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Das 20. Jahrhundert war gekennzeichnet durch Phasen extremer Gewalt, durch Kriege und durch Konflikte, die die Beziehungen zwischen den Staaten und Gesellschaften nachhaltig prägten. Von Zeithistorikern wurde dabei viel über den Krieg geschrieben, wenig dagegen über den Frieden und über die vielfältigen Bedingungen, die Frieden herbeiführen und sichern. Die hier gesammelten Aufsätze schließen deshalb eine Lücke in der Forschung. Sie beschäftigen sich damit, wie Konflikte vermieden oder eingehegt wurden. Sie zeigen die mentalen und kulturellen Probleme, die Friedensschlüsse belasteten, und…mehr

Produktbeschreibung
Das 20. Jahrhundert war gekennzeichnet durch Phasen extremer Gewalt, durch Kriege und durch Konflikte, die die Beziehungen zwischen den Staaten und Gesellschaften nachhaltig prägten. Von Zeithistorikern wurde dabei viel über den Krieg geschrieben, wenig dagegen über den Frieden und über die vielfältigen Bedingungen, die Frieden herbeiführen und sichern. Die hier gesammelten Aufsätze schließen deshalb eine Lücke in der Forschung. Sie beschäftigen sich damit, wie Konflikte vermieden oder eingehegt wurden. Sie zeigen die mentalen und kulturellen Probleme, die Friedensschlüsse belasteten, und vermitteln Kenntnisse über Menschen und Gesellschaften in Zeiten von Kampf, militärischem Zusammenbruch und der Hoffnung
auf Frieden. Mit seinen empirisch dichten, analytisch scharfen und methodisch wegweisenden Aufsätzen bietet Jost Dülffer einen profunden Überblick über die Chancen und Herausforderungen der historischen Friedensforschung.
Autorenporträt
Jost Dülffer ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität zu Köln.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.08.2009

Demokratie macht friedlich
Wie mit Kriegen und Niederlagen sinnvoll umzugehen ist
Geglückte Friedensschlüsse werden eher stiefmütterlich behandelt. Mit einem Frieden, der hält, ist es wie mit einem gesunden Körper. Erst bei einer Erkrankung blickt man erschrocken zurück und fragt sich, wie es nur dazu kommen konnte. Das gilt auch für den Ausbruch eines Krieges. Jost Dülffer, der Kölner Historiker und Friedensforscher, stellt in seinem Sammelband Strategien in der Kriegs- und Krisenbewältigung in den Mittelpunkt. Mit militärischen Mitteln können wir keinen Frieden erzwingen, zitiert der Autor den früheren deutschen Beauftragten in Bosnien, Hans Koschnick. Ein guter Frieden, ergänzt Dülffer, sei mehr als ein Waffenstillstand, er muss „den Streit definitiv beseitigen”. Der Verlierer muss den Frieden als gerecht, fair und angemessen akzeptieren.
Das ist in der Vergangenheit häufig gescheitert. Beispiel Versailles. Bald nach Unterzeichnung des Friedensvertrages 1919 machte die Dolchstoß-Legende die Runde; und die Debatte um die unsägliche „Schmach von Versailles” ließ die Deutschen nach Revanche und Revision dürsten. Je totalitärer der Krieg, desto schwieriger der Friedensschluss. Das galt für den Ersten und erst recht für den Zweiten Weltkrieg. „Der klare militärische Sieg mit nachfolgender Mäßigung gegenüber dem Unterlegenen scheint vielfach normativ als Muster für geglückte Friedensschlüsse angesehen zu werden.” Dülffer führt als Beispiele die Friedensordnung nach dem Wiener Kongress 1815 an, in die das besiegte Frankreich als vollwertiges und gleichberechtigtes Mitglied im Staatensystem integriert wurde, und den Sieg der preußischen Truppen über Österreich bei Königgrätz 1866, als Bismarck auf einen demütigenden Triumphzug durch die Straßen Wiens verzichtete.
Wie aber konnte man nach Auschwitz und dem Vernichtungsfeldzug im Osten zur Tagesordnung übergehen? Überraschenderweise hat es geklappt. Dülffer führt hierfür zwei Begriffe an: „Struktureingriffe” wie bedingungslose Kapitulation, Besetzung Deutschlands und totale Kontrolle des öffentlichen Lebens hätten die Voraussetzungen für einen Wiederaufbau unter alliierter Aufsicht geschaffen; und auch Umerziehung, Läuterung, Erinnerungspolitik und Erinnerungskultur machten einen „mentalen Friedensschluss” möglich.
Dülffer vergisst nicht die hitzige Debatte über Daniel Goldhagens Buch „Hitlers willige Vollstrecker”, in dem der US-Historiker den Judenmord als „langfristiges nationales Projekt” der deutschen Gesellschaft enttarnen wollte – eine These, die Dülffer zwar als „grobe Vereinfachung, Verzerrung und sachlich falsche Aussage” zurückweist, aber Goldhagen zugleich zugesteht, mit der Frage „nach dem Ausmaß von Akzeptanz, Bejahung und Förderung der Ausrottungspolitik” den Finger in die immer noch offene Wunde gelegt zu haben.
Ungeschönter Umgang
Der ehrliche und ungeschönte Umgang mit den eigenen Verfehlungen, die zu Krieg und Niederlage führten, sind Dülffer zufolge wichtige Strukturmerkmale für einen anhaltenden Frieden, wobei die schuldigen Täter in die Gemeinschaft der friedlichen Welt zurückgeführt werden müssten. Was nach dem Zweiten Weltkrieg die Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse waren, ist heute der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag. Fazit des Historikers: „In den letzten beiden Jahrhunderten ist durchgehend der Trend zu beobachten, dass den Unterlegenen Struktureingriffe auferlegt werden, die dazu beitragen sollen, dass die unterlegene Seite friedensfähig wird.”
„Sind Demokratien friedlicher?”, fragt der Autor und kommt erstaunlicherweise zu keiner eindeutigen Antwort. Das beginnt bei den Begriffen. Kriege sollten durch mehr als 1000 Tote definiert sein, und demokratisch zu bezeichnen seien Staaten, in denen „zehn Prozent” der Bevölkerung wahlberechtigt sind, zitiert
Dülffer angloamerikanische Politik-
wissenschaftler, die die „Democratic-Peace”-Debatte in den 60er Jahren anstießen. Das erscheint auch ihm suspekt und er verweist darauf, „dass vollentwickelte demokratische Systeme erst im 20. Jahrhundert anzutreffen sind” – mit Ausbildung des Sozial- und Wohlfahrtsstaates. Selbst die Annahme, Demokratien führten fast nie Krieg gegeneinander, ist mit Blick auf die Auseinandersetzungen zwischen den USA und Großbritannien im 19. Jahrhundert schnell widerlegt.
Dennoch: Demokratische Strukturen fördern die Friedfertigkeit. Kriege sind damit noch nicht aus der Welt geschafft, aber eine bessere Grundlage für einen globalen Ausgleich, als demokratische Prinzipien auch in der Außenpolitik anzuwenden, scheint es nicht zu geben. GODEHARD WEYERER
JOST DÜLFFER: Frieden stiften. Deeskalations- und Friedenspolitik im 20. Jahrhundert. Böhlau-Verlag, Köln 2008. 401 Seiten, 39,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Wie lassen sich Kriege und Krisen bewältigen? Godehard Weyerer lässt es sich von dem Historiker Jost Dülffer erklären. Die Strategien, die der Autor ins Zentrum seiner Studie stellt, umfassen ebenso Erinnerungspolitik und -kultur wie demokratisierende "Struktureingriffe" bei den unterlegenen Agressoren (etwa durch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag). Zu der Aussage, dass demokratische Strukturen ein Garant sind für anhaltenden Frieden, kann sich Dülffer jedoch nicht entschließen. Für Weyerer erstaunlich. Für ihn steht immerhin fest: Demokratie fördert die Friedfertigkeit und ist somit ein guter Exportartikel der Außenpolitik.

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