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Das Leben Jesu, wie es durch das Neue Testament überliefert wird - jetzt zu lesen wie ein Stück Weltliteratur. Jack Miles entdeckt in der Figur Jesu einen Charakterzug des alttestamentarischen Gottes, der nur in der Person seines Sohnes wirklich sichtbar werden konnte: seine Schwäche, die im Tod am Kreuz bis in die grausamste Form gesteigert wird. Literatur oder Offenbarung? Beides ist denkbar, gleich wie man zum christlichen Glauben steht.

Produktbeschreibung
Das Leben Jesu, wie es durch das Neue Testament überliefert wird - jetzt zu lesen wie ein Stück Weltliteratur. Jack Miles entdeckt in der Figur Jesu einen Charakterzug des alttestamentarischen Gottes, der nur in der Person seines Sohnes wirklich sichtbar werden konnte: seine Schwäche, die im Tod am Kreuz bis in die grausamste Form gesteigert wird. Literatur oder Offenbarung? Beides ist denkbar, gleich wie man zum christlichen Glauben steht.
Autorenporträt
Jack Miles, 1942 geboren, Theologe und Sprachwissenschaftler, Professor Emeritus an der University of California, Irvine, war u.a. leitender Kulturredakteur der Los Angeles Times und Direktor des Centre of Humanities an der Claremont Graduate School. Jack Miles lebt in Orange County, Kalifornien. Bei Hanser erschienen: Gott. Eine Biographie (1996) und Jesus. Der Selbstmord des Gottessohns (2001).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.08.2001

Ist zum Glück nicht ernst gemeint
Jack Miles kitzelt mit dem "Selbstmord Jesu" die Akademien wach

Nun hat uns der Büchermarkt ein neues Jesusbuch geschenkt. Seine Besonderheit gegenüber Tausenden von Brüderchen besteht darin, daß es die Fortsetzung eines ersten Teiles ist, nämlich des Buches "Gott - Eine Biographie" (1996). Die ironische und spielerische Art von Jack Miles, das Alte Testament als Biographie Gottes mit Jugend und Blüte bis hin zur altersbedingten Abschlaffung zu lesen, findet sich hier nun wieder angesichts weiterer Phasen und Verschlingungen des inneren Werdens Gottes. Weil nun aber im Neuen Testament Jesus auftritt, der Gott des Alten Testaments (der Vater) hingegen ganz selten spricht oder handelt, mußte Jack Miles sich als Basis ein Evangelium heraussuchen, das - aus seiner Sicht - Jesus direkt mit Gott gleichsetzt im Sinne des "fleischgewordenen Gottes".

Dieses Geschick ereilt nun das Johannesevangelium. Dabei ficht es Miles nicht an, daß in diesem Evangelium nie vom fleischgewordenen Gott, sondern nur vom menschgewordenen Logos die Rede ist und daß es im übrigen stets zwischen Vater und Sohn unterscheidet, da der Sohn gesandt ist. Das sind Kleinigkeiten, um die sich ein Welt-Bestsellerautor nicht mehr kümmern muß. Wirklich wichtig ist Miles offenbar nur der Untertitel seines Buches "Jesus": "Der Selbstmord des Gottessohns". Das ist frech und wird die Kirchen ärgern. Mit Talkshows und Akademietagungen wird man diese neue wunderliche Lesart der Evangelien bekanntmachen und bis zur Ankunft des Notarztes diskutieren. Dann ist der Zweck erreicht, denn negative Popularität ist in Sachen Christentum extrem kassenwirksam.

Zu seinem Untertitel gelangt Miles auf folgendem Wege: Gott konnte seinem Volk nicht mehr helfen, und er wird es auch im übrigen niemals tun. So entschloß er sich, wenigstens seine Ohnmacht zuzugeben und sich selbst zu bestrafen, und zwar für seine eigenen "Urverbrechen". Daher ist das Lamm so wichtig, und Miles identifiziert es gegen den Wortlaut des vierten Evangeliums sogleich mit dem geschlachteten Passahlamm. Und daß dieses zugleich ein sühnendes Lamm sei, ist eine weitere aus der Bibel nicht zu begründende Ansicht des Autors. Gott mußte sich selbst bestrafen und hat in Jesus durch freiwilligen Verzicht auf sein Leben praktisch Selbstmord begangen, weil er ja an allem schuld ist. Denn wer büßt, muß auch gesündigt haben, weiß Miles zu berichten. Und ohne Begründung gilt: Gott ist die Ursache alles Unglücks.

So wird die Theodizeefrage zugleich mit der Frage gelöst, wozu das Sterben des Lammes denn notwendig war. Nun macht Jack Miles schon durch seinen leicht ironischen Tonfall deutlich, daß er diese hübsche These nicht etwa glaubt oder bereit wäre, dafür per Martyrium einzustehen. Nein, so ernsthaft ist es auch wieder nicht gemeint. Literarisch sei das alles zu lesen, eben so, wie wenn man ein Rosenfenster von außen betrachte, ohne hindurchsehen zu wollen. Aber was ist ein Rosenfenster? Durch Rückübersetzung ins Amerikanische wird der Leser leicht darauf kommen, daß rose window soviel wie Rosettenfenster bedeutet. Daß es dann immer noch mit der Logik hapert, weil man von außen auf ein Rosettenfenster blickend zumeist gar nichts Substantielles erkennt, ist ja dann auch nicht mehr so wichtig. Und die übersetzerische Mißgeburt, "die Neue-Testament-Kritik" zum Beispiel, ist ohne Geburtshelfer dem New Testament criticism entsprungen! Und die Überschrift "Er steht auf von den Toten, verkörpert sich in seinen Jüngern . . . und heiratet" macht einen wirklich gespannt. Und wer ist verblichen beim "Verbiblichen"?

Das Buch von Jack Miles unterscheidet sich von anderen Jesusbüchern durch seine extreme Schmalspur: Abgesehen von weitläufigen alttestamentlichen Passagen (Nebenprodukte aus Bestseller I?) und der völlig unergiebigen Nacherzählung der Passionsberichte, konzentriert sich der Band auf den Sinn des Todes Jesu, denn dessen Auferstehung bleibt extrem nebulös, und was Jesus sonst getan und gelehrt hat, bleibt - außer der ominösen "Liebe" - alles unbeachtet.

Zum Zentrum der Argumentation: Manchmal bedarf es einer so extrem sinnlosen These wie der vom Selbstmord Jesu, um die Aporien einer dümmlichen Schulexegese und einer dünnen Systematik vollends zu entlarven. Und dafür kann man dem Autor dann nur wieder dankbar sein. Denn daß Gott am Kreuz stirbt (der Vater?!), hört man auch in Tübingen gern. Da nehme ich doch lieber die Distinktionen der patristischen und mittelalterlichen Dogmatik auf mich, welche zwischen Menschsein Jesu und seinem Gottsein unterscheiden wollte und sich das Geschäft wenigstens nicht so leicht gemacht hat. Daß gerade nach dem Johannesevangelium die Einheit Jesu mit dem Vater nicht statisch, sondern dynamisch gedacht wird, zeigen die Aussagen über den Gehorsam des Sohnes gegenüber dem Vater. Und daß der Vater sich selbst für sich selbst im Sohn geopfert habe, erschlägt nicht nur jede Sachlogik, sondern entlarvt auch ein merkwürdiges Gottesbild, von einem in seinen eigenen starren Prinzipien sich verheddernden Tyrannen, das freilich in älterer Dogmatik noch herumgeistert.

Wenn der gute Hirte nach Joh. 10 sagt, er gebe sein Leben für seine Schafe, so meint das eben nicht Selbsttötung (Joh. 10 spricht von Wölfen!), sondern Einsatz des ganzen Lebens (inklusive Sterben) für den Dienst an den Schafen. Der Unsinn enthüllt sich bei der Diskussion der Menschwerdung: Wie kann Gott eine Empfängnis herbeiführen, wo er selbst das Kind ist? Über die Bergpredigt und Verwandtes heißt es, Gott verabscheue seine eigene kriegerische Vergangenheit, wolle von den angeblichen Grausamkeiten des Alten Bundes nun nichts mehr wissen, da er sich krisenhaft gewandelt habe: "Wie barmherzig ist Gott in seiner bisherigen Karriere gewesen?" Aber ist das wirklich eine gerade Linie der Entwicklung? Auffällig ist, daß Miles für das Phänomen Apokalyptik nur häßliche Worte übrig hat. Das entlarvt, denn vermutlich bestehen die unterschiedlichen Aspekte des Gottesbildes nebeneinander. Den großen Wandel gibt es gar nicht. Auch der universale Gott aller Völker ist Gott schon seit 1 Mose 12, 1-3. Gott ist nicht einfach in einer naiven amerikanischen Fortschritts- oder "evolution"-Theorie unterzubringen.

So kann man gewiß nicht sagen, Jack Miles sei theologisch ahnungslos. Nein, er hat seine Systematik gut gelernt, doch die Grenzen zwischen theologischer Schultradition und irrsinnigen daraus hergeleiteten Konsequenzen sind offenbar fließend. Gelernt habe ich von den Stellen, an denen Miles von der blamierenden Macht des Opfers gegenüber dem Unrechttäter, von der Beschämung des Unterdrückers, spricht. Dazu gehört auch Jesu Strategie der Beschämung durch paradoxe Überbejahung des Gesetzes.

Daß die Exegese dünn ist, kann auch der wenig gebildete Leser alsbald erkennen: Nach dem Johannesevangelium wird Jesus vom Täufer eben nicht getauft, wie dies Miles immer wieder versichert. Und wie soll Phil. 1, 21-24 vom Selbstmord des Paulus sprechen, wo der Apostel hier doch nur seiner Sehnsucht nach Christus Ausdruck gibt? Den Titel "der Heilige Gottes" aus dem Johannesevangelium verwechselt Miles schließlich mit dem Titel Gottes "der Heilige". (Merke: Der Titel "der Heilige Gottes" findet sich in der Bibel zur Bezeichnung von Nasiräern.)

Kurzum: Ein ungewöhnlich schwaches, ärgerliches Buch voller Fehler. Der Untertitel ist keinen Aufschrei, noch nicht einmal einen Stoßseufzer wert.

KLAUS BERGER

Jack Miles: "Jesus". Der Selbstmord des Gottessohns. Aus dem Englischen von Friedrich Griese. Hanser Verlag, München 2001. 392 S., geb., 49,80 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Heinz Zahrnt fragt sich, ob man "über Gott eine Biografie schreiben" kann. Was ihm abenteuerlich erscheint, hält der Autor für möglich. Der vorliegende Band, dessen Titel dem Rezensenten zu effektheischend ist, setzt die bereits veröffentlichte "Biografie Gottes" fort. Dabei dient dem Autor als Leitfaden "die Deutung des Todes Jesu im Johannesevangelium", schreibt der Rezensent. Nicht um theologische Studien, sondern um die Lektüre an sich geht es Miles, so der Rezensent; der Autor empfehle, die Bibel als "Kunstwerk der schönen Literatur" zu lesen. Der theologische Kern dieses Buches sei indes ein "Entwurf der Theodizee". Zahrnt ist enttäuscht: "Eher langweilig als erbaulich" findet er dieses Buch.

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