hat Siggi Seuss, wie es Chaim Potok gelingt, ganz "auf Augenhöhe" seiner Helden zu gehen und die Wirklichkeit aus deren Blickwinkel zu betrachten, "als sei es selbstverständlich, dass uns die jungen Leute als Vertraute betrachten". In seinem einzigen Jugendbuch stellt Potok zehn amerikanische Jugendliche vor, die alle auf die eine oder andere Weise unter ihrer Situation leiden und von traumatischen Erfahrungen geprägt sind. Wie sie diese überwinden, erzählt Potok laut Rezensent "unaufgeregt und ohne künstliche Dramatisierung". Seuss lobt auch die Übersetzerin Birgitt Kollmann, die durch ihre genaue Übertragung dafür sorgt, dass der Tonfall des jüdisch-amerikanischen Potok auch in der deutschen Version erhalten bleibt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.12.2002

Amerikanische Träume
Sechs Jugendliche auf der Grenze zur Erwachsenenwelt
Als wäre Chaim Potok, der bekannte jüdisch-amerikanische Romancier, ein Reisebegleiter, der uns ohne Zögern hinter die Fassaden amerikanischer Träume führte. Das ist der erste Eindruck, wenn man die Welt von Adam, von B. B., von Moon, Nava, Isabel und Emma kennen lernt, – von jungen Leuten aus gutbürgerlichen Familien, zwölf bis sechzehn Jahre alt und Hauptfiguren in Chaim Potoks einzigem Jugendbuch.
In Zebra. Geschichten aus Amerika begleiten wir den Erzähler als Vertraute. So als ob wir nicht von den Dads oder Moms der Jugendlichen zuerst in aufgeräumten Living Rooms zum Tee gebeten würden, sondern mit Potok durch eine verborgene Tür direkt in die geheimen Zimmer der Söhne und Töchter schlichen. Dort sitzen wir nun, haben anders als bei gewöhnlichen literarischen Reisen wenig Ahnung vom umgebenden Milieu und wissen nicht einmal, in welchem Ort an der Ostküste wir uns gerade befinden. Die jungen Leute kennen sich nicht, begegnen sich auch in den Erzählungen nicht, teilen jedoch einige schmerzliche Gemeinsamkeiten. Sie leiden unter den Verhältnissen, in denen sie leben, mehr als sie sich eingestehen, sind von traumatischen Ereignissen geprägt.
Adam, genannt „Zebra”, kann, seit er von einem Lastwagen angefahren wurde, seiner Lieblingsbeschäftigung nicht mehr nachgehen: einfach durch die Straßen der Stadt rennen. B. B. hat panische Angst davor, ihr Dad werde die Familie verlassen, weil er nach dem Tod seines kleinen Sohnes mit Moms erneuter Schwangerschaft nicht zurechtkommt. Isabel hat Vater und Brüderchen durch einen Verkehrsunfall verloren, fühlt sich seither wie in einem leeren Raum gefangen und verfolgt entgeistert die Anstrengungen der Mutter, wieder zu heiraten. Emma plagen Alpträume, seit sie als Kind Zeuge eines Flugzeugabsturzes wurde. Zudem wird sie mit der Geburt eines Bruders konfrontiert, der denselben Namen trägt wie ihr in Vietnam gefallener Onkel, der in der Familie fast wie ein Heiliger verehrt wird. Nava hingegen hat offensichtlich ein begreifbares Problem. Sie wird in der Schule massiv von einem Dealer bedrängt. Ihr Dad versucht ihr mit ungewöhnlichen Mitteln zu helfen und gibt dabei mehr und mehr Geheimnisse seines „zweiten Lebens” preis. Er überlebte seinen Vietnameinsatz nur, weil ihn ein Kamerad, ein Navajo, nach einer schweren Schussverletzung meilenweit aus der Kampfzone trug. Und dessen Lebensweisheit kommt jetzt auch der Tochter zu Gute. Der vom elterlichen Wohlstand verwöhnte Moon schließlich wird regelmäßig von Zornesausbrüchen heimgesucht, die er mit therapeutischer Hilfe unter Kontrolle zu bringen versucht. Gerade in dieser Situation wird seine labile Ruhe von einem unvorhersehbaren Ereignis gestört.
Unerwartete Ereignisse sind es, die Veränderungen in Gang setzen und den Teufelskreis aus Bedrohung und Hilflosigkeit durchbrechen helfen. Bei Adam ist es ein alter Künstler, der eines Tages in seiner Schule auftaucht, seine depressive Lebenshaltung aufbricht und ihm neue Horizonte eröffnet. Moon wird durch einen Jungen aus Pakistan aufgerüttelt, Nava durch Lebensweisheiten der Indianer, Isabel durch das Verhalten ihrer neuen Stiefschwester, Emma und B. B. durch überraschende Einsichten nahe stehend Menschen.
Chaim Potok – der Autor starb im Juli – erzählt unaufgeregt und ohne künstlich wirkende Dramatisierung. (Birgitt Kollmann trifft in der Übersetzung diesen Ton genau). Als sei es selbstverständlich, dass uns die jungen Leute als Vertraute betrachten, uns Einblicke geben in das Leben in den Grenzregionen zur Erwachsenenwelt. Potoks Geschichten sind von amerikanischen Lebenserfahrungen geprägt. denn immer wieder drängen unverarbeitete Vietnamerfahrungen der Vätergeneration ins Geschehen. Und außerdem gelingt es gerade amerikanischen Erzählern die sichtbare Wirklichkeit auf Augenhöhe ihrer Helden zu durchdringen, so ganz ihren Blick auf das Geschehen zu übernehmen. Abgesehen davon aber, sind es Geschichten von jungen Menschen, die wir auch nebenan finden würden, wenn uns jemand die verborgenen Türen zu ihren geheimen Zimmern zeigte. (ab 13 Jahre und Erwachsene)
SIGGI SEUSS
CHAIM POTOK: Zebra. Geschichten aus Amerika. Aus dem Amerikanischen von Birgitt Kollmann. Hanser Verlag 2002. 216 Seiten, 14,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2002

Panik im Herzen und andere Sorgen
Der Zorn, die Nähe und der Wunsch nach Berührung: Nahezu klassische Stories von Chaim Potok

Man könnte das alles kitschig nennen: Eine Handvoll Geschichten, eine trauriger als die andere, in denen ein paar Jugendliche mit ihrer Zuteilung von Bedrücktheit und Einsamkeit zu Rande zu kommen versuchen. Da ist der verschlossene Moon, Sohn aus gutem Hause, ein Meister am Schlagzeug, der bei einer Gedenkfeier für einen ermordeten pakistanischen Jungen, dessen Leben seines kurz gestreift hatte, plötzlich seine Seele freitrommelt. Da ist Isabel, die selbst an dem Tag, an dem ihre Mutter wieder heiratet, noch ihren verunglückten Vater singend durch den Garten gehen sieht und sich erst durch ein großes Weinen davon lösen kann. Da ist ein Mädchen mit Namen B. B., die zu viele Familiengeheimnisse kennt; und daß sie sie kennt, ist ebenfalls eines. Jedenfalls trägt sie schwer daran. Schließlich Zebra, der rennende Junge mit der verletzten Hand, der durch die Begegnung mit einem vietnamkriegsversehrten Künstler aus seiner Schmerzenseinsamkeit hervorgelockt wird.

Große Gefühle, Erlebnisse, die zu schwer klingen, als daß sie im Leben normaler Jugendlicher vorkommen könnten, auch viel Herz und Schmerz, der Tod immer nahe: "Dann hörte ich die Panik in meinem Herzen." Wer solche Sätze schreibt, hat keinen Platz für Selbstironie. Chaim Potok, der in diesem Sommer verstorbene amerikanische Rabbiner und Erzähler dieser Geschichten, hat für seine Erwachsenenromane den Kitsch-Vorwurf manchmal hören müssen. Für "Zebra" gilt er nicht, obwohl Potok die sechs jungen Menschen, von denen er erzählt, in ihrem ganzen Sich-selbst-ernst-Nehmen darstellt und gewähren läßt, was immer eine Gefahr für die Tränendrüse ist. Doch Potok gibt ihren Emotionen damit ein enormes spezifisches Gewicht und macht die Atmosphäre um sie herum so dicht wie dichte Nacht.

Denn sein Erzählen bleibt nüchtern und genau. Wenn die großen Gefühle hier eine starke Wirkung haben, dann wegen der kleinen Dinge, die sie begleiten. In der Erinnerung bleiben beiläufige Gesten, zögernde Bewegungen und Dinge, die man immer nur mit halbem Auge wahrnimmt: das Flattern des Beatles-Posters, als Moon voller Zorn seine Zimmertür zuschlägt. Oder sein hin und her schwingender blaugefärbter Pferdeschwanz, wenn er trommelt. Die ausgestreckte Hand des pakistanischen Jungen, der diesen Pferdeschwanz einmal anfassen möchte. Ganz durchdrungen von solchen Randvermerken ist die Titelgeschichte "Zebra", in der der Junge einen ganzen Schultag lang versucht, seine schmerzende Hand aus allem herauszuhalten. Chaim Potok protokolliert dies ebenso präzise wie ungerührt. Diese beiläufige Genauigkeit ist es, unter anderem, die alles mit Leben und Wahrhaftigkeit erfüllt. Nicht immer ist das liebenswürdig, vor allem nicht, wenn es um den Blick der Hauptpersonen auf jemanden geht, der ihnen zu nahe kommen könnte.

Sie sind Außenseiter, jeder auf seine Art. Manchmal lehnen sie sich noch ein wenig an die Erwachsenen an, aber sie wissen schon und erleben es, daß sie sich nicht auf sie verlassen können. Wie soll B. B. mit ihrem Vater weiterleben, von dem sie - und nur sie - weiß, daß er die Familie verlassen wollte? Wie soll Isabel mit ihrer Mutter weiterleben, die ihr zumutet, mit einem fremden Mann und einer seltsamen Stiefschwester die Wohnung zu teilen, während sie dort noch ihren kleinen Bruder und ihren singenden Vater sieht, die vor nicht sehr langer Zeit verunglückt sind? Und Moon: Wie soll er mit seinen wohltemperierten Eltern leben und zugleich mit diesem tiefen Zorn, der in ihm steckt? Aber sie leben weiter damit, und wie sie es tun, einsam, zerrissen, unklar und hoffnungsvoll, das hat noch selten einer so beschrieben wie Chaim Potok, in einem Jugendbuch schon gar nicht. Ein Zorn, wie Moon ihn kennt, hat zu Jugendbüchern gewöhnlich keinen Zutritt, höchstens, um schleunigst wegerklärt zu werden. Aber hier leuchtet und vibriert er - und es ist große Übersetzerkunst von Brigitt Kollmann, ihn auch im Deutschen dazu zu bringen.

Potoks Geschichten erinnern an einen anderen großen jüdischen amerikanischen Erzähler, nur sind sie sanfter. Harold Brodkey hat in seinen "Nahezu klassischen Stories" eine ähnliche Präsenz erzielt, federnd und konzentriert, wie sie in einem Operationssaal herrscht. Also auch gewissermaßen heiter.

MONIKA OSBERGHAUS

Chaim Potok: "Zebra". Geschichten aus Amerika. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Birgitt Kollmann. Carl Hanser Verlag, München 2002. 209 S., geb., 14,90 [Euro]. Ab 12 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Ein Unfall, der Verlust eines geliebten Menschen, ein neues Baby im Haus oder die plötzliche Entdeckung, dass Eltern keine Verbotsmaschinen sind, sondern Menschen mit eigenen Problemen: Chaim Potok fängt Momente des Erwachsenwerdens ein und Aspekte der amerikanischen Gegenwart. Jede der sechs Erzählungen ist eine melancholische Miniatur über das Ende der Kindheit. Potok ist sicherlich keiner von denen, die behaupten, das Leben sei einfach. Aber er gehört zu denen, die Poesie daraus machen. (Hörzu)