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Die Geschichte einer ungewöhnlichen Reise. Ein junger Übersetzer verliebt sich in eine Frau, die einen eigenwilligen Sohn hat. Der Junge, Samuel, interessiert sich nur selten für andere Menschen und lebt in der Welt von Science-fiction-Romanen. Er schickt Briefe an den Autor dieser Bücher, einen alten Mann in Krakau, in dem unschwer Stanislaw Lem zu erkennen ist, und träumt davon, ihn eines Tages zu treffen. Als die Mutter Samuels ein vierwöchiges Stipendium in Amerika erhält, reist ihr Freund mit dem Jungen nach Polen. In Krakau angekommen, verschwindet Samuel plötzlich, und der Mann begegnet…mehr

Produktbeschreibung
Die Geschichte einer ungewöhnlichen Reise. Ein junger Übersetzer verliebt sich in eine Frau, die einen eigenwilligen Sohn hat. Der Junge, Samuel, interessiert sich nur selten für andere Menschen und lebt in der Welt von Science-fiction-Romanen. Er schickt Briefe an den Autor dieser Bücher, einen alten Mann in Krakau, in dem unschwer Stanislaw Lem zu erkennen ist, und träumt davon, ihn eines Tages zu treffen. Als die Mutter Samuels ein vierwöchiges Stipendium in Amerika erhält, reist ihr Freund mit dem Jungen nach Polen. In Krakau angekommen, verschwindet Samuel plötzlich, und der Mann begegnet auf der Suche nach ihm Menschen, deren Leben und Geschichte ihn auf die geheimen Wege dieser Stadt im Wandel führen und ihn unentrinnbar verändern.
Autorenporträt
Gernot Wolfram wurde 1975 in Zittau geboren und lebt in Berlin, arbeitet als Journalist und Autor. Er hat Gedichte und Erzählungen in Zeitschriften veröffentlicht. 1995 erhielt er den Landespreis für deutsche Sprache und Literatur Baden-Württemberg. Für die Erzählung "Am Radio" aus diesem Buch Die kleine Täuschung wurde ihm letztes Jahr der Walter-Serner-Preis verliehen.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.05.2005

Authentische Doppelgänger
Herzensbildung: Gernot Wolfram sucht in Polen das wahre Leben

Sie sind ein seltsames Paar: ein dreißigjähriger Mann, der für das Englisch des achtzehnten Jahrhunderts schwärmt, zum Wohlbefinden unbedingt einige feste Koordinaten in seinem Alltag braucht - ein ruhiger, unaufgeregter, solider Mensch. Und ein zwölfjähriger Junge, der Science-fiction-Romane verschlingt und sein Anderssein gern durch anstrengende Selbstinszenierungen demonstriert: indem er mal vieldeutig schweigt, mal sich ohne jede Vorwarnung zu Boden fallen läßt. Der Mann ist mit der Mutter des Jungen zusammen, aber dieser ist ihm im Grunde völlig fremd. Und doch sollen ausgerechnet sie diese spezifische Art von Intimität erleben, die eine gemeinsame Reise mit sich bringt.

In Gernot Wolframs Erstlingsroman "Samuels Reise" geht es vor allem um verschiedene Varianten, Stufen und Schattierungen des Fremdseins; schon sein vor zwei Jahre erschienener Erzählband trug den Titel "Der Fremdländer". Wolframs Erzähler ist literarischer Übersetzer, und er übt diesen Beruf, gewissermaßen als Profi für die Überwindung von Fremdheit, mit großer Hingabe aus. Als er gerade an der Neuübersetzung von James Boswells "Londoner Tagebuch" arbeitet, reißt ihn ein spontaner Reiseplan aus seinem geregelten Alltag. Seine Freundin Anna, ebenfalls Übersetzerin, hat ein vierwöchiges Stipendium in den Staaten bekommen, und er soll während ihrer Abwesenheit mit ihrem Sohn Samuel nach Krakau fahren. Die Idee stammt von Annas Vater, der die Reise auch finanziert und damit dem Enkelsohn seinen sehnlichsten Wunsch erfüllen will: Der Junge möchte seinem Idol, einem berühmten Science-fiction-Autor (sprich: Stanislaw Lem), begegnen. Doch noch bevor sie ihr Reiseziel erreichen, erleben die beiden eine Reihe von Überraschungen und Turbulenzen.

Die Handlung kommt erst richtig in Gang, als Samuel plötzlich aus ihrem Krakauer Hotel verschwindet. Diesmal ist es allerdings keine weitere Demonstration pubertärer Exzentrik, sondern ein Racheakt: Die von polnischen Mittelsmännern organisierte Begegnung mit dem berühmten Autor, die sofort nach der Ankunft in Krakau stattfand, war nichts als Schwindel, und der Junge erkannte dies viel schneller als sein Begleiter. In Wirklichkeit saßen die beiden nicht dem Schriftsteller, sondern seinem Doppelgänger gegenüber - einem Schauspieler und zugleich Inhaber einer Agentur, die Imitatoren von Prominenten vermittelt. Ein falscher Papst gehört ebenso zu seinem Team wie Doubles von Bill Clinton oder Lech Walesa. Samuel macht seinem Ärger über den Betrug Luft, indem er sich selbständig macht, und dem Erzähler bleibt nichts anderes übrig, als seinen Spuren zu folgen. So wird die Reise zu einer Art inneren Bildungsreise, die dem Erzähler manche Selbsterkenntnisse beschert.

Auf einmal entdeckt er nämlich, daß er durchaus imstande ist, sich einfach treiben zu lassen, auf überraschende Situationen spontan zu reagieren, zu improvisieren und sich mit widrigen Umständen zu arrangieren. Kurz: Er lernt Gelassenheit, und zwar so schnell, daß er mit jedem Tag stärker den Wunsch verspürt, sein altes Leben hinter sich zu lassen. Dafür hat er auch ein neues persönliches Motiv: die Schwester eines Doppelgängers, die ihn bei seiner Suche nach Samuel begleitet und unterstützt - und die dieses andere Lebensgefühl auf eine sehr natürliche und reizvolle Weise ausstrahlt. Irgendwann taucht der Junge wieder auf, und das Polen-Abenteuer ist zu Ende. Das neue Leben des Erzählers, wo auch immer, kann beginnen.

Wolframs Roman ist bei aller Leichtigkeit und Frische des Tons ein sorgfältig komponiertes Werk, dessen Motive sehr durchdacht sind: Es geht immer wieder um die Grenze zwischen Realität und Illusion, zwischen Nachahmung und Täuschung, zwischen Originalität und Austauschbarkeit - und somit über die Beschaffenheit einer Welt, in der Vertrautheit und Fremdheit nur einen Schritt voneinander entfernt liegen.

Es ist wohl kein Zufall, daß Wolfram seinem erwachsenen Protagonisten einen zwölfjährigen Jungen zur Seite stellt. Er selbst war in diesem Alter, als er erstmals die Erfahrung der Fremdheit machte: 1987 übersiedelte seine Familie aus der DDR nach Westdeutschland und ließ sich im württembergischen Nürtingen nieder. Heute ist Wolfram genau im Alter seines Erzählers, und die Erinnerung an die Umsiedlung läßt ihn offenbar immer noch nicht los. Er lebt seit Jahren in Berlin, doch die alte Heimat, das Land zwischen Dresden und Prag, bezeichnet er weiterhin als seine "Herzensgegend".

Diese Vorliebe merkt man auch seinem Roman an: Sosehr er auf persönliche Erfahrungen in Polen zurückgreift (eine Zeitlang lehrte Wolfram in Breslau "interkulturelle Kommunikation"), seine Schilderungen bekommen immer wieder einen leicht ostdeutschen oder tschechischen Anstrich, der gelegentlich auf Kosten der Glaubwürdigkeit geht. Die eigentlichen Drahtzieher in seiner Geschichte etwa sind Samuels Großvater und sein Jugendfreund, der besagte Agenturbesitzer: zwei alte Krakauer, die, einst unzertrennlich, später zerstritten, heute ein zögerlich korrektes Verhältnis pflegen. Abgesehen davon, daß schon ihre Namen, Predotta und Klima, merkwürdig unpolnisch anmuten und daß das Bild von Krakau erstaunlich blaß ausfällt, geht Wolfram mit den Mäandern der Zeitgeschichte mit irritierender Sorglosigkeit um.

Daß Predotta in Ost-Berlin studierte, ist denkbar - daß er sich aber als Gaststudent "eine ideologische Unzuverlässigkeit" leistete und dafür, statt sofort nach Polen zurückgeschickt zu werden, "auf Mecklenburgs Feldern schuftete", bevor er "in die freie Hälfte des Landes" wechselte, klingt eher nach einer Hommage an die Eltern als nach sorgfältiger Recherche. Auch die auf Klima bezogene Formulierung, seine Schauspielerkarriere sei zu Ende gewesen, als "die Kommunisten anfingen, sich über die Juden zu mokieren" (je nachdem, ob die vierziger oder die sechziger Jahre gemeint sind, wurden die polnischen Juden entweder umgebracht oder auf brutale Weise aus dem Land vertrieben), zeugt von gewissen Wissenslücken. So sind dem Autor auch einige unfreiwillige Verfremdungseffekte gelungen, die auf einen Landeskundigen etwas befremdend wirken - so gern er seinen Roman auch sonst gelesen hat.

MARTA KIJOWSKA

Gernot Wolfram: "Samuels Reise". Roman. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2005. 203 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Ein gut lesbarer Roman aus dem deutschen Sprachraum, der eine gewisse Leichtigkeit transportiert, besitzt für Hans-Peter Kunisch Seltenheitswert. Seines Erachtens hat Gernot Wolfram mit "Samuels Reise" ein solches Buch geliefert, das trotz seiner Gängigkeit schweren Stoff bearbeitet - es geht um Polen und die deutsche Vergangenheit in Polen. Dort gibt es beispielsweise Menschen wie einen Mann namens Klima, der eine Agentur für Doppelgänger führt, die sich notfalls sogar als KZ-Insassen ausgeben und so die Frage aufwerfen, formuliert der Rezensent beeindruckt, was Authentizität bedeute beziehungsweise was wichtiger sei, die Wahrheit oder die Wirkung? Wolframs Sprache ist dabei ganz klar und durchsichtig, analysiert Kunisch weiter, aber auch etwas geheimnislos. Wenn man dem Roman eine Schwäche anlasten dürfe, dann nämlich seine Berechenbarkeit. Irritationen vermisst der Rezensent, der sich stimmungsmäßig teilweise an Nooteboom, teilweise an Kundera erinnert fühlt. Doch in der Klima-Figur sieht er auch einen "Rest an Widerständigkeit" bewahrt, die dem Buch sonst abgehe.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.03.2005

Mit James Boswell durch Polen
Gernot Wolframs Romandebüt: „Samuels Reise”
Das Nüchternheitspathos des Englischen steht bei jüngeren Autoren hoch im Kurs, oft lesen sich ihre Bücher, als wären sie übersetzt. Auch Gernot Wolfram liebt offenkundig die „pathetische Sachlichkeit” der englischen Sprache. Bei ihm jedoch, der 1975 in Zittau geboren wurde und zwölfjährig in die Bundesrepublik kam, wirkt sich das anders aus. Seine Sprache klingt beinahe so lässig wie das anglizistische Deutsch seiner Kollegen. Sie ist aber nicht relaxed, also nachlässig, sondern auf überzeugende Weise gelassen.
Schon das Erzähldebüt „Der Fremdländer” war überraschend souverän. Nun ist Gernot Wolframs erster Roman erschienen, „Samuels Reise”, der ebenfalls von Fremdheitserfahrungen handelt. Was sich bereits in den Erzählungen bewährte, die genaue und fast unmerkliche Verknüpfung von Motiven, wird nun zum Gestaltungsprinzip des Romans. Er lässt sich auf mehreren Ebenen lesen, als spannendes Roadmovie einer Polenreise zur Nachwendezeit, wie als Erkundung eben jener seltsamen Form von Pathos, die dem Englischen eigen ist. Dabei richtet sich das Augenmerk auf die Gedanken- und Beobachtungsgenauigkeit des 18. Jahrhunderts, nicht auf die globale, also ortlose Populärpathetik der Gegenwart. Wie nebenbei werden Seelenräume erschlossen und verschiedene Liebesformen durchgespielt: Eigenliebe, erotische Liebe, Elternliebe sowie jene Form, die man Übertragungsliebe nennen könnte.
Der Ich-Erzähler, ein junger Mann etwa im Alter des Autors, ist Übersetzer. Eigentlich ist er mit der Übertragung der Tagebücher James Boswells beschäftigt, der mit seiner Biographie Samuel Johnsons wesentlich zu dessen Ruhm beigetragen hat. Doch da bekommt seine Lebensgefährtin die Chance, mit einem vierwöchigen Stipendium in die Staaten zu reisen. Ihr zwölfjähriger Sohn Samuel, kompliziert, hochbegabt und lesebesessen, soll in der Zeit ihrer Abwesenheit etwas Besonderes erleben. So zumindest will es sein Großvater und hat auch gleich die passende Idee. Da Samuel ein Fan von Stanislaw Lem ist (und der Großvater selbst aus Polen stammt), könnte man doch ein Treffen mit dem berühmten Autor arrangieren. Geld spielt keine Rolle, Kontakte sind vorhanden. Und so werden Samuel und der Geliebte seiner Mutter zusammen auf die Reise geschickt.
Das Schnüffeln nach Abgründen
Die beiden haben es nicht leicht miteinander. Die Abenteuerlust des hypersensiblen Jungen steht im Kontrast zur ängstlichen Behäbigkeit des Erzählers. Der will eigentlich nur seine Ruhe. Wann immer es möglich ist, zieht er sich ins Hotelzimmer zurück, um an seiner Boswell-Übersetzung zu arbeiten. Ein Vater-Sohn-Verhältnis, das keines ist, dessen Modellcharakter dafür aber umso deutlicher wird: so leben Eltern und Kinder nebeneinander her. Nach der Begegnung mit jenem Mann, der Stanislaw Lem sein soll, wird es dem Jungen zu bunt: „Macht euch über jemand anderen lustig”, schreibt er auf einen Zettel und verschwindet.
Erst jetzt, wo der Junge abwesend ist, kümmert sich der Erzähler ernsthaft um ihn. Nun folgt er seiner Spur. Man könnte auch sagen: Er interpretiert ihn, übersetzt die Zeichen seiner Anwesenheit in eine Reiseroute, die ihn durch Krakau, über Land und schließlich bis nach Warschau führt. Die Abenteuerlust des Jungen überträgt sich auf ihn. Das ist geschickt gemacht, denn so öffnet der Autor seinem Erzähler die Augen. Während er nach dem Jungen sucht, entdeckt er Polen gleichsam mit kindlichem Blick. Und das ist auch nötig bei einem Land, das von Klischees überwuchert wird. Wie Trüffelschweine suchen Touristen nach der Geschichte und werden zugleich von einer „seltsamen Nervosität” ergriffen, weil sie hinter jeder Ecke einen „Abgrund” wittern. Den Lager-Tourismus der „Halbtagsbetroffenen” schildert Gernot Wolfram mit einer gehörigen Portion Sarkasmus. Der aus einer jüdischen Familie stammende Klima, Weggefährte des Großvaters zur Besatzungszeit, engagiert Schauspieler als Zeitzeugen. Weniger umständlich und detailversessen als überlebende KZ-Häftlinge, vermögen sie Erinnerung „besser” darzustellen als die realen Zeugen. Auch Doppelgänger von Prominenten, die man für Feste mieten kann, gibt es in seiner Kartei: den Papst, Lech Walesa, Jan Sobieski sowie Bill Gates und Clinton.
Das „Spiel mit der Ähnlichkeit” durchzieht den gesamten Roman. Mit Hilfe einer schönen und klugen Frau, in die er sich heftig verliebt, findet der Erzähler den Jungen schließlich wieder. Unaufdringlich verortet Gernot Wolfram „Samuels Reise” auch literarisch. Die in den Kosmos strebende Phantasiewelt Stanislaw Lems und die demütige, dem Ansehen eines anderen dienende Prosa James Boswells bilden die Achsen des Koordinatensystems, in das er sein eigenes Schreiben einzeichnet. Wolfram war bei seiner wohl einschneidendsten Fremdheitserfahrung, dem Wechsel von Ost nach West, im selben Alter wie der Junge in seinem Buch. Wer so klug ist, dem jugendlichen Alter Ego ein erwachsenes Alter Ego als Begleitung zur Seite zu stellen, wer so geschickt Vergangenheit und Gegenwart, Erfahrung und Erfindung verknüpft, der hat das Zeug zu einem Schriftsteller, auf dessen Bücher man auch in Zukunft gespannt sein wird.
MEIKE FESSMANN
GERNOT WOLFRAM: Samuels Reise. Roman. DVA, München 2005. 203 Seiten, 18,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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"Unter der sicheren Hand des Erzählers, hinter dem Wohlgesetzten seiner Worte (die Sätze fallen oft wie wunderbare musikalische Kadenzen), tut sich ein geradezu extravaganter Reichtum an Figurenpsychologie auf." Süddeutsche Zeitung

"Ein beeindruckendes Debüt ... Wolfram verfügt über einen angenehmen, nicht auf Pointen kalkulierenden Humor." Frankfurter Allgemeine Zeitung