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Die beiden Findelkinder Gloster und Bachatow, der eine bucklig der andere für debil erklärt, wachsen in einem Internat für geistig Behinderte auf. Schwer misshandelt von Pflegern und der Heimleitung spielt der eine den Dümmling und der Andere überlebt dank seines ritualartigen Nägelknabberns. Doch bald hört man nichts mehr von Bachatow. Hat Ihn jemand bei seinem Zauberritual gestört? Hat Bachatow einen Mord beganngen? Doch auch er stirbt auf mysteriöse Weise. Um das Rätsel von Bachatows Ende zu lösen, kehrt Gloster ins Internat zurück, wo ihre Freundschaft begann.
Zwei Außenseiter gegen die
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Produktbeschreibung
Die beiden Findelkinder Gloster und Bachatow, der eine bucklig der andere für debil erklärt, wachsen in einem Internat für geistig Behinderte auf. Schwer misshandelt von Pflegern und der Heimleitung spielt der eine den Dümmling und der Andere überlebt dank seines ritualartigen Nägelknabberns. Doch bald hört man nichts mehr von Bachatow. Hat Ihn jemand bei seinem Zauberritual gestört? Hat Bachatow einen Mord beganngen?
Doch auch er stirbt auf mysteriöse Weise.
Um das Rätsel von Bachatows Ende zu lösen, kehrt Gloster ins Internat zurück, wo ihre Freundschaft begann.
Zwei Außenseiter gegen die wahnsinnige Realität und den realen Wahnsinn der heutigen Gesellschaft. Eine junge russische Stimme mit einem Bravourstück Gogolschen Formats.

Die beiden Findelkinder Gloster und Bachatow, der eine bucklig, der andere aufgrund seines verbeulten Kopfes für debil erklärt, wachsen in einem Internat für geistig Behinderte auf. Es sind nicht die Mitinsassen, von denen sie Häme und Brutalität erfahren und selbst erlernen, sondern die Pfleger und die Heimleitung. Gloster spielt um sich selbst zu schützen den ewig lachenden Dümmling, Bachatow überlebt dank seines Nägelknabberns, das er zu einem mystischen Ritual entwickelt.
Gloster entdeckt bald, dass sein Buckel ein feinnerviges Gefäß für Töne und Klänge ist und ihn zu grandiosem Klavierspiel animiert. Öffentliche Auftritte, Berühmtheit und Geld folgen. Bei dem entscheidenden Wettbewerb verstummt der "Musikant des Buckels" jedoch urplötzlich. Gloster ahnt, dass Bachatow der Grund dafür ist. Bachatow soll einen Fremden, der sein Zauberritual störte, grausam getötet haben und ist danach selbst auf mystische Weise umgekommen. Um das Rätsel von Bachatows Ende zu lösen, kehrt Gloster an den Ort zurück, wo ihre Freundschaft begann: in das Internat. Dort waren die Insassen immer paarweise gestorben...
Ein wundersames Stück Prosa von ungemein suggestiver Wirkung. Mit den Augen der beiden Freunde gesehen, erweist sich die Welt als doppelbödig - der lässige, skurrile Charme und der trockene Humor des Textes lassen das Absurdeste zum Wahrscheinlichsten werden.

Autorenporträt
Michail Jelisarow, geboren 1973 in Ivano-Frankowsk (Ukraine), studierte in Charkow Philologie und an der Musikhochschule Gesang und arbeitete u. a. als TV-Regisseur und Kameramann. Heute lebt und arbeitet er in Berlin. Splitter aus seinen Erzählungen haben in der literarischen Szene Moskaus den Status von Bonmots erlangt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.06.2003

Des Teufels Virtuose
Brüder Grimmig: Michail Jelisarow macht Nägel mit Zöpfen

Daß der Untermensch eigentlich der Übermensch ist, hat man in Rußland immer gewußt. Der neue Stern am russischen Literaturhimmel, der aus der Ukraine stammende und inzwischen in Berlin lebende Michail Jelisarow, hat mit seinem im Moskauer ad marginem-Verlag herausgekommenen Erzählungsband durch zugleich tiefschürfende wie welterklärende Exkursionen in die schrecklichen Randzonen des menschlichen Lebens und Erlebens sogleich Aufsehen erregt. Der titelgebende Haupttext des Debüts ist die Erzählung "Die Nägel" über die Abenteuer zweier behinderter Anstaltszöglinge, die den Sadismus von Pflegern, die Widrigkeiten der russischen Zivilisation, aber auch eigene geheime Kräfte kennenlernen.

Die beiden Findelkinder mit Geburtsschaden, der eine mit schwerer Rückgratverkrümmung, der andere mit deformiertem Schädel, wachsen aufgrund ihrer zufälligen Bettnachbarschaft im Heim, aber auch wegen komplementärer Seelen, zu zwei Hälften einer Gesamtpersönlichkeit zusammen. Der Bucklige erweist sich als begabt mit übermenschlichen Körperkräften, vor allem aber mit einer außerirdischen Musikalität, die ihm eine steile, wenn auch kurze Virtuosenkarriere beschert. Sein Freund und Alter ego, zu einer dumpf brütenden Existenz verurteilt, unterhält durch ein pathologisches Ritual, seine Nägel lang wachsen zu lassen, dann abzukauen und die eigene Brust blutig zu kratzen, beschwichtigende Zwiesprache mit dämonischen Gewalten, deren Übermacht sich spätestens dann unabweisbar manifestiert, als mit der Person des Nägelkauers auch die musikalische Begabung seines Freundes auf rätselhafte Weise zugrunde geht.

Wie Jelisarow das Wirrwarr elementarer und sublimer Triebe, die kleinen und großen Gemeinheiten insbesondere im russischen Überlebenskampf durch die Wahnsichtweise echter Irrer zu einem monströsen Teufelsspuk anwachsen läßt, das erzeugt eine Visionswelt, die beklemmend real ist und die Romantik wiederaufleben läßt. Bei Jelisarows deutschem Auftritt im Reclam-Verlag ist allerdings ein kleiner Etikettenschwindel unterlaufen. Die Sage von den unzertrennlichen Monsterbrüdern, die in der russischen Originalausgabe das Zentralstück eines Buketts talentierter Kurzprosa darstellte, wurde separat übersetzt und zum Roman erklärt. Viele Leser werden sich nach der Lektüre ungesättigt fragen, ob dies das ganze Hauptgericht war.

KERSTIN HOLM

Michail Jelisarow: "Die Nägel". Roman. Aus dem Russischen übersetzt von Hannelore Umbreit. Reclam Verlag, Leipzig 2003. 128 S., geb., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Von sexuellem Missbrauch, unappetitlichen Nägelkau-Riten und anderen Scheußlichkeiten des postmodernen zwischenmenschlichen Umgangs berichtet Jelisarows Ich-Erzähler Gloster in leichtem Plauderton und ohne jene genießerische Lust am Ekel, die zum Beispiel vor allem Sorokins letzte Romane auszeichnet. Streckenweise fast zu entspannt, bekommt Jelisarows Kurzroman besonders dort eine packende Doppelbödigkeit, wo er den Spott der Gesellschaft schildert, dem seine beiden Helden immer wieder ausgesetzt sind. Gloster nämlich fühlt mit denjenigen mit, die ihn verhöhnen. Er weiß, dass sie nicht anders können - und wird sich doch immer wieder grausam rächen.

Die sichere Leichtigkeit des Jelisarowschen Stils zieht den Leser in diese merkwürdige Geschichte hinein und lässt ihn bis zum Schluss nicht mehr los. Zügig und verspielt in einem führt der Autor mit Glosters traurig-altmodischer Jahrmarktskarriere zugleich ein kleines Kaleidoskop der russischen Übergangs-Gesellschaft vor. Da gibt es eine Reihe 'alter Russen', wie zum Beispiel den Heimleiter Ignat Borisowitsch, der Gutherzigkeit mit bürokratischem Kleinmut vereinbart. Besonders gelungen aber ist Jelisarow sein Kurzporträt des 'neuen Russen' in der Gestalt des Impresarios Mikula Antonowitsch, der Glosters Karriere befördert. Im heutigen Russland allgegenwärtig, ist diese neue Spezies im alten Europa noch nicht ganz wieder angekommen, obwohl ihre Vorfahren sich nicht nur in den Romanen des 19. Jahrhunderts in den Kur- und Spielstätten des Westens tummelten und großen Eindruck hinterließen. Mit nur wenigen Strichen führt Jelisarow eine Figur mit großem literarischen Potential vor Augen: eine bestechende Mischung aus verschwenderischer Generösität und kommerziellem Egoismus, aus westlicher Konsumorientiertheit und einer neu erfundenen 'altrussischen' Identität, zärtlich brutal, total reaktionär und absolut modern." Freitag

"Es ist eine besondere Form des schwarzen Humors, die uns da begegnet. Aber Jelisarow zielt tiefer. Man spürt es, als Gloster seinen Freund und 'einzigen Verwandten' den mit einem verbeulten Kopf verunzierten Bachatow ins Spiel bringt. Um zu überleben, suchen sich beide zu schützen. Gloster tut es als stets lachender Schwachkopf, und Bachatow, indem er von Zeit zu Zeit an seinen Nägeln nagt und daraus ein Ritual entwickelt, das ihm geheimnisvolle Kräfte einflößt. Schutzbedürftig sind beide wahrhaftig. Denn sie werden verspottet, verprügelt und brutal misshandelt - nicht von den Insassen des Internats, sondern von den Pflegern. Neben diesen nur scheinbaren Überspitzungen entdeckt der Autor auf subtile Weise die Psyche der vermeintlich Schwachsinnigen. Irgendwann kann man der Frage nicht mehr ausweichen, auf welcher Seite die Irren denn zu suchen sind. Erst recht nicht, als beide 'ins Leben' entlassen werden. Die Realität wird zur Groteske, zum Tummelplatz des Widersinnigen. Michail Jelisarow erweist sich als ein durchaus potenter Eleve der Gogols und Dostojewskis." Sächsische Zeitung

"Wenn eine Buch aus dem Moskauer Ad Marginem Verlag auf deutsch erscheint, hat es seinen Skandal in Russland für gewöhnlich schon hinter sich. Doch im Vergleich zu Sorokins virtuellen, in der Rezeption skandalisierten Wahnwelten, und Prochonows politisch brisanten Schundromanen kommt das 2001 erschienene Romandebüt des mittlerweile in Berlin lebenden Ukrainers Michail Jelisarow merkwürdig anachronistisch daher. Man ist versucht, in der lakonisch erzählten Geschichte zweier Findelkinder, die ihre Jugend im Irrenhaus verbringen, eine späte Parabel auf die Sowjetunion und ihr Ende zu sehen: Erst nach ihrer Entlassung aus der Klapse werden die Männer zu Idioten, die nicht wissen, was Geld wert ist und nicht verstehen, dass ab jetzt jeder des anderen Wolf ist. Doch die vordergründige sozialpathologische Lesart dieser literarischen Ohnmachtsfantasie führt nicht weit. Der bucklige Gloster und sein mit magischen Kräften begabter Freund Bachatow sind wie ein siamesisches Zwillingspaar, dem das Schicksal zufälligerweise getrennte Körper, aber nur ein Leben gegeben hat. Dessen Gesetzen sind sie restlos ausgeliefert." Der Tagesspiegel

"Große Begabung in hässlicher Gestalt. Solche Attraktion lockt Publikum ins Zirkuszelt der Literatur. Wobei 'begabt' vieles heißen kann: Heimtückisch (Richard III, Shakespeare), intrigant (Franz Moor, Schiller), mit feinstem Geruchssinn gesegnet (Grenouille, Süskind). Ob eine Missgeburt, ein vernarbter Gnom oder 'dieses Mohrenmaul' zu beklagen sind, stets verbindet sich das Monströse mit dem Erhabenen, wird der Außenseiter zum Genie der Grausamkeit. Man fragt sich also, welches überragende Talent folgender Beginn noch nicht verrät: 'Ich kam bucklig zur Welt - Frucht egoistischer Verantwortungslosigkeit, Resümee trunkener Gier, Postfaktum eines vergifteten Vestibularapparats.'

Das Findelkind erhält den Namen 'Gloster' nach dem Tyrannen Richard aus den Rosenkriegen. Diese Anspielung eröffnet die Ahnengalerie von Paganini bis Quasimodo, auch Gorbatschow wird als 'Buckelmann' eingereiht. Der Erzähler ist demnach gebildet und scharfsinnig. Es gab wohl keinen Grund, ihn 'zum Spaß bei den Blöden' zu behalten. Tatsächlich ist Gloster 18 Jahre von geistig schwer Behinderten umgeben. Wegen des auffälligen Buckels. Doch eben der Buckel ist der Ort von Glosters Genie. Inmitten der 'schwachköpfigen Besatzung' des Internats entdeckt er seine Musikalität, improvisiert auf dem Klavier und lernt, 'jede Phantasie meines Buckels zu spielen.'

Natürlich erlebt Gloster eine Blitzkarriere als gefeierter Pianist. Doch ein Schelmenroman bleibt das erstaunliche Debüt Die Nägel auch dort, wo sein Held in Luxus badet. Michail Jelisarow findet einen Tonfall, der Grobheit, Feinfühligkeit und gespielte Naivität glaubwürdig zusammenfügt. Anrührend ist Glosters Liebe zu dem 'geistesschwachen Hälmchen' Nastenka, deren Vergewaltigung er beobachtet und vollendet. Diese schockierende Enthemmung lässt seinen 'inneren Musikanten' zeitweise verstummen. Dafür wächst dem Buckligen eine gewaltige Kraft zu, die er zum beiläufigen Mord an den Sani-Tätern nutzt. In der grotesken Szene verselbständigt sich ein abgerissenes Bein - Gogols 'Nase' lässt grüßen.

Das erste Drittel des schmalen Romans ist so eindringlich, dass alles Weitere ein wenig abfallen muss. Gloster und sein nägelkauender 'Bruder' Bachatow kommen in die Stadt und helfen bei Einbrüchen, was mit treuherziger Miene verklausuliert wird. Der Bucklige stolpert in eine Aufnahmeprüfung und traktiert das Klavier ohne Kenntnis eines einzigen Stückes. Schnell verbreitet sich sein Ruhm. Der Manager jedoch träumt vom russischen Panoptikum, einer Truppe aus 'tanzenden, fidelnden, klimpernden Monstern und Missgeburten'. Dies fordert den dürren Gloster zum ungleichen Duell mit einem taubstummen Ringer heraus. In solchen Episoden wird Jelisarows Lust an der Freakshow deutlich.

Grandios überrascht das Ende der Erzählung. Während eines Wettbewerbs fällt Glosters musikalischer Buckel aus, weil im selben Moment seinem 'Zwilling' Bachatow Unheil geschieht. Wer biss hier wen? Rätselhaft, aber Bachatow ist tot, und man weiß noch, was anfangs über die Kinder des Behindertenheims gesagt wurde: 'Sie starben immer zu zweit, kurz hintereinander. Für jeden fand sich ein Bruder oder eine Schwester im Tod.' Gloster erwartet das virtuelle Leichengift binnen drei Tagen. Genial grausam." Kreuzer. Das Leipziger Stadtmagazin
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Schon wieder ein "neuer Stern am russischen Literaturhimmel", auch wenn's ein Ukrainer ist, der in Berlin lebt. Kerstin Holm ist Michail Jelisarow auf eine "zugleich tiefschürfende wie welterklärende Exkursion in die schrecklichen Randzonen des menschlichen Lebens und Erlebens" gefolgt, hinein in die Geschichte von "unzertrennlichen Monsterbrüdern", die als Findelkinder im Heim Bettnachbarn waren. Der eine ist bucklig und begabt, der andere stumpfsinnig und selbstzerstörerisch, und einer kann nicht ohne den anderen, denn beide sind Teil einer "Gesamtpersönlichkeit". Das sei "beklemmend real" und lasse die Romantik wiederaufleben, der auch die Rezensentin Tribut zollt: Jelisarow erzeuge ein "Wirrwarr elementarer und sublimer Triebe", der zu einem "monströsen Teufelsspuk" werde - "russischer Überlebenskampf" eben. Und sie deckt noch einen "Etikettenschwindel" auf: Der Roman sei nämlich gar keiner, sondern eigentlich das Kernstück eines "Buketts talentierter Kurzprosa".

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