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Einer der prominentsten Anwälte blickt auf sein Leben zurück. In seinen Memoiren analysiert Friedrich Wolff jene politischen Verfahren, in die er zwischen 1953 und 2004 involviert war. Das Spektrum reicht von Walter Janka über Günter Guillaume bis zu Honecker und Modrow.
Friedrich Wolff schreibt über Prozesse aus einem halben Jahrhundert. Die waren von sehr unterschiedlicher Natur. Sie fanden vor Gerichten der DDR, der BRD und schließlich im vereinten Deutschland statt. "In vielen Urteilen, in denen ich Freisprüche beantragt hatte, sprach das Gericht schuldig. Der Prozess war verloren.…mehr

Produktbeschreibung
Einer der prominentsten Anwälte blickt auf sein Leben zurück. In seinen Memoiren analysiert Friedrich Wolff jene politischen Verfahren, in die er zwischen 1953 und 2004 involviert war. Das Spektrum reicht von Walter Janka über Günter Guillaume bis zu Honecker und Modrow.
Friedrich Wolff schreibt über Prozesse aus einem halben Jahrhundert. Die waren von sehr unterschiedlicher Natur. Sie fanden vor Gerichten der DDR, der BRD und schließlich im vereinten Deutschland statt. "In vielen Urteilen, in denen ich Freisprüche beantragt hatte, sprach das Gericht schuldig. Der Prozess war verloren. Jahrzehnte später wurden die Urteile aufgehoben, der Prozess war gewonnen. Gewonnen? Das endgültige Urteil in politischen Prozessen fällt die Geschichte", schreibt Wolff in seinem Vorwort. Insofern verweist der Titel nicht nur souverän und selbst-ironisch auf das Autobiografische des Textes, sondern auch auf das Bleibende: Es handelt sich um populär dargestellte deutsche Rechtsgeschichte aus erster Hand.
Autorenporträt
Friedrich Wolff, geboren 1922, studierte von 1946 bis 1949 an der Berliner Humboldt-Universität und arbeitet seit 1953 als Rechtsanwalt. Fernsehprominent wurde er durch seine Sendereihe "Alles was Recht ist". Viele Jahre war er Vorsitzender des Berliner Anwaltskollegiums und des Rates der Kollegien der Rechtsanwälte der DDR bzw. Präsident der Vereinigung der Juristen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.2009

Gnadenlos durchgreifen
Anwalt Friedrich Wolff

Der in der DDR ausgebildete und praktizierende Rechtsanwalt Friedrich Wolff hatte den Ruf, dass er gelegentlich ein wenig offener sprach als üblich. So konnte er während der kurzen Epoche der Entstalinisierung nach dem 20. Parteitag der KPdSU 1956 in rechtspolitischen Texten vorsichtig die krasse Benachteiligung von Anwälten und Angeklagten in Theorie und Praxis der DDR-Justiz kritisieren, was allerdings folgenlos blieb und später von ihm nie wieder in dieser Weise zur Sprache gebracht wurde. Dieser schon damals bestehende Eindruck von Parteigehorsam bei gelegentlicher Offenheit wird durch sein Buch bestätigt. Wolff schildert in ihm Strafverfahren mit politischem Einschlag, bei denen er als Verteidiger wirkte, zunächst in der DDR, dann im wiedervereinigten Deutschland.

Die Prozesse der jetzigen deutschen Justiz nehmen über die Hälfte des Buches ein und sind gerade wegen ihrer spezifischen Ausführlichkeit wenig erhellend. Auf mehr als 350 Seiten werden Verfahren gegen hohe DDR-Funktionäre geschildert, mit zahlreichen wörtlichen Zitaten, Presseausschnitten und anderen Meinungsäußerungen, sämtlich im Sinne der Angeklagten und der Verteidigung. Das gilt für die Politbüroprozesse wegen der Tötungen an der DDR-Grenze, für den Prozess gegen Hans Modrow hauptsächlich wegen der staatlich gefälschten Kommunalwahlen 1989 und für den ausgiebig geschilderten Prozess gegen den Partei- und Staatschef Erich Honecker.

Authentizität und Überzeugungskraft hat das alles wegen seiner Einseitigkeit nicht. Immer wieder eingestreute Passagen aus Texten etwa Rudolf Augsteins oder Richard von Weizsäckers, die manche Ansicht des Autor stützen, helfen da wenig, erst recht nicht seitenlange Ausarbeitungen einiger Angeklagter. Am längsten kommt Honecker zu Wort, der in durchsichtigster Weise die Mauer und das mörderische Grenzregime mit allen möglichen Gesichtspunkten begründet, nur nicht mit dem einzig wirklichen, nämlich der Massenflucht der DDR-Bevölkerung.

Erschütternd ist, was Wolff über die DDR-Justiz schreibt. Damit ist nicht das Inhaltliche gemeint, das er mit seiner relativen Offenheit benennt und das ja schon bekannt ist: Etwa, dass den Verteidigern kaum die Möglichkeit geboten wurde, sich umfassend aus den Akten vorzubereiten; dass in einem Fall die Untersuchungshaft bei der Staatssicherheit sogar vier Jahre dauerte; dass es als Vergünstigung anzusehen war, wenn der Untersuchungshäftling sich hinlegen durfte; dass Wolff gelegentlich zur Partei ging, wenn er in einer Strafsache etwas erreichen wollte; dass - vor dem Mauerbau im Jahr 1961 - Zuchthausstrafen verhängt wurden, nachdem die Angeklagten aus West-Berlin entführt worden waren. Das Erschütternde ist, dass Wolff all das bestenfalls für normal hält, oft aber sogar billigt. Die Entführung Heinz Brandts wird nebenbei in einem Klammersatz bestätigt, und die Entführung Karl Wilhelm Frickes wird sogar dadurch gerechtfertigt, dass Wolff triumphierend berichtet, selbst die gesamtdeutsche Justiz habe darin kein Verfahrenshindernis gesehen. Er scheint nicht zu bemerken, dass mit diesem in der Sache durchaus zu kritisierenden Urteil dennoch ein vernichtendes Verdikt über die DDR-Justiz gesprochen wurde: Verschleppungen in den Bereich der SED-Gerichtsbarkeit hält die jetzige deutsche Justiz für etwas, was zum Rechtswesen der DDR gehörte.

Halb- und Drittelwahrheiten, absichtliches Verschweigen sowie regelrechte Unwahrheiten sind nicht selten. Schlicht unzutreffend ist etwa gleich zu Anfang die Charakterisierung der Aufständischen vom 17. Juni 1953 als Leute, denen es nur um die D-Mark gegangen sei. Wer, wie Friedrich Wolff, Prozesse über angebliche Spionage für langweilig hält, weil die in der Untersuchungshaft bei der Staatssicherheit angefertigten Vernehmungsprotokolle so schön eindeutig waren, verschweigt die Methoden, die dem zugrunde lagen; die Angabe über eine vierjährige Untersuchungshaft lüftet für einen kleinen Moment den Schleier über diesen schrecklichen Dingen. Natürlich war es nicht nur die Rechtsanwaltsgebührenordnung, die "die Nazizeit überdauert" hatte, sondern viel wichtiger war das Wirtschaftsstrafrecht aus der Kriegszeit, das die DDR-Justiz übernommen hatte, um gnadenlos durchgreifen zu können.

Das Buch ist oft elegant und mit leichter, gelegentlich giftiger Ironie geschrieben, auch dann, wenn Wolff bei Beschreibung der gesamtdeutschen Justiz vor Empörung kocht. Wenigstens eine Spur dieser Empörung wäre bei der Darstellung der DDR-Justiz erwünscht gewesen und etwas weniger klobiger SED-Sprachgebrauch. Es passt gar nicht zu Wolffs Stil, wenn er DDR-Spione "Kundschafter" oder "Mitarbeiter der Hauptverwaltung Aufklärung" nennt oder Fluchthilfe als "Menschenhandel" bezeichnet.

WOLFGANG SCHULLER

Friedrich Wolff: Verlorene Prozesse. Meine Verteidigungen in politischen Verfahren. Edition ost, Berlin 2009. 608 S., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In Friedrich Wolffs vertrauter Haltung des Parteigehorsam bei gelegentlicher Offenheit sieht Wolfgang Schuller hier die DDR-Strafgerichtsbarkeit dargestellt. Offenheit führt bei diesem Autor allerdings nicht dazu, dass der Rezensent angesichts der mitunter einschläfernden Prozess-Schilderungen erschüttert ist. Über dergleichen Inhalte ist er längst informiert. Aus den Schuhen haut Schuller, dass Friedrich Wolff all das für normal hält, "oft sogar billigt". Die Entführung Heinz Brandts durch die DDR-Justiz etwa. Hinzu kommen für Schuller Halb- und Unwahrheiten und absichtliches Verschweigen bezüglich des "Rechtswesens" in der DDR. Wolffs Darstellung von Prozessen der "jetzigen deutschen Justiz" dagegen langweilt Schuller in ihrer "wenig erhellenden" Ausführlichkeit.

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