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Durch den Zustrom der meist adligen Reisenden, die im 18. Jahrhundert auf ihrer Grand Tour nach Rom kamen, florierte der Handel mit Antiken. Auch Giovanni Battista Piranesi, der einflussreichste ansässige Architekturtheoretiker und Antikenkenner, beteiligte sich an dem vor allem von Engländern beherrschten Geschäft. Um den Hunger nach Altertümern aller Art zu befriedigen, wurde im weiten Umkreis der Stadt nach Statuen, Reliefs und Vasen gegraben, in Werkstätten arbeiteten Bildhauer fieberhaft an den Ergänzungen und Nachbildungen. Die Kunsthandlungen von Gavin Hamilton oder David Jenkins galten…mehr

Produktbeschreibung
Durch den Zustrom der meist adligen Reisenden, die im 18. Jahrhundert auf ihrer Grand Tour nach Rom kamen, florierte der Handel mit Antiken. Auch Giovanni Battista Piranesi, der einflussreichste ansässige Architekturtheoretiker und Antikenkenner, beteiligte sich an dem vor allem von Engländern beherrschten Geschäft. Um den Hunger nach Altertümern aller Art zu befriedigen, wurde im weiten Umkreis der Stadt nach Statuen, Reliefs und Vasen gegraben, in Werkstätten arbeiteten Bildhauer fieberhaft an den Ergänzungen und Nachbildungen. Die Kunsthandlungen von Gavin Hamilton oder David Jenkins galten bis zur Französischen Revolution als Institutionen für Sammler aus ganz Europa. Bis heute zieren die so wiedererstandenen, beherzt vervollständigten Skulpturen nicht nur die englischen Landsitze und Stadthäuser. Ohne den unbefangenen, halb spielerischen Antikenkult ist auch der europäische Neoklassizismus der zweiten Jahrhunderthälfte undenkbar.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.04.2018

Die Preise fliegen über den Markt

Der Künstler als Ausgräber: Norbert Miller zeigt, was englische Gentlemen, Händler und Architekten im Rom des achtzehnten Jahrhunderts anstellten, als die Nachfrage nach Antiken explodierte.

Marblemania" ist das wunderbar geschriebene und reichillustrierte Buch eines Connoisseurs. Gäbe es doch mehr davon - in Deutschland. Der Kenner als Liebhaber findet sich gelegentlich unter den Kunstsammlern, aber unter den Wissenschaftlern? Es ist kein Wunder, dass der Begriff seiner Tätigkeit, "connoisseurship", dem englischen frühen achtzehnten Jahrhundert entstammt. In England hält sich diese liebenswerte Spezies bis heute, und ihre Existenz kann mit erklären, warum es bis 1955 die Kunstgeschichte als eigenständige universitäre Disziplin in England schlicht nicht gab.

Für den klassischen Connoisseur ist die reine Geschichte der Kunst letztlich zweitrangig, für ihn als Privatmann hat die Kunst ein eigenes Leben. Tritt sie in seinen Kosmos, so bekommt sie ihren Sinn von ihm und für ihn. Geschichtsdarstellung ist für den Engländer bis heute primär Biographie. Die deutsche Kunstgeschichte und auch das nach London emigrierte Warburg Institute sind, wie die Engländer ironisch bemerken, auf die Freilegung von Tiefsinn abonniert, die Engländer dagegen beschreiben das Werk, die Umstände seiner Entstehung und vor allem die seiner Besitzer und setzen damit sein "Leben" fort, für kommende Generationen.

In diese Tradition stellt Norbert Miller sich nur zu gern. Das heißt aber auch, dass sein Buch ein beschreibendes, nicht so sehr deutendes ist. Die Beschreibung allerdings lebt nur aus der Fülle der Kennerschaft - und das tut sie hier wahrlich. Zum anderen bedeutet das Anknüpfen an die englische Tradition das Zulassen von individuellen Neigungen. Sie verdichten sich hier in einem Namen: Piranesi. Norbert Miller hat bereits 1978 ein Buch über Piranesi geschrieben mit dem bezeichnenden Titel: "Archäologie des Traums".

Der Titel verschränkt die beiden Dimensionen Piranesis, die auch das neue Buch prägen. Einerseits geht es um archäologische Rekonstruktion. Zugleich aber um die Fortschreibung der römischen Eigenart, wie sie sich in ihrem alles durchwaltenden Formenreichtum niederschlägt, durch Neuerfindung. Norbert Miller bringt diese beiden Seiten in des Künstlers Brust auf den Nenner: magnificenza versus ornamento.

Piranesis Traktat über die "Magnificenza" von 1761 spürt nicht nur der Großartigkeit der römischen Monumentalbauten nach, sondern vor allem ihren konstruktiven Gesetzen. Hier meldet sich Piranesi der Architekt zu Wort. Ornamento meint die unendliche Vielfalt marmorner Dekorationselemente, die Piranesis Erfindungen wie ein dichtes Netz überziehen und ihren grandiosen Niederschlag in seinen "Diversi maniere d'adornare i cammini" von 1769 fanden, bei denen er Ägyptisches, Etruskisches und Griechisches mit Römischem mischt. Er stellt die Funktion der Formen auf den Kopf, um ihnen einen ästhetischen Mehrwert abzugewinnen.

Doch Piranesi bleibt nicht nur Entwerfer, er mutiert zum erfolgreichen Ausgräber, Kunsthändler und Antikenrestaurator. Nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges 1763 überschwemmten englische Gentlemen auf ihrer Grand Tour Italien, es gab keinen unter ihnen, der nicht Antiken zu kaufen suchte. Ein riesiger Markt entstand. Wobei in Rom ansässige englische Kunsthändler ihre Landsleute glänzend bedienten - und ausnahmen.

Die Nachfrage war so gewaltig, trotz erlassener päpstlicher Ausfuhrverbote, dass die Restauratoren Pasticci, Kopien oder Neuerfindungen im klassischen Stil en masse produzierten. Norbert Miller entwirrt dieses Geflecht im Detail. Doch damit nicht genug: Er beschreibt in genauen Analysen, wie bei den berühmten englischen Landsitzen architektonische Gestaltung und skulpturale Aufstellung interagieren, als selbstbewusste Fortsetzung römischer Traditionen.

Am Ende belegt der Autor mit einschlägigen Beispielen, wie die Skulpturen von den Restauratoren den Bedürfnissen der Käufer entsprechend zurechtgemacht, aus Fragmenten vollkommene Ganzheiten wurden. Mit der Schilderung der Ladung eines von den Franzosen gekaperten englischen Handelsschiffes hatte er begonnen. Zwei Ausstellungen haben sich diesem spektakulären Fall gewidmet, in Sevilla 2002, in Oxford 2012. Das Kernstück der Beute war eine Fülle von Kisten mit Antiken, gekauft von englischen Rom-Reisenden, die ihre Schätze nie sehen sollten. Bis zu ihrer Erschließung führten sie in ihren Kisten in der Madrider Kunstakademie - Karl III. hatte sie beschlagnahmen lassen - ein Schattendasein.

Deutlich wurde, wohin die Interessen der englischen Milordi gingen. Natürlich standen Skulpturen im Zentrum, aber auch Vasen, Kandelaber, Grafiken, Gemälde, vor allem Porträts ihrer selbst, Traktatliteratur fanden sich in Fülle. Man bekommt eine Vorstellung von einer Adelskultur, die unhinterfragt sich selbst lebte, kurz bevor die Französische Revolution auch ihr Weltbild erschüttern sollte. Mit Norbert Miller taucht man in diese Adelskultur ein, wenigstens für die Dauer der Lektüre.

Sicher wären andere Kulturbilder des Klassizismus möglich gewesen. Die durchaus erwähnte, aber nicht im Detail ausgeführte Auseinandersetzung zwischen Piranesi und Winckelmann über den Vorrang des Römischen respektive des Griechischen wäre als Ausgangspunkt zu nehmen gewesen, um das Verhältnis von antiquarischer Gelehrsamkeit und sinnlicher sprachlicher Evokation der Antiken zum Thema zu machen. Der Weg von Winckelmanns sublimierter Sinnlichkeit zu den laut demonstrierten Leidenschaften im Kreis um Füssli und Sergel wäre zu schildern gewesen; er mündet in den sentimentalischen Purismus von Canova und Flaxman. In diese Tradition gehört auch der hier primär als Kunsthändler geschilderte Gavin Hamilton, der als Künstler mit seinen Homer-Bildern höchst einflussreich war.

Für sie nutzte Hamilton die Übersetzung Alexander Popes, die das, was Homer gerade unterschlägt, breit ausmalt: die Gefühlswelt der Helden. Diese Aktualisierung hat eine historistische Dimension. Die Antike wird als etwas Vergangenes, wehmütig Erinnertes begriffen. Sehr im Gegensatz zu den Überzeugungen der englischen Sammler, die eher glaubten, etwas ungebrochen Fortzuschreibendes vor sich zu haben. Es wäre auch an anderes zu denken gewesen. Doch man verliert sich gern in das hier Geschilderte. Und wer unbedingt weitere kunsthistorische Aufklärung benötigt, kann sich in Norbert Millers Anmerkungen vertiefen, in denen er alles Nötige untergebracht hat.

WERNER BUSCH

Norbert Miller:

"Marblemania". Kavaliersreisen

und der römische

Antikenhandel.

Deutscher Kunstverlag, Berlin/München 2018.

184 S., Abb., geb., 34,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.08.2018

Parmesan, Sardinen, Kandelaber
Klassizistischer Kaufrausch: Norbert Millers „Marblemania“ erzählt von der Italienbegeisterung der Briten
Als die britische Fregatte Westmorland im Januar 1779 vor dem Hafen von Livorno aufgebracht und zur Reise nach Málaga gezwungen worden war, fielen den Räubern beträchtliche Reichtümer in die Hände: vierhundert Fässer eingelegte Sardinen, etliche Räder Parmesan, aber auch 57 Kisten mit Kunstgegenständen, die, von jungen britischen Adligen auf ihrer „Grand Tour“ erworben, ihnen voraus nach London reisen sollten. Den größten Teil dieser Schätze erwarb damals Karl III., König von Spanien, woraufhin sie zunächst in seine Sammlungen und später in Vergessenheit gerieten. Als sie im Jahr 2002 entdeckt und zu großen Teilen identifiziert werden konnten, war dieser Fund eine Sensation: Kein wirklich bedeutender Sammler war unter den Absendern oder Empfängern, keine großen Kostbarkeiten waren in den Kisten verwahrt. Aber es war, als hätte sich eine Zeitkapsel geöffnet: eine „ganze, in einem Augenblick versunkene Welt“ wurde wieder zum Leben erweckt.
Mit einer Abenteuergeschichte beginnt der Literaturwissenschaftler Norbert Miller sein Buch über die Kavaliersreisen und den römischen Antikenhandel, dem er den im Englischen gebräuchlichen, aber fast schon ironischen Titel „Marblemania“ gab. Tatsächlich geht es in diesem reich illustrierten Band vor allem um die „Milordi“, die jungen Männer (und auch Frauen) der britischen Aristokratie, für die eine italienischen Reise mit einer Dauer von meist etwa zwei Jahren das Ende und die Vollendung ihrer Erziehung darstellte. Zuletzt, etwa zwischen den Jahren 1740 und 1820, müssen, allen Kriegen zum Trotz, Tausende von ihnen durch Europa gereist sein. Von ihren Aufenthalten in Italien handelt dieses Buch, davon, was sie sahen, wer sie betreute, von wem sie sich beraten ließen und was sie kauften. Von den großen Anstrengungen, die man in Italien unternahm, um dieser Nachfrage gerecht zu werden, von Ausgrabungen und von der Arbeit der Werkstätten, die Kopien anfertigten und Beschädigtes ergänzten. Mehr aber noch wird davon berichtet, was danach geschah: von einem breiten Strom aus Altertümern und Kunstgegenständen, der sich von Neapel und Rom nach England bewegte, von den Häusern, die entstanden, um für diese Kunstschätze einen angemessenen Rahmen zu bilden, und schließlich davon, wie sich dieser Klassizismus in ganz Europa verbreitete, bis zum Versuch des schwedischen Königs Gustav III., nördlich von Stockholm ein kleines neues Rom zu schaffen.
Das Interesse der Briten an der antiken Kunst hatte, verglichen mit Frankreich, mit Verspätung begonnen, wegen der Distanz der anglikanischen Kirche zu Rom. Als das große Reisen dann zu Beginn des 18. Jahrhunderts einsetzte, richtete es sich zuerst auf das Vorbild Venedig: auf eine Handelsrepublik, die von einem landbesitzenden Adel beherrscht wurde, der die Sommer auf seinen Gütern und die Winter in der Stadt verbrachte. Die Architektur Andrea Palladios wurde auf englische Verhältnisse übertragen, und in die neu errichteten Villen zog der von antiker Kunst begeisterte Sammler.
Mit seinesgleichen schuf er die „Society of Dilettanti“, in denen die Erinnerungen an die Italienreisen gepflegt wurden, aber auch mehr als das: Der Klub beförderte Kennerschaft und Logistik im Umgang mit den antiken Kunstschätzen, und er wurde sogar zur Agentur immer weiter reichender Unternehmungen, vor allem in Gestalt von Expeditionen, in denen die „Dilettanti“ in historisch und geografisch noch kaum erschlossenes Terrain vordrangen.
Einer solchen Professionalisierung stand die zunehmend gewerbsmäßige Organisation des italienischen Kunsthandels gegenüber – und eine staatliche Aufsicht, vor allem vonseiten des Vatikans, der es darum zu tun war, zumindest die repräsentativsten Stücke in Rom zu behalten. Als Papst Clemens XIII. im Jahr 1763 Johann Joachim Winckelmann zum „Commissario delle Antichita“ ernannte, gehörte auch diese Aufsicht zu seinen Aufgaben. Mit der Arbeit zu den „Dilettanti“ setzt Norbert Miller eine Serie von Studien zum Klassizismus fort. Der Kupferstecher, Architekt und Händler Giovanni Battista Piranesi spielt darin eine ebenso zentrale Rolle wie der Schriftsteller und Politiker Horace Walpole, ansonsten einer der Begründer des Schauerromans, und der Baumeister (und Romancier) William Beckford, der auch als Architekt von Türmen und Gärten hervortrat. Durch Rom und die Grand Tour sind all diese Gestalten verbunden. Mit seinen Helden teilt Norbert Miller die Begeisterung für den Klassizismus, dem eine Wendung ins Melodramatische zumindest nicht fremd ist, und vor allem: ein Enthusiasmus, der, um die unaufhebbare Distanz zum klassischen Ideal wissend, dessen Aufhebung (im positiven Sinn) in der Bildung sucht – was Norbert Miller zu einer auf angenehmste Weise anachronistischen Figur unter den deutschen Literaturwissenschaftlern macht. Wobei hinzukommt, dass er sehr, sehr gut schreibt.
THOMAS STEINFELD
Norbert Miller: Marblemania. Kavaliersreisen und der römische Antikenhandel. Deutscher Kunstverlag, Berlin 2018. 184 Seiten, 34,90 Euro.
Nördlich von Stockholm
versuchte König Gustav III. ein
kleines Rom zu schaffen
Norbert Miller ist ein
Anachronismus:
Er schreibt sehr, sehr gut
Ein Kandelaber aus Giovanni Battista Piranesis „Vasi, candelabri, cippi, sarcofagi“, Rom 1778.
Foto: Deutscher Kunstverlag
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Thomas Steinfeld zeigt sich begeistert von Norbert Millers Buch über die Kavaliers- und Kunstkaufreisen junger britischer Adliger nach Italien und ihre Folgen. Was der Literaturwissenschaftler an Material zusammenträgt, seine Begeisterung für den Klassizismus und seine Schreibe lassen Steinfeld das Buch verschlingen. Die Illustrationen im Band lassen Steinfeld den "Strom aus Altertümern" von Neapel und Rom nach England und die folgende Verbreitung des Klassizismus in Europa lebhaft nachvollziehen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Mit der Arbeit zu den "Dilettanti" setzt Norbert Miller eine Serie von Studien zum Klassizismus fort. [...] Mit seinen Helden teilt Norbert Miller die Begeisterung für den Klassizismus, dem eine Wendung ins Melodramatische zumindest nicht fremd ist, und vor allem: ein Enthusiasmus, der, um die unaufhebbare Distanz zum klassischen Ideal wissend, dessen Aufhebung (im positiven Sinn) in der Bildung sucht - was Norbert Miller zu einer auf angenehmste Weise anachronistischen Figur unter den deutschen Literaturwissenschaftlern macht. Wobei hinzukommt, dass er sehr, sehr gut schreibt." Thomas Steinfeld in: Süddeutsche Zeitung, (19.08.2018)
"Miller is now able to put a name to the young travellers whose portraits, acquired in Rome, were found among the booty and are now kept in the Prado. A view thus unfolds of English travellers and their guides who introduced them to collectors, dealers and artists." Bernahrd Schulz in: The Art Newspaper Review 306 (2018)
"Marblemania ist das wunderbar geschriebene und reichillustrierte Buch eines Connoisseurs. Gäbe es doch mehr davon - in Deutschland."
Werner Busch in: Der Tagesspiegel (20.04.2018)
"Die aufwändige Bebilderung unterstützt das Lesevergnügen ungemein."
Dr. Peter Eschweiler in: Bibliographie zur Symbolik, Ikonographie und Mythologie (Jahrgang 51/2018)