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Produktdetails
  • Verlag: Hanser
  • Seitenzahl: 232
  • Altersempfehlung: 13 bis 16 Jahre
  • Abmessung: 219mm
  • Gewicht: 407g
  • ISBN-13: 9783446198265
  • ISBN-10: 3446198261
  • Artikelnr.: 24056170
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.11.2000

Improvisation bei fünfundfünfzig Grad im Schatten
Zwei ungleiche Paare unterwegs in der australischen Wildnis: Barbara Veits Roman einer aufschlußreichen Reise

Für wenige Wochen hatte die Olympiade die Aufmerksamkeit der Welt auf Australien gelenkt. Doch nachdem die Sportarenen verwaist sind, ist der Kontinent wieder frei für Abenteurer, Träumer und Zivilisationsflüchtige. Theresa und David sind typische Vertreter von allen drei Sorten. Zwei Monate haben sie sich nach dem Abitur Zeit genommen, um ein neues Land, seine Bewohner und vielleicht auch sich selbst zu erkunden. Danach werden sie in die europäische Normalität zurückkehren und Biologie und Geologie studieren.

Nach ihrer Ankunft in Perth, dem Mini-New-York, werden sie erst einmal von Bekannten mit den Vorurteilen europäischer Einwanderer konfrontiert. Australier trinken zu viel und prügeln sich häufig, die Kriminalitätsrate sei erschreckend hoch. Besonders gewarnt werden sie vor den Kooris, wie die Ureinwohner jetzt statt der diskriminierenden Bezeichnung Aborigines heißen. Zu jedem Klischee finden sie bei einer Stadtrundfahrt die passenden Bilder: Betrunkene und Randalierer im Vergnügungsviertel, viel Polizeipräsenz und Kooris, die am Rande der Stadt in Elendsvierteln vegetieren. "Erst wurden sie nicht mal als Menschen angesehen und jetzt kriegen sie zu viel", sagt Pete, ihr Gastgeber. Die meisten Schwarzen seien arbeitslos, vielmehr arbeitsscheu, seit die staatliche Unterstützung nicht nur für Nahrung, sondern auch für Alkohol reicht.

Drei Tage brauchen die beiden Abenteurer, um sich für ihre Expedition ins Outback auszurüsten. In einen alten Kombi packen sie alles, was sie, auf sich gestellt, nötig haben werden. Die sechzig Liter Trinkwasser in Kanistern auf dem Dach sind das Wichtigste bei Temperaturen zwischen vierzig und fünfundfünfzig Grad im Schatten.

Über ein Überlebensbuch der westaustralischen Polizei lachen sie vorerst nur: "Schätzen Sie die Situation ein! Unnötige Eile verursacht Fehler! Erinnern Sie sich, wo Sie sind. Vermeiden Sie Angst und Panik! Improvisieren Sie! Freuen Sie sich, daß Sie leben! Handeln Sie wie ein Aborigine!" Aber wie handeln die denn? Theresa und David haben keine Ahnung, bis sie auf einem Campingplatz am Indischen Ozean Joey und Lily, Blackfellas, treffen, die wie sie - allerdings ohne Geld - in den Norden wollen. Sie nehmen die beiden Kooris trotz der Warnung vor solchen Schnorrern mit.

Barbara Veit, Journalistin aus München, kennt den Highway entlang der westaustralischen Küste ins Outback mit allen seinen landschaftlichen Höhepunkten und Gefahren, seiner Tierwelt und seinen Nationalparks, seinen dschungelartigen Wäldern und seinen endlosen Wüsten; sie hat die Tausende von Kilometer lange Reise zusammen mit ihrem australischen Mann mehrmals unternommen. Vielleicht hat sie dabei auch selbst einmal wie ihre beiden Helden einen lebensgefährlichen Zyklon überstanden. Jedenfalls gehört die Beschreibung dieser Naturgewalt zum Aufregendsten in diesem an authentischen Abenteuern und Sachkenntnis reichen Roman.

Mindestens ebenso spannend erzählt Barbara Veit aber von der vorsichtigen Annäherung der beiden Paare aus zwei Welten, die sich letzten Endes doch fremd bleiben. Denn wenn Theresa und David auch wie ihre schwarzen Reisebegleiter mal für sechs Dollar in einer Bananenplantage arbeiten und in einer elenden Baracke hausen, um ihre Reisekasse aufzufüllen, sie bleiben privilegierte Touristen mit gültigen Reisepässen, während die anderen sich vor jeder Polizeistreife verstecken müssen. Kooris stehlen und sind nicht selten gewalttätig, so lautet das Vorurteil, also sind sie immer verdächtig und landen schnell im Gefängnis. Die unsichtbare Wand zwischen den beiden Paaren scheint unüberwindlich.

So lebendig Barbara Veit von der abenteuerlichen Fahrt in den Norden berichtet, von den Begegnungen unterwegs mit Truckern, Umweltschützern und Polizisten, so steril gerät ihr alles, was in Roebourne bei Joeys Stammesverwandten geschieht. Die Darstellung der Zeremonien bei der Initiation junger Männer scheint dem Völkerkunde-Museum entnommen zu sein, belehrend und folkloristisch, einschließlich der weißen Bemalung. Wenig überzeugen auch die Sprüche, daß Tanzen alles sein kann und daß die dreitägigen Zeremonien, bei denen Frauen weitgehend ausgeschlossen sind, "Kraft für beide Welten, beide Kulturen" verleihen, die der Blackfellas und die der Whitefellas. Mehr als Zaungäste bei geheimnisvollen Riten, zu denen die Teilnehmer in Jeeps und Pick-ups fahren, können Theresa und David nicht sein.

Das Abenteuer Australien hat sie verändert. Die große Freiheit haben sie zwar nicht gefunden, doch sie haben gelernt, wie ihre dunkelhäutigen Freunde "mit dem Herzen zu hören", und wissen nun, daß "nachts die Sterne singen".

MARIA FRISÉ

Barbara Veit: "Der Gesang der Sterne. Ein australisches Abenteuer". Carl Hanser Verlag, München 2000. 229 S., geb., 26,- DM. Ab 12 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Maria Frisé schätzt an diesem Roman die Authentizität der beschriebenen Abenteuer und die Sachkenntnis, mit der die Autorin zu Werke gegangen ist. Spannend erscheinen ihr zudem die Naturschilderungen des australischen Outback und die thematisierte Annäherung zweier grundverschiedener Paare - den beiden reisenden Abiturienten aus Europa und den Aborigines Joey und Lily - auf ihrer gemeinsamen Fahrt in den Norden des Kontinents. Was sich allerdings dort, "bei Joeys Stammesverwandten" so zuträgt, erinnert die Rezensentin in seiner "sterilen" Darstellung eher an einen Rundgang im Völkerkunde-Museum: "belehrend und folkloristisch".

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