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Der fünfte und letzte Band der Geschichte des Wohnens behandelt den Zeitraum vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Ausgang dieses Jahrhunderts. Der Bogen reicht von der Zerstörung des Kriegs, dem daraus resultierenden Heimat- und Wohnraumverlust vieler Menschen sowie der Selbsthilfe und Improvisation der ersten Nachkriegsjahre über den Bau von Großsiedlungen und der autogerechten Stadt bis zum ökologisch orientierten Wohnungsbau der heutigen Zeit. Die Wende, die das Europäische Denkmalschutzjahr 1975 in der Rückkehr zur Wertschätzung des Altbaubestands und der Sanierung der Stadt bedeutete,…mehr

Produktbeschreibung
Der fünfte und letzte Band der Geschichte des Wohnens behandelt den Zeitraum vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Ausgang dieses Jahrhunderts. Der Bogen reicht von der Zerstörung des Kriegs, dem daraus resultierenden Heimat- und Wohnraumverlust vieler Menschen sowie der Selbsthilfe und Improvisation der ersten Nachkriegsjahre über den Bau von Großsiedlungen und der autogerechten Stadt bis zum ökologisch orientierten Wohnungsbau der heutigen Zeit. Die Wende, die das Europäische Denkmalschutzjahr 1975 in der Rückkehr zur Wertschätzung des Altbaubestands und der Sanierung der Stadt bedeutete, wird ebenso ausführlich erörtert wie der politisch motivierte Wohnungsbau der DDR, der in einem in sich geschlossenen Kapitel aufgearbeitet wird. Die komplexe Geschichte des Wohnens wird in der gesamten zeitlichen Bandbreite von 1945 bis heute jeweils in Einzelkapiteln unter politischen und ökonomischen, unter sozialen und soziolgischen, unter stadtentwicklungs-, architektonischen und innenräumlichen Aspekten analysiert und beschrieben. Die Fülle des schriftlichen Materials ergänzen zahlreiche Abbildungen, die das Wohnen in der Großstadt, im ländlichen Raum, im Alt- und Neubau, im Einfamilien- und im mehrgeschossigen Wohnungsbau dokumentieren und kommentieren.
Die weiteren Bände:
Bd. 1: 5000 v. Chr. - 500 n. Chr. Vorgeschichte - Frühgeschichte - Antike
Bd. 2: 500 - 1800. Hausen - Wohnen - Residieren
Bd. 3: 1800-1918. Das bürgerliche Zeitalter.
Bd. 4: 1918-1945. Reform - Reaktion - Zerstörung
Autorenporträt
Ingeborg Flagge war von 1978-1983 Bundesgeschäftsführerin des Bundes Deutscher Architekten und ist heute Direktorin des DAM, Frankfurt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.04.2000

Mach doch die Bude groß genug
Aufbau, Neubau, Umbau nach 1945 – Die große fünfbändige „Geschichte des Wohnens” hat ihren Abschluss gefunden
Schon der erste Eindruck ist stark: Fünf Bände mit über 4300 Seiten bringen zusammen über 10 Kilo auf die Waage. Wer sich das von der Deutschen Verlags-Anstalt verlegte und von der Wüstenrot Stiftung initiierte und finanzierte Standardwerk zur Geschichte des Wohnens anschafft, hat ein Problem: Er braucht Platz! Womit wir beim Thema wären. Denn der letzte Band behandelt auf 1000 Seiten Wohntendenzen der letzten 55 Jahre. Dass der individuelle Bedarf an Wohnraum in diesem Zeitraum dramatisch gestiegen ist, dürfte allerdings kaum den Büchersammlern anzulasten sein. Auch wenn bereits 1955, auf der Ausstellung für Ernährung und Wohnkultur in München, das „Haus eines geistig Freischaffenden” auf luxuriöse 145 Quadratmeter bemessen wurde.
Für die eingehende Lektüre des umfänglichen Geschichtswerk wäre der Nachbau eines Bücherrads zu empfehlen. Diese praktische „Lesemaschine” des 18.  Jahrhunderts, bei der die aufgeschlagenen Bände auf Pulten umeinander rotieren, würde für überraschenden Durchblick sorgen. So entdeckt man in dem von dem Berliner Archäologen Wolfram Hoepfner herausgegebenen Band über Siedlungsformen und Hausstrukturen der Vor- und Frühgeschichte sowie der Antike, dass es bereits im alten Griechenland flächendeckende Stadtplanungen gab, die für alle Bürger gleichartige Typenhäuser vorsahen. Ist es ein Zufall, dass das neue Städtebild mit Beginn der Demokratie entsteht? Im Vergleich zu den Siedlungen des industrialisierten und funktionalisierten Wohnungsbaus Anfang des 20.  Jahrhunderts, die von Gert Kähler im vierten Band vorgestellt werden, scheinen die antiken Reihenhäuser üppig proportioniert. Doch sie beherbergten weit mehr Personen als zur modernen Kernfamilie zählen.
Dreht man das Leserad Band um Band, kann man die Geschichte des privatwirtschaftlich organisierten Wohnungsbaus studieren: So gab es in Rom seit dem späten 3. Jahrhundert vor Christus mehrstöckige Mietskasernen, die einen Vergleich mit dem Berliner Elend im 19.  Jahrhundert herausfordern. In dem Buch zum „Hausen – Wohnen – Residieren” in der Zeit von 500–1800 stellt der Sozialhistoriker Gerhard Fouquet unter anderem die seit dem 13. Jahrhundert in seestädtischen Hinterhöfen errichteten „Gänge” vor. In seinem lesenswerten Aufsatz „Große Städte – Kleine Häuser” schildert er den „Aufstieg” von Tagelöhnern und Hafenarbeitern aus sogenannten Wohnkellern in die Reihenhäuser der Gänge, die von Lübecks Patriziern, Händlern und Reedern zwecks optimaler Grundstücksverwertung gebaut wurden: Vorne solide Stadthäuser, hinten einfache Buden. Auch die Wissenschaftler um Jürgen Reulecke, die Band 3 dem sogenannten bürgerlichen Zeitalter widmen, streifen noch einmal das Thema Gängeviertel. Denn gerade in diesen Hinterhofbereichen gab es noch vor der Industrialisierung erhebliche Nachverdichtungen. Diverse Cholera- und Typhusepidemien lösten dann eine intensive Diskussion über Stadthygiene, Stadttechnik und die sogenannte „Assanierung” der engen Altstädte aus. Die Kommunen wurden aktiv. Stadtbauräte bekamen Anfang des 20. Jahrhunderts eine bis dato unbekannte Machtfülle, um die Probleme der Großstadt in den Griff zu bekommen. Zuletzt informiert Gert Kähler in Band 4 über den Abriss des Hamburger Gängeviertels im Rahmen nationalsozialistischer Säuberungspolitik.
Träume und Zumutungen
Und so drehen wir an unserem Leserad, vergleichen Stadtpläne, Grund- und Aufrisse, Ausgrabungsbilder und Hausgerät, lassen Fotografien und Reklame an uns vorbeiziehen und bemerken en passant, daß der letzte Band, herausgegeben von der designierten Leiterin des Deutschen Architekturmuseums, Ingeborg Flagge, zwar der bunteste ist – aber am wenigsten konkrete Sozialgeschichte bietet. Mehr als in den früheren Bänden geht es um Leitbilder und Konzepte. Wenn Tilman Harlander über „Wohnen und Stadtentwicklung in der Bundesrepublik” berichtet, Michael Andritzky über die „Wohnweisen und Lebensstile”, Margret Tränkle über den „Wohnalltag und Haushalt seit 1945” und Ingeborg Flagge schließlich „Über Architekturideen und Wohnträume, über Zumutungen und Banalitäten im Wohnungsbau” reflektiert, dann kommt es zu langweilenden Wiederholungen. Nur Thomas Topfstedt bearbeitet ein historisch wie topografisch klar abgegrenztes Gebiet: „Wohnen und Städtebau in der DDR”.
In fast allen Beiträgen geht es um städtisches Wohnen, Wohnen auf dem Lande wird nur gestreift, die sogenannte Zwischenstadt nur erwähnt. Lebensformen von sogenannten Randgruppen werden kurz abgehandelt, doch die größte aller „Randgruppen”, die „Alten”, hätte eine genauere Studie verdient. Armut scheint kein Thema mehr zu sein. Mag eine schichtenspezifische Sozialgeschichte des Wohnens im späten 20. Jahrhundert nicht mehr möglich sein, so muss es doch auch andere als statistische Methoden geben, um Milieus zu erfassen . Wie kommt es, dass ausgerechnet die Bilder des Medienzeitalters am wenigsten Lebenswirklichkeit abbilden? Wie kommt es, dass die Archäologen aus spärlichen Mauerresten konkretere Geschichten des Alltags ableiten als die Stadtforscher heute aus der Informationsmasse?
Die wenigen Fotos, die in der Tradition von Herlinde Koelbls „Deutschem Wohnzimmer” stehen, gehen in der Flut des Werbematerials unter. Vom „Ende des Privaten” wird derzeit viel geredet. Ist deswegen auch die Soziologie am Ende, weil es hinter den öffentlichen Oberflächen nichts mehr zu entdecken gibt? „Mach doch die Bude groß genug!” Empfahl Mies van der Rohe seinem Mitarbeiter, als dieser um die Verbesserung eines Wohnungsgrundrisses rang. Kein Wunder, wenn Architekten mit phantastische Villen überzeugten, selten aber mit Mietwohnungen. „Doppelt so groß und halb so teuer”, so stellen sich heute viele ihre ideale Wohnung vor. Deswegen auch die Nachfrage nach Altbauwohnungen. In ihren gleichförmig proportionierten Räumen scheint alles möglich.
Aber wer kann so viel Raum schon bezahlen. Und wohin führt das, wenn jeder einen noch weiteren Schutzwall um sich herum ziehen möchte? Das Häuschen mit Garten steht nach wie vor auf Platz eins bundesdeutscher Wohnträume. Ökonomisch und ökologisch bedeutet das ein Desaster. Die Familie wurde schon vor Jahrzehnten totgesagt. 1994 lebten bereits 42 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung nicht mehr in einer Familie. Die Zahl der Singlehaushalte wächst. Besonders die aktiven und mobilen Einzelkämpfer beanspruchen luxuriöse Weiträumigkeit. Durchschnittlich 62 Quadratmeter pro Person, das ist ein veritabler Wohlstandsindikator. Hinzu kommt, dass Wohnen zur Weltanschauung geworden ist. Je nach Lebenslage ein neuer Stil. Die Wohnung ist weniger „zweite Haut” als ein neues Kostüm für eine unbeständige Identität. Die aktuellen Magazine bieten Fluchtwelten für wohnsüchtige Städter: Die schönsten Landhausstile von Skandinavien bis Sizilien, Grünes Wohnen, Weiße Vielfalt, Feng Shui oder Zen. Für die Fortschrittlichen wird „Flexibles Wohnen” propagiert, denn eigentlich bräuchte der moderne Mensch eine Wohnung, die sich den jeweiligen Bedürfnissen wie eine Membran anpasst: Für die Zeit zu zweit, mit Kind zu dritt, dann wieder allein oder alleinerziehend, mit erwachsenem Nesthocker, in Wohngemeinschaft, mit Wochendbeziehung. „Living apart together” ist kein Ausnahmezustand mehr. Der Arbeitsmarkt verlangt Mobilität. Es haben sich in den letzten dreißig Jahren viele verschiedene Lebensformen entwickelt – nur der Wohnungsmarkt hat darauf nicht reagiert.
Noch immer richtet sich die Größe des Zimmers nach der durchschnittlichen Breite der Schrankwände und Einbauschränke. Noch immer gibt es die abgeschlossene Laborküche mit der Gerätestaffel aus Ofen, Spülmaschine und Waschmaschine, obwohl die Küche längst wieder zum Lebenszentrum geworden ist. Noch immer gibt es das Minizimmer für „Kinder”, Spielflächen und Freiräume bringen eben keine Rendite. Solche „Normschnitte” sind nicht nur deswegen Fehlinvestitionen, weil es die Familie nicht mehr gibt, mit der die Hierarchie der Räume rechnet, sondern auch, weil sich bei abnehmender Vollbeschäftigung die Funktionen der Wohnung ändern.
Vor knapp 200 Jahren, zu Beginn des sogenannten Bürgerlichen Zeitalters, zog die Arbeit aus dem Haus aus. Zurück blieb die „sorgende Hausfrau”. Beim Bauen fürs Existenzminimum wurde damit gerechnet, dass der Arbeiter und seine Familie tagsüber außer Haus beschäftigt sind. Der Luxus der Minimalwohnung war, dass jedes Familienmitglied im eigenen Bett schlafen konnte. Inzwischen mehren sich die Anzeichen für die Rückkehr zum „Ganzen Haus”. Schlafen, Leben und Arbeiten unter einem Dach. Doch die Wohnung der Zukunft, in der Freiberufler, Bildschirmarbeiter, Teilzeitkräfte, Frühpensionierte gut und bequem leben können, ohne dass es Zoff mit dem Lebenspartner gibt, weil Rückzugsmöglichkeiten fehlen, diese Wohnung muß erst erfunden werden. Dass der Wohnungsbau wirklich, wie Ingeborg Flagge meint, in den neunziger Jahren reicher, detaillierter und gestalterisch anspruchsvoller geworden ist, darf bezweifelt werden. Es sollte skeptisch stimmen, dass an den Architektur-Hochschulen kaum über das Thema gesprochen wird. Dass nur wenige namhafte Architekten, sich mit dem Problem auseinandersetzen. Dass bei Architekturpreisen die Erbauer von Museen das Rennen machen, aber kaum ein Entwerfer einer Wohnanlage.
IRA MAZZONI
INGEBORG FLAGGE (Hrsg. ): Von 1945 bis heute. Aufbau – Neubau – Umbau. Geschichte des Wohnens, Band 5. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart München 1999. 1040 Seiten, 128 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Ein über zehn Kilo schweres Werk im "Lexikonformat", das in seinem chronologischen Aufbau Geschichte und Geschichten, Illustrationen aller Art, selbst thematisch passende Gedichte, Fußnoten (an den Rand gestellt, d.h. gut lesbar) und schließlich lange Listen für weiterführende Literatur enthält, schreibt Manfred Sack. Er lobt besonders die Bände 4 (1996 als erster erschienen) und 5 als "mit gut geschriebenen Aufsätzen" bestückt, moniert aber vor allem Band 1, dessen Autoren allzu detailliert von der Frühgeschichte bis zur Antike noch über "die letzte Tonscherbe" Auskunft geben, das Wesentliche jedoch aus dem Auge verlieren. Überrascht haben den Rezensenten, dass jeder behandelte Zeitabschnitt wieder mit Überraschungen aufwarten kann, ob es um städtebauliche Details wie Lagerhäuser und Kanalisationssysteme geht oder um soziale Themen wie Gewerbefreiheit und Wohnungsnot. Sack meint, der hohe Anspruch und die Beharrlichkeit, mit denen die Wüstenrot Stiftung sich für das Projekt engagiert hat, habe eine "außerordentliche kollektive Leistung" hervorgebracht, die auch einige Wermutstropfen vertragen kann, so wie die Ungereimtheit, dass Band 1 in die Ferne bis zum Nil schweifen darf, während ab Band 2 nur das Wohnen "hierzulande" thematisiert ist.

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