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Die Geschichte der ungleichen Brüder Man hat in den vergangenen Jahren das Werk Thomas Manns oft aus seiner homoerotischen Neigung und dem Zwang, diese im Werk gleichsam verstecken zu müssen, erklärt - aber nicht weniger wichtig ist die Auseinandersetzung mit den Gedanken und dem Werk seines Bruders Heinrich Mann, ein Gegeneinander-Anschreiben beider in Rivalität und Konkurrenz. Helmut Koopmann, profunder Kenner Thomas und Heinrich Manns, erzählt in diesem Buch die spannungsreiche Geschichte eines Konflikts, der tiefe Spuren im literarischen Werk der beiden Brüder hinterlassen hat. Kaum ein Roman ist frei davon.…mehr

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Produktbeschreibung
Die Geschichte der ungleichen Brüder
Man hat in den vergangenen Jahren das Werk Thomas Manns oft aus seiner homoerotischen Neigung und dem Zwang, diese im Werk gleichsam verstecken zu müssen, erklärt - aber nicht weniger wichtig ist die Auseinandersetzung mit den Gedanken und dem Werk seines Bruders Heinrich Mann, ein Gegeneinander-Anschreiben beider in Rivalität und Konkurrenz. Helmut Koopmann, profunder Kenner Thomas und Heinrich Manns, erzählt in diesem Buch die spannungsreiche Geschichte eines Konflikts, der tiefe Spuren im literarischen Werk der beiden Brüder hinterlassen hat. Kaum ein Roman ist frei davon.
Autorenporträt
Helmut Koopmann ist Professor emeritus für Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Augsburg. Zahlreiche Gastprofessuren in den USA, Südafrika, China, Italien und Indien.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.07.2005

Spitze Federn, spitze Zungen
Literarische Wechselwirtschaft: Helmut Koopmann über Heinrich und Thomas Mann
Der bekannte Thomas-Mann-Forscher Helmut Koopmann hat eine neue Gesamtdarstellung des Verhältnisses der Brüder Heinrich und Thomas Mann vorgelegt. Sie erzählt nicht die parallelen Leben - die biographischen Abschnitte dienen nur summarischer Orientierung -, sondern zeichnet die wechselseitige literarische Beeinflussung nach. Davon profitiert die Befassung mit Heinrich Mann deutlich mehr als die mit seinem jüngeren, erfolgreicheren Bruder, entsprechend dem Umstand, dass die Thomas-Mann-Forschung im letzten Jahrzehnt einen enormen Aufschwung genommen hat, während Heinrich sich nach wie vor mit germanistischen Brosamen zufrieden geben muss.
Gar nichts Neues kann Koopmann zur Kernepisode des konfliktreichen Brüderverhältnisses beitragen, zum politischen Zwist während des Ersten Weltkrieges, wie er sich in Heinrichs „Zola”-Essay und den „Betrachtungen eines Unpolitischen” von Thomas niederschlug. Hier über die minutiöse, einfühlsame und gerechte Darstellung hinauszukommen, die Peter de Mendelssohn in seinem Biographie-Torso zu Thomas Mann schon vor zwei Jahrzehnten geboten hat, ist kaum möglich. Auch alle späteren Biographen wie Hermann Kurzke und Klaus Harpprecht knüpfen daran an, und wer Einleitung und Text von Hans Wyslings Ausgabe des Briefwechsels kennt, dem wird Koopmann auch sonst wenig Unbekanntes mitteilen.
Das Verdienst des dicken Bandes besteht in der Nachzeichnung der Bezüge in den Texten. Auch hier gilt: Soweit sie Thomas Mann betreffen, sind die Befunde vielfach längst bewusst und werden in der seit einigen Jahren erscheinenden Thomas-Mann-Werkausgabe auch berücksichtigt - beispielsweise in dem meisterhaften Kommentar, den Heinrich Detering dort der „Königlichen Hoheit” gewidmet hat. Dass die Darstellung des Militärs im „Untertan” und im „Felix Krull” auf denselben Erfahrungen - denen von Thomas - beruht, ist offensichtlich. Dass der Krull seinerseits auf die Darstellung der wilhelminischen Gesellschaft in Heinrichs „Schlaraffenland” reagiert, ist eine schöne Pointe. Koopmann hat allen künftigen Einzeluntersuchungen ein anregendes Arbeitsinstrument geschaffen - umso unverzeihlicher wirken allerdings das Fehlen eines Registers, die unzulängliche Bibliographie und der auf reine Zitatnachweise reduzierte Anmerkungsapparat.
Zum Durchlesen eignet sich dieser Band eher nicht, weil sein Kern - die zitatenreiche Nachzeichnung wechselseitiger Bezüge - immer wieder die Gestalt eines in Fließtext gebrachten Stellenkommentars annimmt. Dass Koopmann versucht, dieses schwergängige Genre mit dem Mittel der rhetorischen Frage („Spricht hier der Moralist Thomas Mann?” „Spricht da der Romantiker in eroticis . . . ?”) aufzulockern, hätte ein freundschaftlicher Lektor ihm unbedingt ausreden sollen.
Koopmanns Ausgangspunkt ist naheliegend: „Niemand hat Thomas Manns Schreiben stärker beeinflusst als der Bruder, von niemandem war Heinrich innerlich stärker abhängig als von Thomas.” Aber war es wirklich so? Die Frage hätte eine Antwort verdient, die nicht nur Werk für Werk durchgeht, sondern auch systematisch übergreifende Gesichtspunkte sammelt. Erwuchs die Ironie Thomas Manns vielleicht auch aus einer Art familiärem Sonderjargon, einer Geheimsprache, wie viele Clans sie kennen? Dann wäre das Brüderverhältnis in der Tat grundlegend. Aber wie steht es mit der Autonomie der einzelnen Werkstrukturen? Wer die beiden späten Hauptwerke der Brüder vergleicht, den Josephs-Roman von Thomas mit Heinrichs „Henri Quatre”, der müsste doch dem Umstand, dass „Joseph und seine Brüder” im Gegensatz zum „Henri” eben kein historischer Roman ist und es auch nicht sein will, mehr als einen Satz widmen.
Die Angst vor der Einkreisung
Fürs politische Feld hat Joachim Fest schon vor anderthalb Jahrzehnten eine tiefe Affinität der Brüder behauptet, die er als gleichermaßen unpolitisch empfand. Auch diese These geistert gelegentlich durch Koopmanns Werk, ohne zusammenhängend erörtert zu werden, wie sie es wohl verdient hätte. Im Übrigen nimmt Koopmann, wie es heute korrekt ist, politisch vor allem für Heinrich Partei. Dabei macht er es sich entschieden zu leicht, wenn er Thomas vorhält, dieser habe im Ersten Weltkrieg nicht wahrhaben wollen, dass „da ein Angriffskrieg vom Zaun gebrochen worden war”.
Nun ist schon diese These eine arge Verkürzung gut erforschter, viel komplexerer Zusammenhänge - denn wie immer man die Schuld des Deutschen Reiches während der Juli-Krise 1914 und im Jahrzehnt davor einschätzt, dass der August 1914 kein Angriffskrieg war wie etwa der September 1939 oder Friedrichs des Großen Überfall auf Schlesien 1740, steht doch fest. Entscheidend ist aber, dass eben nicht nur Thomas Mann, sondern die überwältigende Mehrheit der deutschen Intellektuellen und Wissenschaftler fest davon überzeugt war, dass Deutschland einen Verteidigungskrieg gegen die Einkreisung durch die Entente führe. Im Übrigen gibt es neue Darstellungen, beispielsweise von dem Briten Niall Ferguson, die diese Einschätzung als keineswegs absurd erscheinen lassen. Zudem darf man fragen, ob Thomas mit seinem Beharren auf einer metapolitischen Kunstautonomie im Kern nicht moderner ist als Heinrich - unabhängig von tagesaktuellen Ansichten.
Was war also das Gemeinsame und Trennende der Brüder? Mindestens der Umstand, dass der eine der jeweils scharfsichtigste Kritiker des anderen war. Wenn Heinrich 1919 erklärt, „Geist und Kunst gingen nun endlich mit dem Staat Hand in Hand”, dann notiert Thomas: „Es bleibt kein anderes Wort mehr als: Dummkopf”, wozu man ja nur nicken kann; und wenn Heinrich anlässlich des „Tonio Kröger” an Thomas schreibt: „Du läufst Gefahr, ein Denker aus zweiter oder dritter Hand zu werden, anstatt eines Künstlers aus erster”, so darf man angesichts des in dieser Novelle besonders lautstarken Begriffsgerumpels (Blond-Dunkel, Bürger-Künstler, Nord-Süd, Tonio-Kröger) sagen: wohl wahr!
Die künstlerische Schnittmenge dagegen ist schmal und recht genau zu bestimmen: Beide waren Meister der Karikatur - siehe „Krull”, „Untertan”, „Schlaraffenland” -, was nicht heißt, dass sie im Karikaturistischen zu ihren besten Leistungen fanden. Permaneder ist eine schwache Figur bei Thomas Mann, aber sie könnte eben auch in einem Heinrich-Mann-Roman auftreten. In diesem karikaturistischen Blick schlägt gewiss nicht zuletzt die gemeinsame großbürgerliche Herkunft durch, welche eine Sicht auf die Gesellschaft von oben herab erlaubte. Damit wäre man auch bei einer Humorquelle, aus der beide geschöpft haben mögen; und bei jener Ironie, die bei Thomas zuweilen den Ton einer etwas lakaienhaften Gehobenheit annahm.
Koopmann zeigt ein inzwischen überholtes germanistisches Igitt vor Psychologie. Das Brüder-Verhältnis grenzt er ab von der seiner Ansicht nach zuweilen überbewerteten Homoerotik bei Thomas Mann. Als sei in dieser kaum offen anzusprechenden Verschiedenheit nicht gerade die plausibelste Hassquelle im brüderlichen Verhältnis zu suchen! Es gibt herzlose Bemerkungen von Heinrich über Thomas’ ängstlich-scheue Männerneigungen; und wenn man mit Heinrich Detering für die Zeit um 1914, beim Übergang vom Frieden in den Krieg, bei Thomas einen eklatanten Wechsel von weiblichen zu männlichen Kulturidealen beobachtet, dann dürfte ein solcher Befund doch für die exzessive Hassorgie, die Thomas sich gegen den Bruder genehmigte, von Interesse sein. Dass das Verhältnis der beiden nach diesem verheerenden Sturm immer mehr von vorsichtiger Rücksichtnahme, von Respekt und von wieder durchbrechender Zuneigung geprägt war, benennt Koopmann zutreffend und zartfühlend.
GUSTAV SEIBT
HELMUT KOOPMANN: Thomas Mann-Heinrich Mann. Die ungleichen Brüder. Verlag C.H. Beck, München 2005. 531 Seiten, 29,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Ein neuer Ansatz, eine originelle These, aber Abstriche bei der Ausführung: Hannelore Schlaffer hat die Studie von Helmut Koopmann einerseits mit Gewinn gelesen. Der Autor, rekapituliert sie, stellt das schriftstellerische und publizistische Schaffen der "ungleichen Brüder" Mann als Arena eines kontinuierlichen Dialoges dar - sie schrieben Bücher, aber eigentlich diskutierten sie miteinander. "In der Folge ihrer Entstehung", schreibt die Rezensentin, "geht Koopmann Romane, Novellen, Essays, politische Aufrufe, autobiographische Dokumente durch und entlarvt sie als gegenseitige Liebeserklärungen, Kampfansagen, Friedensverträge". Eine, wenn auch etwas enge, so doch erhellende Sicht auf das Werk von Thomas und Heinrich Mann. Andererseits, so Schlaffer weiter, mindert Koopmann den Wert und den Erkenntnisgewinn seiner Arbeit, indem er zu weitschweifig argumentiert und viel zu viel nacherzählt, anstatt das magere Fleisch seiner These klar herauszuarbeiten. Und dazu diese ständigen "Scheinfragen" und andere unschöne Stilmittel!

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