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Produktdetails
  • Verlag: Europäische Verlagsanstalt
  • Seitenzahl: 149
  • Deutsch
  • Abmessung: 210mm x 143mm x 12mm
  • Gewicht: 222g
  • ISBN-13: 9783434505280
  • ISBN-10: 3434505288
  • Artikelnr.: 10308482
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.07.2002

Vom Hotelfenster aus
Signe Zerrahn berichtet aus sicherer Entfernung über Familien
Kaum ein Krieg ohne Kriegsberichterstatter. „Hautnah” und glaubwürdig berichten, wo sonst kaum Nachrichten nach außen dringen. Unter ständiger Gefahr sich da aufhalten, wo gekämpft wird: an der Front. Manchmal aber zieht der Kriegsreporter es vor, vom sicheren Hotelfenster aus zu berichten. Auf die Schüssen, die er von Ferne hört, muss er sich irgendeinen Vers machen.
Nur Lebensgefahr rechtfertigt den Rückzug ins Hotel.
Lebensgefahr kann aber am Kriegsschauplatz „Familien in Deutschland” nicht gedroht haben. Einen „Frontbericht” verspricht Signe Zerrahn, die Autorin einer neuen Philippika gegen alles, was Familien in Deutschland das Leben schwer macht und einem Deutschland mit immer weniger Familien das Leben noch schwerer machen wird. Direkt von der Front also, hautnah, exklusiv, auf dass wir vom Kampfgetümmel und Schwerterklingen – sprich von Kindergeschrei und Ratenabzahlen erfahren, als wären wir dabei gewesen. Ein Frontbericht? Toll!
Aber was ist daraus geworden! Die Autorin ist in der Etappe hängen geblieben. Vom sicheren Hotelfenster aus berichtet sie, was sie aus zweiter Hand vom Krieg um die Familie weiß. Warum weniger Kinder geboren werden, warum sowohl konservative als auch linke Familienpolitiker an der Sache vorbei reden, dass Kinder Aufziehen ein sehr teures, privates Vergnügen, allerdings zum Wohle der Gesamtheit ist, dass Alt-Feministinnen und Frauenbürokratinnen nur jammern, meist ohne Punkt und Komma und vor allem ohne diejenigen, um die es eigentlich geht, zu Wort kommen zu lassen: leibhaftige Mütter, Väter und Kinder.
Worum es der Autorin geht, ihre Arbeitsthese, ihr Argument, ist schwer auszumachen. Es ist ja auch nicht einfach, sich am Hotelfenster ein genaues Bild von der Lage an der Front zu machen. Stattdessen nutzt die Autorin die Gelegenheit zu einem „Jetzt red i”– was ihr alles nicht passt in Deutschland. Und es sind vor allem Nebenkriegsschauplätze: der sogenannte Opferfeminismus, die Bürokratie, der öffentliche Dienst – aber auch höchst zweifelhafte Seitenhiebe auf homosexuelle Partnerschaften und Ausländerförderung.
Dabei ist das Thema Familienpolitik tatsächlich wichtiger denn je zuvor. Denn Fragen an unsere Gesellschaft, die sich Frauen und Männer stellen, die sich Kinder wünschen oder schon welche haben, gibt es zuhauf: Wie verhindern Mütter, dass sie nach der Geburt der Kinder ins soziale Abseits rutschen? Welche Modelle guter Kinderbetreuung ließen sich in Deutschland rasch verwirklichen? Wie verhindert man, dass Eltern, die die Rentenzahler von morgen für die kinderlosen Doppelverdiener aufziehen, dabei verarmen und zu Deppen der Nation werden? Wie kriegen Familien in einer kinderfeindlichen Gesellschaft wieder den Stellenwert, der ihnen politisch und wirtschaftlich gebührt – ohne dass Politiker Sonntagsreden halten und Mutterkreuze verteilen? Wie macht man Arbeitgebern klar, dass Frauen als Arbeitskräfte immer wichtiger werden – auch wenn sie Kinder haben?
Antworten auf diese Fragen sucht der Leser vergebens. „Familien in Deutschland” verspricht zwar „Perspektiven für die Gesellschaft” oder „Modelle für die Zukunft”(so lauten zwei Kapitelüberschriften). Nichts von dem wird aber geboten. Es gibt Bücher, die können einer Sache nur schaden. Schade. KATHRINKOMMERELL
SIGNE ZERRAHN: Familien in Deutschland. Ein Frontbericht. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2002. 149 Seiten, 14,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Es gibt Bücher, die können einer Sache nur schaden", schreibt Kathrin Kommerell und bringt damit ihren Verdruss über Signe Zerhahns "Frontbericht" über die soziale und politische Lage von Familien in Deutschland zum Ausdruck. Es gibt eine ganze Reihe wichtiger Fragen, die die Gegenwart und Zukunft von Familien und auch die der Gesellschaft betreffen, ist die Rezensentin überzeugt. Doch leider bietet dieses Buch nicht eine einzige Antwort auf diese Fragen, ärgert sich die Rezensentin. Stattdessen habe Zerhahn einen "Frontbericht" abgefasst, der leider nicht an der Front, sondern im "geschützten Hotelzimmer" entstanden sei. So sei die Autorin in erster Linie damit beschäftigt, ihre Ansichten gemäß dem Motto "Jetzt red i" an die Leser zu bringen, anstatt sich ernsthaft und kritisch mit den vielfältigen Positionen in der Familienpolitik zu beschäftigen. Fatal findet es Kommerell außerdem, dass hier nicht einmal Mütter, Väter oder Kinder zu Wort kommen.

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