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Ruth Fischer (1895-1961) war 1924/25 weltweit die erste Frau an der Spitze einer Massenpartei: der Kommunistischen Partei Deutschlands. Wie niemand sonst stand sie für die Angleichung der KPD an das autoritäre sowjetische Parteimodell. Später wurde sie - von Hitler und Stalin verfolgt - zur leidenschaftlichen Antikommunistin, die in den USA sogar gegen ihre Brüder Gerhart und Hanns Eisler sowie gegen Bertolt Brecht aussagte. Zuletzt suchte sie wieder Anschluss an eine undogmatische Linke. Ruth Fischers bewegtes Leben wird in dieser Biographie auf der Grundlage bisher unerschlossener…mehr

Produktbeschreibung
Ruth Fischer (1895-1961) war 1924/25 weltweit die erste Frau an der Spitze einer Massenpartei: der Kommunistischen Partei Deutschlands. Wie niemand sonst stand sie für die Angleichung der KPD an das autoritäre sowjetische Parteimodell. Später wurde sie - von Hitler und Stalin verfolgt - zur leidenschaftlichen Antikommunistin, die in den USA sogar gegen ihre Brüder Gerhart und Hanns Eisler sowie gegen Bertolt Brecht aussagte. Zuletzt suchte sie wieder Anschluss an eine undogmatische Linke. Ruth Fischers bewegtes Leben wird in dieser Biographie auf der Grundlage bisher unerschlossener Archivquellen, darunter FBI-Akten, erstmals ausführlich dargestellt. Das Buch zeigt exemplarisch, wie Kommunismus und Antikommunismus sich im Kalten Krieg in einer Person verschränken konnten. »Eine Biographie, die einen herausragenden Beitrag zur Kommunismus-Forschung liefert und der man viele Leser wünscht.« (Thomas Kroll, Jena)
Autorenporträt
Mario Keßler ist Mitarbeiter des Zentrums für Zeithistorische Forschung und apl. Professor an der Universität Potsdam
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.09.2013

KPÖ-Mitglied Nummer eins
Die vielen Wendungen im Leben der Ruth Fischer geborene Eisler

Kommunistische Aktivistin in Österreich und Deutschland, Reichstagsabgeordnete, von Hitler verfolgt, von Stalin zum Tode verurteilt, antikommunistische Informantin und Denunziantin in Diensten der Vereinigten Staaten und Großbritanniens, schließlich wieder unabhängige Vertreterin eines reformierten Kommunismus: Das Leben von Ruth Fischer war reich an überraschenden Verwicklungen und Wendungen, und doch war es - wenn auch in besonders intensiver Form - in vielerlei Hinsicht paradigmatisch für viele deutsche Kommunisten.

1895 in Leipzig als Tochter eines österreichischen Vaters und einer deutschen Mutter geboren, wuchs Elfriede Maria Eisler von 1901 an in Wien auf. Dort wurde sie als Studentin 1914 zunächst Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschösterreichs, um - radikalisiert durch die Schrecken des Ersten Weltkriegs - am 3. November 1918 Mitglied Nummer eins der neugegründeten Kommunistischen Partei Österreichs zu werden. In der kommunistischen Bewegung spielte sie von da an eine aktive und zeitweilig führende, am Ende die Rolle einer unabhängigen Renegatin. 1919 siedelte sie nach Berlin über und nahm hier das Pseudonym Ruth Fischer an. Hier lernte sie auch Arkadij Maslow kennen, der ungeachtet ihrer Ehe mit Paul Friedländer (und ihrer beiden später wegen des Erwerbs der deutschen beziehungsweise der französischen Staatsbürgerschaft zum Schein geschlossener Ehen) ihr wirklicher Lebenspartner werden sollte.

Energisch trat Ruth Fischer in diesen Jahren gegen jede Kooperation der KPD mit der SPD entgegen und profilierte sich auch international auf den Weltkongressen der Komintern. 1924 kandidierte sie erfolgreich für den Reichstag und übernahm als Vorsitzende des politischen Sekretariats faktisch die Leitung der KPD. Innerhalb der Partei erwuchs ihr jedoch in Ernst Thälmann ein Konkurrent, der sich der Unterstützung Moskaus sicher sein durfte. Fischer verlor ihre Führungspositionen und wurde sogar von September 1925 bis Juni 1926 gegen ihren Willen in Moskau festgehalten. Nach dem Verlust ihres Reichstagsmandats arbeitete sie als Fürsorgeerzieherin in Berlin. 1933 gelangten Fischer und Maslow in das Fadenkreuz der SS, so dass sie nach Paris flohen, wo Ruth Fischer eine Anstellung als Sozialarbeiterin fand. Hier engagierte sich das Paar in der deutschen Exilpresse und unterhielt aktive Beziehungen zur trotzkistischen Opposition innerhalb der kommunistischen Bewegung. 1936 wurden beide im Rahmen des ersten Moskauer Schauprozesses als Terroristen in Abwesenheit zum Tode verurteilt. 1941 versuchten Fischer und Maslow auf getrennten Wegen, von Lissabon aus in die Vereinigten Staaten zu gelangen. Während Fischer eine direkte Passage nach New York finden konnte, musste Maslow den Umweg über Kuba nehmen, wo er am 21. September 1941 ermordet wurde. Zu Recht sah Fischer hier wohl den NKWD am Werk, ein Verdacht, der sie veranlasste, politisch eine 180-Grad-Wende zu vollziehen.

In den Vereinigten Staaten nahm Ruth Fischer zunächst Kontakt zu ihren beiden Brüdern auf, dem Journalisten Gerhart Eisler und dem damals als Filmkomponist in Hollywood arbeitenden Hans Eisler. Sie gelangte allerdings zu der Überzeugung, dass ihre beiden Brüder, vor allem aber Gerhart, an der Ermordung Arkadij Maslows beteiligt waren. Daher kooperierte sie nun mit dem FBI und den Geheimdiensten der Vereinigten Staaten und Großbritanniens, die sie umfassend über kommunistische Exilanten informierte. Vor dem "Ausschuss für unamerikanische Umtriebe" belastete sie 1947 Gerhart Eisler schwer, der daraufhin inhaftiert wurde, während Hans Eisler des Landes verwiesen wurde. Im gleichen Jahr wurde Ruth Fischer amerikanische Staatsbürgerin.

Eine weitere Wendung zurück zu ihren alten Überzeugungen bahnte sich seit 1951 an. Ruth Fischer, die nun glaubte, allein Stalin für die Fehlentwicklungen in der kommunistischen Bewegung verantwortlich machen zu können, beendete ihre antikommunistische Informantentätigkeit. Nach Stalins Tod 1953 sah sie in Chruschtschow und Mao die neuen Führer eines reformierten Kommunismus, für den sie sich fortan engagierte. 1956 übersiedelte Fischer nach Paris, um von hier aus freiberuflich eine rege Publikationstätigkeit aufzunehmen und zahlreiche Vortragsreisen in Frankreich und Deutschland zu unternehmen. Zur DDR Ulbrichts, wo ihre beiden Brüder lebten, hielt sie deutlichen Abstand. 1961 verstarb sie in Paris an Herzversagen.

Das wechselvolle Leben Ruth Fischers bietet den Stoff für einen Roman, aber auch für eine sorgfältig auf der Grundlage umfänglicher Archivbestände erarbeitete Biographie. Mario Kessler, Mitarbeiter am Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung, zeichnet es detailreich nach und hält dabei die Balance zwischen erkennbarer Empathie für Fischer und deutlicher kritischer Distanz für ihr zu allen Zeiten oft nur schwer nachvollziehbares politisches Handeln. Ausführlich lässt Kessler die Quellen sprechen, erlaubt sich dabei aber auch zahlreiche Abschweifungen, die die Lektüre bisweilen etwas schwierig gestalten. Diese Schwäche ist gleichzeitig die Stärke des an Informationen über die Geschichte des deutschen Kommunismus wirklich reichen Buches. Eindrucksvoll und überaus aufschlussreich für den Charakter Ruth Fischer liest sich das Protokoll der Befragung Fischers durch den "Ausschuss für unamerikanische Umtriebe" am 6. Februar 1947 im Anhang.

MICHAEL HOLLMANN

Mario Kessler: Ruth Fischer. Ein Leben mit und gegen Kommunisten. Böhlau Verlag, Köln 2013. 759 S., 59,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Die Geschichte der Ruth Fischer fasziniert denRezensenten Detlev Claussen. Sie leitete die frühe Kommunistische Partei Deutschlands und half bei ihrer Unterordnung unter sowjetische Interessen. Im Exil aber koopererierte sie mit dem MacCarthy-Ausschuss und beschuldigte ihre Brüder Gerhart und Hanns Eisler. Sie war vom kommunistischen Wege abgekommen, weil ihr Lebensgefährte Arkadij Maslow in Kuba tot aufgefunden wurde und sie eine Ermordung wie im Falle Trotzkis vermutete. Dies alles erzählt die Biografie - aber leider Gottes laut Claussen als "ermüdender Papierberg". Überdies kann ihm der Autor nicht glaubhaft machen, dass Maslow tatsächlich ermordet worden sei, und noch mehr fühlt sich der Rezensent belästigt von der "ex post fact" kommenden Besserwisserei des Biografen.

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