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Eine verzaubernde und ungemein mitreißende Lektüre
Eine Frau begibt sich auf eine einsame Reise. Ihr Ziel: der Mond. Doch es ist nicht die Sehnsucht nach dem Himmelskörper, die sie antreibt. Hella will einfach weg. Magisch und auf verführerische Weise schwerelos ist dieser Debütroman von Jo Lendle, der von den Dingen erzählt, die uns dazu bewegen, an der Erde festzuhalten - oder sie loszulassen.
Hella Bruns ist auf dem Weg zum Mond. Ein Abenteuer, möchte man meinen, oder ist es eine Flucht? Ihr Weg führt sie durch die unendliche zentralasiatische Weite, durch Länder, die alles brauchen,
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Produktbeschreibung
Eine verzaubernde und ungemein mitreißende Lektüre

Eine Frau begibt sich auf eine einsame Reise. Ihr Ziel: der Mond. Doch es ist nicht die Sehnsucht nach dem Himmelskörper, die sie antreibt. Hella will einfach weg. Magisch und auf verführerische Weise schwerelos ist dieser Debütroman von Jo Lendle, der von den Dingen erzählt, die uns dazu bewegen, an der Erde festzuhalten - oder sie loszulassen.

Hella Bruns ist auf dem Weg zum Mond. Ein Abenteuer, möchte man meinen, oder ist es eine Flucht? Ihr Weg führt sie durch die unendliche zentralasiatische Weite, durch Länder, die alles brauchen, aber keine Raumfahrt. Kilometer für Kilometer entfernt sich Hella von einem Leben, das ihr nichts mehr bedeutet, und von der Erinnerung an ihren Sohn, der die Sterne liebte und dessen größter Wunsch es war, dem Weltall ein Stückchen näher zu kommen. Als sie das Kosmodrom erreicht, erscheint die Anlage unwirklich, und die Raketentechnik mutet an wie aus längst vergangener Zeit. Aber die Vorbereitungen laufen, und immer wieder taucht ein Mann auf, der ihr bald nicht mehr aus dem Kopf geht. Es sieht aus, als wolle die Erde Hella nicht so leicht freigeben - ein letztes Mal entfaltet sie ihre Anziehungskraft.

"Die Kosmonautin" erzählt die Geschichte einer ungewöhnlichen Reise - schwerelos, aber niemals abgehoben, poetisch, bildkräftig und faszinierend vom ersten Satz an. Kurzum: ein magischer Debütroman.

Autorenporträt
Jo Lendle wurde 1968 in Osnabrück geboren. Er war Herausgeber der Literaturzeitschrift Edit und als Dozent und Gastprofessor an den Universitäten München, Leipzig und Hildesheim tätig. Jo Lendle lebt heute in Köln.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.05.2008

Erst bei den Sternen wird das Leben anders sein
Jo Lendle hat mit „Die Kosmonautin” einen großartigen Roman über die Schwerkräfte auf Erden geschrieben
Eine menschenleere Doppelpiste, nur durch einzelne Anhöhen in ihrem mehr oder weniger geradlinigen Verlauf unterbrochen. Keine Figur, sondern eine Szenerie, die sich über Hunderte Kilometer kaum zu verändern scheint, eröffnet Jo Lendles ersten Roman „Die Kosmonautin”. Und Hella, die in dieser einsamen Gegend dann entschlossen aufs Gaspedal ihres klapprigen Kleinwagens drückt, um auf den Anhöhen abzuheben, macht selber einen eigenartigen Eindruck. Was bringt sie dazu, tief in den Osten vorzudringen und dabei auf ihre Art verrückt zu spielen? Man darf sich Hella als eine weibliche Entsprechung von Tarkowskijs „Stalker” vorstellen: Trotz Tempo scheint sie sich vorwärts zu tasten in einem fremden Gebiet, das in Lendles klar konturierter Sprache wie unter Dauernebel wirkt.
Doch als man schon ahnt, dass Hellas Geheimnis bis zum Ende des Buchs ungelüftet bleiben dürfte, und sich der Leser in das duldende Objekt eines Textplans zu verwandeln beginnt, wechselt Lendle mit Beginn des zweiten Teils zu einer beinahe entgegengesetzten Strategie: „Hella Bruns kam zur Welt in einem Ort namens Alfeld an der Leine, wohin es die Familie vor Jahrzehnten verschlagen hatte.” Nachdem das enigmatische erste Großkapitel durch Andeutungen allenfalls immer wieder neue Rätsel stellte, zeigt das zweite die Entwicklung der bislang biographielosen Hella auf: In kurzen, vergleichsweise konkreten Passagen wird eine geradezu klassische, auf andere Weise modellhaft gezeichnete Jugend freigelegt.
Hella, eben noch Protagonistin einer quasi mythischen Erzählung, wird zur soziologisch erfassten Person, die ein sprachloses Kleinbürgerleben geführt zu haben scheint, dessen erste große Verletzung eine Abtreibung mit vierzehn war; die zweite dann ein Sohn ohne sozialen Vater. Hella hat sich eine Schutzschicht aus Apathie aufgebaut und in ein Leben als Einzelgängerin mit Sohn gefügt. Wofür sie schon früh wie prädestiniert schien: „Sie blieb ein schmales, bedächtiges Kind. Immer zu glatte Haare, immer ihr großer verschwommener Blick, der jemand anderen zu meinen schien, als den, der sie ansah.” Aber auch „eine gute Schülerin. Es fiel ihr nicht schwer, sich ganz einem Gegenstand zu widmen, das allein hob sie bereits aus dem Kreis ihrer Mitschüler hervor.”
Erst allmählich wird klar, warum das älter gewordene Mädchen in den Osten fährt, warum Hella unter psychischem Druck steht, der sie zu ihren Sprüngen über die Anhöhen treibt: Private Tragik mischt sich mit Politischem. Der erst dreizehnjährige Sohn ist bei der nicht näher motivierten Blockade einer Kreuzung festgenommen worden, hat noch versucht, aus dem Polizeiwagen zu fliehen, weil er glaubte, dass er den Weltraumflug, den er über ein Preisausschreiben gewinnen wollte, ansonsten nicht antreten könnte. Ein komplizierter Träumer, aber Tobi ist nicht erschossen worden. Er ist bloß auf die Straße gerannt, von einem Auto angefahren worden und an seinen Verletzungen gestorben.
Hella teilt diese Umstände, die sie von Tobis mitverhafteter Freundin weiß, der Firma, die das Luxus-Preisausschreiben organisiert hat, mit – und „gewinnt”. Zwar macht die Firma gleich danach pleite, der Flug aber bleibt bestehen. Nur: Hella muss jetzt alleine fahren, mit dem eigenen Auto, und ist gerade zu ihrem Ziel unterwegs, das unbenannt bleibt, aber mit Baikonur, der kasachischen Raumstation, von der aus ein Flug möglich wäre, sehr verwandt zu sein scheint.
Doch trotz privater Raumfahrt: In ihrer verhaltenen Depression, in der darauf folgenden zaghaften Regung kaum erholter Gefühle, wirkt Hella nicht wie eine Figur von heute. Auch wenn sie in der schließlich erreichten Station schüchtern passiv ein Verhältnis beginnt, ist sie ganz das Gegenteil der Frau, die alles pflichtgemäß in die Hand nimmt. Hella ist halbbewusst, waidwund, kehrt ihre Trauer nach innen. Nein, die Enge ihres Lebens führt in eine Zeit zurück, in der sie nie zu einem Flug gekommen wäre. Manchmal fühlt man sich in der „Kosmonautin” wie in die Literatur der siebziger Jahre zurückgebeamt, als diese gern dem Schicksal sprachloser, an „den Verhältnissen” kranker Menschen zum Ausdruck verhalf: eine bleierne Atmosphäre liegt über Hellas Leben, das auch einer Terroristin nicht schlecht angestanden hätte.
Wer jetzt aber glaubt, man müsse sich für diese zeitferne Kosmonautin nicht interessieren: genau das Gegenteil ist der Fall. Denn die konzentrierte Sprache des 1968 geborenen Lendle ist der Stimmung seiner Hauptfigur ausgezeichnet angepasst, zieht wie von selbst in eine magische Atmosphäre. Jede Begebenheit, die sich ereignet, wirkt wie in ein dichtes System von Bezügen verwoben, so viel Wahrscheinlichkeit ist in diesem fremden Leben, dass man immer wieder zu denken beginnt, der Roman folge einem realen Vorbild.
Das passt dann auch zu den genau rapportierten technischen Details der Raumfahrtstation. Hier ist Lendle wieder ganz modern sachverliebt. Und natürlich ist das Buch auch kein wirklich politischer Roman. Es hantiert mit dieser Form nur wie mit einem alten Spiel, lässt seine Figur am Ende traumgleich zu den Sternen fliegen. HANS-PETER KUNISCH
JO LENDLE: Die Kosmonautin. Roman. Deutsche Verlags-Anstalt. München 2008. 189 Seiten, 16,95 Euro.
Raketentransport in Baikonur in der Steppe Kasachstans Foto: Itar-Tass
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2008

Hellas Himmelfahrt
Jo Lendle schießt seine Heldin auf den Mond / Von Roman Luckscheiter

Die Romantiker haben es sich mit dem Traum vom Fliegen scheinbar einfach gemacht: "Wir träumen von Reisen durch das Weltall: ist denn das Weltall nicht in uns?", fragte Novalis, um den epochemachenden Slogan auszugeben: "Nach Innen geht der geheimnisvolle Weg." Das hat ganze Generationen von Sternguckern in die energiesparende Introspektion geschickt. Selbst diejenigen, die in den sechziger Jahren Novalis' berühmte blaue Blume rot färbten, folgten noch seiner Anweisung und verschafften sich kosmische Erlebnisse am heimischen Haschischpfeifchen.

Doch die dabei bewirkte "Große Fahrt nach oben", wie Bernward Vesper in seinem Romanessay "Die Reise" einen Drogentrip umschreibt, bekam Konkurrenz, als die Amerikaner auf dem Mond landeten. Da ließ die bemannte Raumfahrt die bekiffte Innerlichkeit plötzlich ziemlich alt aussehen. Bescheiden sprach Astronaut Neil Armstrong den wiederum epochalen Merksatz vom "kleinen Schritt für einen Menschen", aber "großen Schritt für die Menschheit" aus. Von nun an war Science-Fiction Realität geworden, seither gilt es nur noch, sie in Form von Weltraumtourismus zu demokratisieren. Hier dreht sich die Armstrong-Sentenz um: Die Reise nach oben ist allenfalls noch ein faits divers für die Menschheit, aber ein einschneidendes Ereignis für diejenigen, die in ihren Genuss kommen und sich danach sehnten, einmal die Atmosphäre hinter sich zu lassen.

Jo Lendle hat nun einen kleinen, feinen Roman über die Sehnsucht in Zeiten des Machbaren geschrieben. Seine Hauptfigur heißt Hella, arbeitet in einer orthopädischen Werkstatt und gewinnt in einem Preisausschreiben einen Raketenflug zum Mond, angeboten von einer privaten Firma, die ein stillgelegtes Kosmodrom aus Sowjetzeiten in der russischen Steppe reaktiviert hat. Dorthin bricht Hella mit ihrem Pkw auf und reist von Deutschland aus tagelang quer durch Vorderasien.

Diesem schier endlos wirkenden Weg durch öde Landstriche und fremde Kulturen ist die erste Hälfte des Buchs gewidmet: Die Vorstellung, bald das Gefühl von Schwerelosigkeit zu verspüren, treibt Hella an und verleiht ihr eine unbeirrbare Zielstrebigkeit, mit der sie die nationalen und sprachlichen Grenzen überwindet, um gerade einmal an Rastplätzen oder Jahrmärkten mit Menschen kurzzeitig in Kontakt zu kommen.

Als wäre es ein Film von Wim Wenders, erzählt Lendle diesen Trip ins Ungewisse als eine Art langen Brief zum kurzen Abschied; die Erwartung, die Welt bald aus großer Distanz sehen zu können, bewirkt bei Hella eine geschärfte Wahrnehmung für die latente Schönheit dessen, was sie zurücklassen wird. Doch als sie am abgetakelten Weltraumbahnhof angekommen ist, bedarf es noch einiger Tage des Wartens und der Vorbereitung, in denen die Heldin bei aller Kargheit der Umgebung russische Gemütlichkeit kennenlernt, erotische Zuwendung findet - und sich an kindliche Glücksgefühle erinnert: "Es war wie ein langer Advent, das Erstarren in der Andacht, das Harren auf ein Ereignis, das einfach nicht näherrücken wollte."

Lendles Erzählstil dagegen ist kurzweilig, deutet Zusammenhänge an statt aus und zeugt trotz seiner nüchternen Lakonie von impressionistischem Beschreibungstalent und subtilem Einfühlungsvermögen. Als die Rakete mit Hella an Bord startet, ist dem Leser längst klar, dass die Reise zum Mond doch auch hier wieder nach innen losgegangen ist. Denn ganz offensichtlich war der Weg das Ziel: Eigentlich hätte Hellas fünfzehnjähriger Sohn, der sich seit seiner Kindheit an passioniert mit dem Mond beschäftigt hatte, diese Reise antreten sollen, doch nachdem er bei einer politischen Demonstration tödlich verunglückt war, entschied sich Hella, seinen Traum stellvertretend wahr werden zu lassen. Der Mond in seiner seit Jahrtausenden bedichteten und beschworenen Anziehungskraft wird hier zum Fixpunkt einer langwierigen Trauerarbeit.

Mit traumwandlerischer Sicherheit begibt sich die Mutter in die therapeutische Rolle der Kosmonautin, reflektiert über das Universum und findet dabei zu sich selbst - just dort, wo sie ins All geschossen werden soll. Die Technik erweist sich in diesem Fall nicht als der Gegner der Romantik, sondern als ihre Vollendung: "Der Sitz der Seele ist da, wo sich Innenwelt und Außenwelt berühren", schrieb Novalis, und Jo Lendle hat ihn in der Raumkapsel gefunden.

Jo Lendle: "Die Kosmonautin". Roman. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2008. 192 S., br., 16,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Wer immer noch glaubt, die Erde sei rund, sollte unbedingt dieses Buch lesen. Und alle anderen auch." Felicitas Hoppe

"Während in der jungen deutschen Literatur ringsum die Geschütze der Generationsromane aufgefahren werden, geladen mit Sex, Drugs und Cyberspace, sitzt auf dem Schlachtfeld ein kleines Prosabändchen und spielt Hans Guckindieluft. Unbeeindruckt vom Tamtam der neuen Blechtrommler pflückt es Pusteblumen und sieht zu, wie die Fallschirme durch die Luft trudeln und sich da und dort niederlassen oder hängen bleiben, luftig und mit geringer Bodenberührung." (Zu Unter Mardern) Heinrich Detering, FAZ

"Man möchte nur zitieren; man unterlässt es; man müsste das ganze Buch abschreiben, verraten wäre immer noch nichts. So intelligent, so hinterhältig und kaltschnäuzig ist Tiefsinn seit, der Name muss genannt werden, Lettau nicht mehr freigestellt, in Sprache aufgehoben worden." (zu "Unter Mardern") Bruno Steiger, NZZ

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hella, die Heldin dieses Romans, darf einen Flug zum Mond antreten. Abflug ist aus der russischen Steppe, also begibt sich Hella, die in Deutschland als Orthopädin arbeitet, erst einmal dorthin. Eine ganze Menge Zeit scheint zu vergehen, und manches ("erotische Zuwendung", Erinnerung an die Kindheit) trägt sich zu, bis die Rakete dann die Erde verlässt. Rezensent Roman Luckscheiter leitet seine Kritik mit Überlegungen zu romantischen Reisen nach Innen ein und landet zuletzt auch wieder bei genau diesem Thema. Denn zwar entferne sich die Heldin von der Erde, doch geht es dabei in Wahrheit um eine Therapie: Die Reise zum Mond hatte eigentlich Hellas Sohn gewonnen, der aber bei einer politischen Demonstration starb. Luckscheiter lobt den Autor Jo Lendle für seinen "kurzweiligen Erzählstil" und das "impressionistische Beschreibungstalent".

© Perlentaucher Medien GmbH
"Fesselnd, bildgewaltig und auf entwaffnende Weise überaus irdisch." bild.de