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Produktdetails
  • Verlag: Rütten & Loening
  • Seitenzahl: 318
  • Abmessung: 215mm
  • Gewicht: 672g
  • ISBN-13: 9783352006319
  • ISBN-10: 3352006318
  • Artikelnr.: 24396351
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.01.2001

Für immer und ewig
Die individuelle Sozialisation eines Menschen hat auf die Liebesfähigkeit ebenso viele Auswirkungen wie Evolution und Kultur
SIMON ANDREAE: Das Lustprinzip. Warum Männer und Frauen doch zusammenpassen, Verlag Rütten & Loening. Berlin 2000. 318 Seiten, 39,90 Mark.
Vielleicht geht es uns einfach besser, wenn wir solche Geschichten lesen: Geschichten wie über das alte Ehepaar Philemon und Baucis, die im antiken Griechenland ein ganzes Leben lang so glücklich und treu zusammenlebten, dass die Götter sie am Ende voller Rührung in einen Baum verwandelten, aus dessen Stamm zwei Äste wuchsen – damit sie auch im Tod nicht voneinander getrennt sein mussten.
Oder jene, die der britische Autor Simon Andreae erzählt: Der 16-jährige englische Upperclass-Knabe Justin begegnet 1964 der zehn Jahre älteren, armen Ungarin Ursula – und die Liebe trifft die beiden wie ein Schlag. Sie verlässt ihren Ehemann, der Junge und die Frau leben zusammen, ziehen 17 Jahre lang durch die Welt – ohne ihre Familien, ohne Freunde, in einer Leidenschaft, die beide sich selbst genug sein lässt. Dann, nach 17 Jahren, erschießt sich die Geliebte, weil sie die ersten Anzeichen des Alters an sich entdeckt und den Gedanken nicht ertragen kann, die Liebe könnte wegen ihrer schwindenden Schönheit vergehen. Ihr Mann reist an alle Orte, die sie gemeinsam besucht haben, gräbt nach allen Erinnerungen – dann erschießt er sich, weil er ohne sie nicht leben kann. Auf ihren gemeinsamen Grabstein lässt er schreiben: „Ursula und Justin – eins. ”
Es sind diese Geschichten, mit denen uns der Autor Andreae lockt, „Das Lustprinzip” zu lesen, das noch dazu den verheißungsvollen Untertitel trägt: „Warum Männer und Frauen doch zusammenpassen”. Als hätten wir diese Frage nicht längst abschlägig beschieden – vor allem in jenen Zeiten tieferer Verzweiflung, in denen sich die Vertreter des jeweils anderen Geschlechts völlig unnahbar und unverständig zeigen. Selbst Menschen, die mit einem Exemplar des anderen Geschlechts seit Jahren relativ friedlich zusammenleben, fragen sich in schwarzen Momenten, warum sie sich das eigentlich antun. Die Beweise, die das Gegenteil untermauern sollen, bleibt Andreae schuldig. Am Ende tröstet er den Leser mit dem Faktum, dass doch immerhin 50 Prozent aller Ehen halten.
Zumindest ist nun, wissenschaftlich abgesichert, belegt, dass es eine Reihe von möglichen Partnern auf der Welt gibt, die zueinander passen. Denn gäbe es wirklich nur den oderdie Eine, die wie ein Deckel auf den Topf passte, dann hätte, so Andreae, die menschliche Rasse wohl nicht überlebt.
Der Autor macht deutlich, dass die menschliche Evolution damit begann, dass die Männchen versuchten, ihre Erbanlagen möglichst weit zu verbreiten – eine hübsche Tradition, welche die Männer gern auch später beibehielten, nicht nur in den Harems der Inkas (bis zu 4000 Damen für einen Mann) oder den Arabern (immerhin noch ein paar Hundert). Auch heute noch, so berichtet Andreae, ist die evolutionär ideale Mischung – für den Mann – die Kombination aus langfristiger Ehe zur Aufzucht der Kinder und den Appetithappen nebenher.
Am wichtigsten für den weiblichen Gegenpart sei über die Jahrtausende hinweg gewesen, dem Mann die Sicherheit zu geben, dass dieser auf keinen Fall die Brut eines anderen Mannes großzieht. Die Frau fungierte als Gebärmaschine. In der Antike wurde die romantische Liebe als „eine Art Gebrechen wie Tuberkulose oder Wahnsinn” betrachtet, schreibt Andreae. Die Römer sahen sie als Gesellschaftsspiel an und die Japaner als Chance zur Flucht aus der Familienroutine. Erst der Grieche Aristophanes brachte die Vorstellung von echter Liebe auf. In seiner Vorstellung waren Männer und Frauen einst komplette Wesen mit vier Armen, vier Beinen und zwei Köpfen, die sich in dieser Form recht wohl fühlten. Die missgünstigen Götter hieben sie entzwei, und seitdem wandern diese geteilten Wesen in ewiger Suche nach ihrem Gegenstück über die Welt – ihr Leben ein einziges Sehnen.
Angst auf der Brücke
Dass Männlein und Weiblein ewig suchen, ist seit Menschengedenken belegt. Und mittlerweile bestätigen die Forscher auch andere alte Wahrheiten: „Gleich und gleich gesellt sich gern” etwa oder auch „Gegensätze ziehen sich an”. So wurde etwa herausgefunden, dass Menschen bei ihren Geliebten meist jene Gesichtszüge bevorzugen, die sie im Grundsatz selber haben – nur eben in der jeweils anderen, männlichen oder weiblichen Ausführung.
Hübsch ist allerdings, dass inzwischen wissenschaftlich bestätigt ist, womit Holywood längst arbeitet: Menschen in Angst verlieben sich doppelt so schnell wie Menschen in ruhigen Verhältnissen. Also: Hoch auf den Mount Everest, hinüber über die schwankende Hängebrücke. Das Ergebnis wird heißen: Bei 50 Prozent klappt es mit der Liebe. Und die anderen werden sich schon anderweitig trösten.
ANNETTE RAMELSBERGER
Küsschen, Küsschen am Küchenherd: Eine Männer-WG probt gut gelaunt den Rollentausch.
Foto: Martin Lauder
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Annette Ramelsberger attestiert dem Buch über Geschlechterbeziehungen verlockende Qualitäten. Gleichzeitig findet sie aber auch, dass der Autor die Beweise für seine These vom guten Zusammenpassen von Männern und Frauen, "schuldig bleibt". Dabei hätte die Rezensentin sich sehr gewünscht, endlich von Forscherseite bewiesen zu bekommen, dass die Geschlechter wunderbar zusammen passen. Auch sie fragt sich nämlich in "schwarzen Momenten", warum sie mit einem "Exemplar des anderen Geschlechts" zusammenlebt. Doch da habe der Autor nicht viel mehr zu bieten als den Hinweis auf eine 50-prozentige Scheidungsquote - er tröstet also mit dem schlichten Faktum, dass immerhin die Hälfte der geschlossenen Ehen hielten.

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