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Technik ist im Kommen. Spürbar wird dies an neuen Technologien wie der Gen- und Biotechnologie, aber auch an den Informations- und Kommunikationstechnologien. Sie gewinnen eine zentrale Bedeutung für neue Märkte und prägen schon heute die Zukunft. In der vorliegenden Schrift wird das wechselseitige Verhältnis von Technik und Recht in einer stärker historisch ausgerichteten Perspektive untersucht. Insbesondere am Beispiel der Telegrafie und des Rundfunks soll aufgezeigt werden, daß sich Technik nicht jenseits des Rechts entfaltet. Welche Rolle spielt das Recht in der Beeinflussung von…mehr

Produktbeschreibung
Technik ist im Kommen. Spürbar wird dies an neuen Technologien wie der Gen- und Biotechnologie, aber auch an den Informations- und Kommunikationstechnologien. Sie gewinnen eine zentrale Bedeutung für neue Märkte und prägen schon heute die Zukunft. In der vorliegenden Schrift wird das wechselseitige Verhältnis von Technik und Recht in einer stärker historisch ausgerichteten Perspektive untersucht. Insbesondere am Beispiel der Telegrafie und des Rundfunks soll aufgezeigt werden, daß sich Technik nicht jenseits des Rechts entfaltet. Welche Rolle spielt das Recht in der Beeinflussung von Technikentwicklungen? Und wie wirken sich Technikentwicklungen auf das Recht aus?

Der Band ist im Rahmen eines von der Volkswagen-Stiftung geförderten Forschungsprojekts entstanden, das am Forschungszentrum Technikrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin durchgeführt wurde. Technikrecht wird hier nicht allein in seiner technikbegrenzenden oder sogar -verhindernden Funktion betrachtet. Vielmehr rückt die organisierende Ermöglichung der Technikentfaltung in den Vordergrund der Untersuchungen.
Autorenporträt
Prof. em. Dr. Michael Kloepfer war von 1974-1976 Professor an der Freien Universität Berlin, von 1976-1992 Professor an der Universität Trier, dort Direktor des Instituts für Umwelt- und Technikrecht. Von 1992-2011 war er Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht, Umweltrecht, Finanzrecht und Wirtschaftsrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin und Direktor am Walter Hallstein-Institut für Europäisches Verfassungsrecht. Seit 2011 ist er Emeritus. Von 1992-1998 war er Stellvertretender Vorsitzender der unabhängigen Sachverständigenkommission »Umweltgesetzbuch« und von 1999-2001 und 2005-2007 Vorsitzender der Berliner Wissenschaftlichen Gesellschaft e.V. Von 2008-2016 war er Mitglied der Schutzkommission beim Bundesministerium des Innern. Er absolvierte zahlreiche Forschungsaufenthalte im Ausland (u.a. Kobe/Japan; Lausanne/Schweiz; Stanford/USA). Er ist zudem Präsident der Forschungszentren Umweltrecht (FZU), Technikrecht (FZT), Katastrophenrecht (FZK) sowie des Inst

ituts für Gesetzgebung und Verfassung (IGV) und ist seit 2011 Leiter des Forschungszentrums Recht an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2017 ist er als Rechtsanwalt bei der Kanzlei Köhler & Klett tätig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.07.2002

Regulierte Selbstregulierung
Michael Kloepfer provoziert mit einer Theorie des Technikrechts

Als 1877 die Abhandlung des Linkshegelianers Ernst Kapp über die "Philosophie der Technik" erschien, war dies die erste Monographie, die sich nur diesem Thema widmete. In die letzten Jahrzehnte des neunzehnten Jahrhunderts fällt auch die Entstehung des modernen Technikrechts als eines eigenen Rechtsgebiets. Auf beiden Feldern wird ein tiefgreifender gesellschaftlicher Wandel sichtbar, der die Zeitgenossen gedanklich umtrieb. Denn die Chancen und Risiken der Hochindustrialisierung wollten normativ gefaßt werden - durch Recht, aber auch durch anthropologische Deutungen. In der Aufbruchstimmung des Kaiserreichs traute man der Technik vieles, beinahe alles zu: Sie sollte Wohlstand bringen und die soziale Frage lösen. Gegen den überhitzten Nationalismus im politischen Leben glänzte sie mit apolitischer Internationalität. Ihre Risiken, so das optimistische Versprechen aller Beteiligten, werde man schon zu bändigen wissen.

Rund hundert Jahre später verdichteten sich die juristischen Fragen nach dem Umgang des Rechts mit der Technik zum zweiten Mal. Vor dem Hintergrund der "Grenzen des Wachstums" und gestiegenen Empfindlichkeiten gegen die Kehrseiten des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts entstanden in den 1980er Jahren an den deutschen Universitäten Institute für Umwelt- und Technikrecht. Den Ingenieuren und Naturwissenschaftlern bereiten diese Verrechtlichungsschübe von jeher Sorgen, da sie in ihnen regelmäßig eine Beschränkung ihrer Handlungsfreiheit sehen. Hier hat sich seit der Entstehung des modernen Technikrechts vielleicht am wenigsten geändert. Der Berliner Umwelt- und Technikrechtler Michael Kloepfer hingegen interpretiert die Rolle des Rechts ungleich positiver. Seine kleine, aber gehaltvolle Studie argumentiert historisch und zieht geradewegs den Umkehrschluß: "Technik hat ohne Recht regelmäßig keine Chance."

Das ist natürlich eine Provokation. Sie richtet sich gegen eine Funktionszuschreibung an das Recht, die dieses primär in eine technikverhindernde Ecke drängt. Statt dessen akzentuiert Kloepfer einen positiven Handlungsspielraum und betont die konstruktiven Aspekte. Kloepfer streitet dabei nicht ab, daß das Technikrecht selbstverständlich der Gefahrenabwehr dient, aber er wirft einen Aspekt dagegen in die Waagschale, den man nicht unterschätzen sollte: Es ist die vertrauensbildende Funktion des Rechts, die zumal bei neuen Technologien und besonders im demokratischen Verfassungsstaat den Ausschlag für ihre Durchsetzung geben kann. Technikrecht darf daher nicht ausschließlich als Technikbegrenzungsrecht verstanden werden.

Kloepfer ist Umwelt- und Technikrechtler zugleich. Das kommt seinem Buch zugute. Er kennt die Risikodebatten der vergangenen Jahrzehnte aus eigener Mitarbeit am Umweltgesetzbuch, und er hat in der Vergangenheit bereits auch das Verhältnis von Recht und Umwelt historisch reflektiert. Nun ist die Situation anders. Nicht die Risiken großtechnischer Anlagen sind derzeit zu normieren, sondern Technologien wie E-Commerce oder die elektronische Signatur befinden sich auf dem Vormarsch. Voraussetzung bleibt allerdings die Akzeptanz bei den Adressaten. Weil diese einen verläßlichen Rechtsrahmen für ihr Handeln brauchen, bedarf es einer Verrechtlichung. Auch Gen- und Biotechnologie machen den Bedarf für staatliche Normsetzung deutlich.

Kloepfer entwickelt diesen versöhnlichen Gedanken im Pendelblick zwischen Gegenwart und neunzehntem Jahrhundert. Das Anliegen seines Buches bildet im Kern daher eine Theorie des Technikrechts. Er beobachtet die Entstehung und Entwicklung des Technikrechts in ihren Grundzügen und konzentriert sich dabei besonders auf die historischen Funktionen. Das ist in seinen Grundzügen eine Geschichte der Ausdifferenzierung und Ausbreitung des Rechts. Aus den alten Gewerbeprivilegien wurden gewerberechtliche Konzessionen. Immer präzisere Instrumente zur Beherrschung von technisch veranlaßten Risiken entstanden innerhalb der Rechtsordnung.

Erfreulicherweise glaubt auch Kloepfer nicht, daß es im Technikrecht des neunzehnten Jahrhunderts einen Naturzustand von Freiheit gegeben habe. Schon zu den Hoch-Zeiten des Liberalismus wirkten juristische Beschränkungen auf Eisenbahn und Dampfmaschine. Kloepfer schildert dies mit einem deutlichen Schwerpunkt auf dem öffentlichen Recht und erwähnt noch die Feinsteuerung durch zivilrechtliche Haftungsbestimmungen und subjektive Rechte auf Schadensersatz und Unterlassung, hingegen vernachlässigt er straf- und völkerrechtliche Aspekte. Das Muster, das sich dabei entwickelt, verläuft parallel zur Ausbildung des Interventionsstaates in den 1880er Jahren: Die gesellschaftlichen Vorsorgeanforderungen wachsen, die Technikkontrolle dehnt sich zum Nachteil der Technikfreiheit aus.

Mit der fortschreitenden Industrialisierung gewann grundsätzlich ein Modell die Oberhand, das bis heute im Recht der technischen Sicherheit dominiert: Es ist das koordinierte Ineinander von gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Rahmensetzung. Die Ingenieure entwerfen technische Normen, welche Standards von Sicherheit und Kompatibilität festlegen; der Staat macht sich ihr Expertenwissen zunutze und verweist in seinen Regelwerken auf die dort getroffenen Entscheidungen. Im Gegenzug dringt er darauf, daß seine Interessen Eingang in die private Normsetzung finden: "Regulierte Selbstregulierung" heißt das nur scheinbar paradoxe Ideal moderner Techniksteuerung.

In Kloepfers Referenzgebiet, dem Kommunikationsrecht des neunzehnten Jahrhunderts, findet jedoch keine Entlassung in die gesellschaftliche Autonomie statt. Der Staat bleibt skeptisch gegen die Rolle privater Unternehmungen. Regalien, also staatliche Alleinrechte, bestimmen die mißtrauische Diskussion um Telegraphie und Briefbeförderung, wie Kloepfer nicht ohne süffisanten Unterton darlegt. Denn die staatsrechtliche Vorstellung, daß hier konstitutive Infrastrukturaufgaben liegen, die aus Gemeinwohlgründen niemals der Obrigkeit entzogen werden dürfen, wird längst in Frage gestellt und historisiert.

Kloepfers Buch fügt an einen dichten Durchgang, der Theorie und Empirie des historischen Technikrechts miteinander verbindet, stärker referierende Teile an. Sie beschäftigen sich mit den Details von Telegraphenverkehr und Rundfunkrecht von den Anfängen der optischen Telegraphie bis hin zur dualen Rundfunkordnung am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts. Das ist gedanklich weniger originell und erlangt nicht mehr die analytische Dichte der Anfangskapitel. Aber auch hier wird der überzeugende Grundgedanke deutlich: Nicht nur die moderne Infrastruktur besteht aus Techniken, die die Juristen fallweise fördern oder bezähmen müssen, auch das Recht bildet umgekehrt für die Technik eine Infrastruktur, ohne die Technik gesellschaftlich nicht wirksam werden kann.

MILOS VEC

Michael Kloepfer (unter Mitarbeit von Claudio Franzius und Tim Weber): "Technik und Recht im wechselseitigen Werden". Kommunikationsrecht in der Technikgeschichte. Schriften zum Technikrecht, Band 4. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2002. 299 S., br., 66,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Techniker und Technikrechtler stehen von jeher auf Kriegsfuß, behauptet Milos Vec, da Ingenieure und Konstrukteure sich durch rechtliche Auflagen nur beschränkt und kontrolliert sehen. In Zeiten gebremster Technikeuphorie und zunehmender Umweltempfindlichkeiten sei die gegenseitige Akzeptanz jedoch gewachsen, mehr noch: Vec stimmt der These des Autors zu, dass die Technik ohne Recht "keine Chance" hat. Kloepfers historisch argumentierende Studie zum Technikrecht seit Ende des 19. Jahrhunderts findet bei Vec großen Anklang. Der Autor sei Umwelt- und Technikrechtler, verrät der Rezensent, und habe am Umweltgesetzbuch mitgearbeitet. Vor allem die historische Ableitung eines Technikrechts biete einen "dichten Durchgang" durch die Materie, die Theorie und Empirie, Industrialisierungsprozess und Marktmechanismen miteinander verflechte. Unbekannte Risikofaktoren bergen heute die neuen Technologien wie E-Commerce oder die elektronische Signatur, weiß Vec. Da brauche es einen verlässlichen Rechtsrahmen, der den Prozess gesellschaftlicher Selbstregulierung einbinde: "regulierte Selbstregulierung" heißt laut Vec das neue Zauberwort.

© Perlentaucher Medien GmbH