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Der sächsische Außenminister Friedrich Ferdinand Freiherr von Beust (1809-1886) war unter den Politikern der deutschen Mittelstaaten der engagierteste konservative Reformer. Nach der Revolution 1848/49 trat er leidenschaftlich für die Erhaltung und die föderale Weiterentwicklung des Deutschen Bundes ein. In drei großen Reformdenkschriften 1856, 1857 und 1861 erhob er seine Stimme für die Errichtung einer Volksvertretung beim Deutschen Bund und die Schaffung eines Bundesgerichts. Gemeinsam mit Österreich und gestützt auf die bestehenden Strukturen des Deutschen Bundes machte sich Beust für die…mehr

Produktbeschreibung
Der sächsische Außenminister Friedrich Ferdinand Freiherr von Beust (1809-1886) war unter den Politikern der deutschen Mittelstaaten der engagierteste konservative Reformer. Nach der Revolution 1848/49 trat er leidenschaftlich für die Erhaltung und die föderale Weiterentwicklung des Deutschen Bundes ein. In drei großen Reformdenkschriften 1856, 1857 und 1861 erhob er seine Stimme für die Errichtung einer Volksvertretung beim Deutschen Bund und die Schaffung eines Bundesgerichts. Gemeinsam mit Österreich und gestützt auf die bestehenden Strukturen des Deutschen Bundes machte sich Beust für die Reform des föderalen mitteleuropäischen Staatenbundes stark. Allerdings gelang es nicht, die Partikularinteressen sowie die Unterschiede in den Reformvorstellungen zu überwinden und ein gemeinsames Reformprogramm der deutschen Mittelstaaten zu entwickeln. Folglich konnten sie der gewaltsamen kleindeutschen Eignungspolitik Bismarks keine staatenbündische Alternative entgegenstellen.
Autorenporträt
Flöter, Jonas
Jonas Flöter ist Privatdozent und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät und Koordinator der Senatskommission zur Erforschung der Leipziger Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte an der Universität Leipzig.
Rezensionen
"Flöter setzt sich mit den Versuchen des sächsischen Außenministers Friedrich Freiherr von Beust (1809 bis 1886) auseinander, nicht durch die Überwindung, sondern durch den Ausbau des Deutschen Bundes einen Weg zur Konsolidierung der Nation zu finden - einen Weg ohne Revolution und Krieg." -- Jürgen Müller, F A Z. 06.11.01

"Die abgewogene und sachliche Darstellung Flöters regt zum tieferen Nachdenken über die deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert an. Namentlich über verpaßte Chancen und versäumte Gelegenheiten. Das Buch ist nicht nur anregend, sondern auch stilistisch ansprechend geschrieben und wird durch zwei Anlagen, ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein kombiniertes Sach- und Personenregister komplettiert." -- Ewald Frie, H-Soz-u-Kult, 25.01.2002, 19.02.2002

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.11.2001

Modell Deutscher Bund
Jonas Flöter übt historische Gerechtigkeit / Von Jürgen Müller

Wer außerhalb der Fachhistorie kann einigermaßen zutreffend erklären, welche politische Ordnung in Deutschland zwischen der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation 1806 und der Gründung des Deutschen Reiches 1871 bestand? Wer hat eine Vorstellung von den Mechanismen der deutschen Nationsbildung, die über die Formel der Bismarckschen "Reichsgründung von oben" hinausgeht? Diese zugegebenermaßen zugespitzten Fragen erinnern daran, in welchem Maße "wir Deutschen" uns auch von jenen Teilen unserer Vergangenheit distanziert haben, die nicht wegen der Verbrechen der damals Lebenden zu dunklen Kapiteln wurden, sondern wegen der Unkenntnis der heutigen Generation.

Mit dem Deutschen Bund, der seit dem Wiener Kongreß von 1815 bis zum preußisch-österreichischen Krieg von 1866 die politische Ordnung Deutschlands bildete, kann nicht nur die Öffentlichkeit wenig anfangen. Auch die Geschichtswissenschaft hat ihn als historische Sackgasse abgeschrieben: Er habe den Tendenzen der deutschen Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts nicht entsprochen, weil er dem Prozeß der modernen Nationsbildung als hemmender Faktor entgegenstand. Auf dem kleindeutsch-preußischen "Weg zum Nationalstaat" bildet der Deutsche Bund angeblich ein retardierendes "vorsintflutliches Monstrum", während die Entwicklung hin zum nationalen Machtstaat zum "Normalfall" deklariert wird (Hagen Schulze).

In der preisgekrönten Dissertation des Leipziger Historikers Jonas Flöter wird eine andere historische Perspektive eröffnet. Flöter setzt sich mit den Versuchen des sächsischen Außenministers Friedrich Freiherr von Beust (1809 bis 1886) auseinander, nicht durch die Überwindung, sondern durch den Ausbau des Deutschen Bundes einen Weg zur Konsolidierung der Nation zu finden - einen Weg ohne Revolution und Krieg. Beust ging es darum, den Deutschen Bund als Kernstück der europäischen Friedensordnung sowie als Gehäuse der gesamtdeutsch-föderalen Staatlichkeit zu erhalten, ihn aber mit der nationalen und liberalen Bewegung auszusöhnen und in die Lage zu versetzen, die nationalen Bedürfnisse in politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht zu befriedigen. Das war ein großes Programm, mit dem Beust letzten Endes scheiterte - ebenso wie Bismarck übrigens, dem zwar die äußere Nationsbildung gelang, der aber seinen Nachfolgern ein von politischen und sozialen Konflikten belastetes Reich hinterließ, das die Lebensdauer des Deutschen Bundes nicht einmal ganz erreichte.

Die Beustsche Politik der Bundesreform war ausdrücklich gedacht als aktive Revolutionsprophylaxe oder, wenn man so will, als "defensive Modernisierung". Das monarchische Regiment in den Einzelstaaten sollte erhalten bleiben, ebenso die staatliche Souveränität der Bundesgenossen im föderativen Verband. Auf der anderen Seite war es Beust ernst mit der Absicht, die nationale Einigung voranzubringen. Zu den "nothwenigen Consequenzen der Constituirung des neuen Bundesverhältnisses in der Gestalt des Staatenbundes" gehörten, wie Beust 1850 darlegte, die Errichtung einer einheitlichen Bundesregierung und die Bildung einer Nationalvertretung. Als drittes Element kam noch die Schaffung eines obersten Bundesgerichts hinzu. Man erkennt hierin unschwer die klassischen Organe moderner Staatlichkeit: zentrale Exekutive, Legislative und Judikative. Diese wurden von den Bundesreformanhängern ausdrücklich als nationale Einrichtungen verstanden.

Für das föderative Gebilde, das nach der Reform entstehen würde, gab es kein historisches Vorbild. Der reformierte Deutsche Bund wäre weder ein "Reich" gewesen noch ein Bund unabhängiger Staaten und Regierungen, kein zentralisierter Einheitsstaat wie etwa Frankreich, kein Bundesstaat, kein Nationalstaat, schon gar keine post- oder supranationale Union. Es gibt aber einen Begriff, mit dem sich die Vorstellung davon, was der Deutsche Bund hätte werden können, fassen läßt: eine "föderative Nation" oder ein "Nationalbund". Die "föderative Nation" ist eine jüngst von Georg Schmidt und Dieter Langewiesche in die Diskussion eingeführte analytische Kategorie, mit der jene föderativen Traditionen der deutschen Geschichte auf den Begriff gebracht werden sollen, welche die nationale Einheit nicht gleichsetzten mit der Schaffung eines kleindeutschen Nationalstaats. Etwas Ähnliches meint das Wort vom "Nationalbund" - eine Vokabel aus der Zeit des Deutschen Bundes selbst, erstmals benutzt von dem österreichischen Bundespräsidialgesandten Johann Rudolf Graf von Buol-Schauenstein, der bei der Eröffnung der Bundesversammlung 1816 dazu aufforderte, "das Gebäude des großen National-Bundes" zu vollenden.

An dieser anspruchsvollen Aufgabe versuchte sich Beust so energisch und hingebungsvoll wie kein anderer deutscher Politiker. Unaufhörlich versuchte er seit 1850 das sogenannte "Dritte Deutschland" auf eine gemeinsame Reformlinie zu bringen sowie Österreich und Preußen für einen föderativen Ausbau des Bundes zu gewinnen. Gewiß, am Ende waren alle Anstrengungen vergeblich. Die Widerstände von seiten der Großmächte, aber auch aus dem Lager der Mittel- und Kleinstaaten erwiesen sich als unüberwindlich. Gleichwohl weist Flöter völlig zu Recht die Auffassung zurück, daß das schließliche Scheitern der Bundesreform deren Befürworter als realitätsfremde, trotzig am Überholten festhaltende Repräsentanten einer untergehenden Ordnung erweise. So kann nur urteilen, wer an der Offenheit der historischen Situation zweifelt.

Wenn man Beust etwas vorwerfen kann, dann ist es nicht seine angebliche Mißachtung dessen, was man damals "Realpolitik" nannte, sondern daß er, anders als Bismarck, die nationalen Emotionen unterschätzte und sein Reformkalkül zu sehr auf rationale Argumente und diplomatische Aktionen ausrichtete. Beust war ein konservativer Reformer, der die bestehende Ordnung weiterentwickeln wollte; Bismarck ein konservativer Revolutionär, der den Deutschen Bund erst gewaltsam zerstören mußte, um etwas Neues zu schaffen. Die Option "Königgrätz" oder gar "Sedan", das heißt ein deutscher oder europäischer Krieg, war für Beust nicht eine Chance zur Einigung der Nation, sondern die Drohung mit der Zerstörung des föderativen Verbandes, in dem sich nach seiner Auffassung die nationale Einigung vollziehen sollte und konnte. Daß diese Form der Nationsbildung historisch illegitim gewesen wäre, erweist sich mit der gründlichen und erhellenden Studie von Jonas Flöter als historische Legende.

Jonas Flöter: "Beust und die Reform des Deutschen Bundes 1850-1866". Sächsisch-mittelstaatliche Koalitionspolitik im Kontext der deutschen Frage. Geschichte und Politik in Sachsen, Band 16. Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien 2001. 565 S., geb., 119,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Jürgen Müller findet in Jonas Flöters "gründlicher" und "erhellender" Dissertation über die Spätphase des Deutschen Bundes eine längst fällige Revision unseres Geschichtsbildes. Viel zu lange habe die Epoche des Deutschen Bundes (1815-1866) selbst in der Fachwelt ungerechte Beurteilung gefunden und nur als unglückliche Vorstufe des deutschen Nationalstaates gegolten. Mit diesem Zerrbild räume Flöters Studie über den sächsischen Außenminister und Vordenker eines reformierten deutschen Staatenbundes von Beust auf. Flöter verweise auf das Reformpotential und den Modellcharakter des Deutschen Bundes, in dem sich partikulare wie nationalstaatliche Elemente verbunden hätten. Zu Recht erachtet der Autor nach Auffassung von Müller die Reformkonzepte des sächsischen Außenministers als Teil einer föderativen Lösung der deutschen Nationalstaatsfrage im Rahmen einer europäischen Friedensordnung.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Die Geschichte des Deutschen Bundes kann bis heute über weite Strecken durchaus als vernachlässigt angesehen werden. In diesem Sinne schließt die vorliegende Dissertation von Jonas Flöter zentrale Forschungslücken und wird weiteren Untersuchungen zur Geschichte des Deutschen Bundes hoffentlich wichtige Impulse verleihen." (H-Soz-u-Kult)