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Produktdetails
  • ATLAS. Bonner Beiträge zur Kunstgeschichte 3
  • Verlag: Böhlau
  • Seitenzahl: 245
  • Erscheinungstermin: Oktober 2006
  • Deutsch
  • Abmessung: 19mm x 178mm x 248mm
  • Gewicht: 694g
  • ISBN-13: 9783412004064
  • ISBN-10: 3412004065
  • Artikelnr.: 20860970
Autorenporträt
Fastert, Sabine
Sabine Fastert lehrt Kunstgeschichte an der Technischen Universität Berlin.

Zeising, Andreas
Andreas Zeising ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Universität Siegen.

Wagner-Conzelmann, Sandra
Dr. Sandra Wagner-Conzelmann ist Lehrbeauftragte am Lehrstuhl für Kunstgeschichte der RWTH Aachen und Kuratorin der Ausstellung "Otto Bartning - Architekt einer sozialen Moderne" in Darmstadt.

Doll, Nikola
Nikola Doll ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Historischen Museum Berlin.

Heftrig, Ruth
Ruth Heftrig ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2007

Kunstgeschichte im Dritten Reich
Ein spannender Sammelband zu Forscherkarrieren nach 1945

Den Ruf zurück nach Deutschland lehnte Erwin Panofsky dankend ab: Zwischen 1933 und 1945 hatte die Flucht der kunstgeschichtlichen Elite ins Exil deutschen Professorenanwärtern ungeahnte Chancen eröffnet.

Als der Kunstwissenschaftler und Farbforscher Ernst Strauss 1949 aus dem Exil zurückkehrte, wurde ihm bei seinen Bemühungen, wieder ein Universitätsamt zu erlangen, von seinen ehemaligen Kollegen und vom zuständigen Ministerium jeder erdenkliche Stein in den Weg gelegt. Man wollte wohl nicht täglich daran erinnert werden, wie praktisch es gewesen war, dass 1933 ein gut Teil der wissenschaftlichen Elite das Feld räumen musste, womit sich die Chancen für die Verbliebenen erheblich verbessert hatten - etwa für den Kunsthistoriker Hugo Kehrer. Die Karriere des heute vergessenen Spezialisten für die spanische Kunst war nicht recht in Gang gekommen, bis ihm der Eintritt in die NSDAP 1933 neue Chancen eröffnete. Da die Kunstwissenschaft im scheinbar politikfreien Raum stattfand, konnte Kehrer sich nach 1945 erfolgreich rehabilitieren und mit allen Ehren den Ruhestand antreten.

Der Mythos von der Stunde Null im Jahre 1945 ist schon lange entlarvt. Aber konkrete Beispiele wie die beiden Biographien, die Christian Fuhrmeister vorstellt, zeigen deutlich, warum herausragende Vertreter des Faches wie Erwin Panofsky die Rufe zur Rückkehr in die ehemalige Heimat dankend ablehnten. Die jahrzehntelange Provinzialität der deutschen Kunstwissenschaft war auch eine Folge der fehlenden Aufarbeitung des Dritten Reiches. Die Auswirkungen der Diktatur auf die Geschichte des Faches Kunstgeschichte, seien es Verfolgung, Exil oder ideologische Anverwandlungen, wurden in den letzten Jahren verstärkt erforscht. Der vorliegende Band nimmt nun die ersten Jahre der Bundesrepublik in den Fokus.

Es sind die ideologischen Kontinuitäten und deren Analyse, die dabei ein spannendes Spektrum eröffnen. So belegt Sabine Fastert, dass etwa die Vorstellung eines führenden Kunsthistorikers der Nazizeit, Wilhelm Pinders, von der Gliederung der Kunstgeschichte nach Künstlergenerationen nach 1945 ungebrochen weitergetragen wurde. Aber auch auf Seiten der Künstler der kurz zuvor verfemten Moderne gab es Kontinuitäten, die in Vergessenheit geraten sind. So publizierte Rudolf Schlichter 1949 eine Geschichte der Kunst, deren Terminologie aus Pathologie und Verfall peinlich an die Hetze der Nazis erinnert. Und in Willi Baumeisters rationalitätskritischen Vorstellungen von Urzeiten der Menschheit lebten Gedanken weiter, die auch von der nationalsozialistischen Ideologie aufgegriffen worden waren, wie Susanne Leeb zeigen kann, nur dass diese ihm nun zur Legitimation der Abstraktion dienten.

Andererseits konnten nach 1945 plötzlich Gemeinsamkeiten entdeckt werden, die zuvor undenkbar waren. Gerade in den Jahren der westeuropäischen Integration der Bundesrepublik erkannte man in der Architektur des Zisterzienserordens des zwölften Jahrhunderts eine in wenigen Jahrzehnten ganz Mitteleuropa prägende Baukultur, in der zentralistische und regionale Ideen gleichberechtigt nebeneinanderstanden. Das europäische Ideal schien hier präfiguriert. Tatsächlich erweist sich der Idealplan der Zisterzienserbaukunst als Wunschvorstellung vor allem der deutschen Kunsthistoriker, wie Carsten Fleischhauer zeigen kann.

Während die zeitgenössische Integration der westdeutschen abstrakten Maler, die von deutschen und französischen Kunstkritikern gemeinsam betrieben wurde, schnell reale Erfolge zeitigte, wie Christoph Zuschlag und Martin Schieder referieren, saß die Bauarchäologie einer Fiktion auf.

Den straff gehaltenen sechzehn Beiträge merkt man die Vortragsfassung noch an. Ausgewählte Beispiele werfen Schlaglichter auf die Gemengelage von Fortsetzung und Erneuerung, Befangenheit im überkommenen Denken und Entwicklung neuer Ideen, wie sie für den neuen Staat so charakteristisch war. Erfrischend ist, dass nicht die bekannten Debatten erneut aufgegriffen werden, etwa der berühmte Streit um die Abstraktion zwischen Willi Baumeister und dem erzkonservativen Kunsthistoriker Hans Sedlmayr, sondern neue Perspektiven eröffnet werden.

ANDREAS STROBL

Nikola Doll, Ruth Heftrig, Olaf Peters und Ulrich Rehm (Hrsg.): "Kunstgeschichte nach 1945". Kontinuität und Neubeginn in Deutschland. Bonner Beiträge zur Kunstgeschichte. Böhlau Verlag, Köln 2006. 248 S., br., Abb., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Neue Perspektiven liest Andreas Strobl aus den Beiträgen dieses Sammelbandes zu Kontinuitäten und Brüchen in der Kunstgeschichte nach 1945. Zwar weiß Strobl den "Mythos von der Stunde Null" längst überkommen, dankbar indes lässt er sich von den Autoren an konkreten Beispielen analysieren, wie die Fortführung der Ideologie aussah. In den "straff gehaltenen", spürbar auf Vorträgen basierenden Beiträgen stößt Strobl auf vergessene Peinlichkeiten der Kunstgeschichtsschreibung und freut sich im übrigen über die Abwesenheit schon bekannter Debatten.

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