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Produktdetails
  • Verlag: Aufbau-Verlag
  • Seitenzahl: 189
  • Abmessung: 220mm
  • Gewicht: 318g
  • ISBN-13: 9783351023874
  • ISBN-10: 3351023871
  • Artikelnr.: 24193065
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.05.2000

Join the Jews
and see the world
Erzählungen der Pragerin
Lenka Reinerová
Die Odysseen des Exils aus Deutschland und dem von deutschen Truppen besetzten Europa liegen ein halbes Jahrhundert zurück, das war tatsächlich im vorigen Jahrhundert. Die Erfahrungen verschwinden im Dunst, darüber lagern sich die Mythen.
Lenka Reinerová, die Prager Bürgerstochter, war jung, war zweiundzwanzig Jahre alt, als sie flüchten musste. Heute ist sie nicht wirklich alt, eher abgeklärt. Nicht, dass sie die Schrecknisse ganz vergessen hätte, aber sie sind überwuchert von den Erfahrungen und von den Erinnerungen an aufregende Abenteuer, an wunderbare Zufälle, Rettungen in letzter Minute, an das Glück im Unglück, an unvermutete Freundschaften und an immer wieder erfahrene Solidarität.
Der Erzählrahmen der Titelgeschichte „Zu Hause in Prag – manchmal auch anderswo” hat seine Funktion in der Aufwertung der eigenen Exilerfahrungen und beteuert Station für Station: Wie gut hatte ich es doch! Im Vergleich nämlich mit der unbekannten Obdachlosen, die sich da einsam und antriebslos auf dem Treppenabsatz hinter der Royal Festival Hall in London eingerichtet hat. Ihr gelten die Beschreibungen der Stationen ihrer Flucht aus dem Prager Zuhause: der Stationen in Paris und Marseille, in Casablanca, Mexiko und Kanada, der fünf, sechs, sieben Dachkammern, mal mit Möbeln, mal mit Ungeziefer, der Gefängnisse, der Schiffsplätze. „Join the Jews and see the world”, repetiert sie eine bittere Redensart ohne Bitterkeit.
„Meine Augen standen weit offen”, das war Lenka Reinerová, und das ist sie noch heute: wach, kritisch und nicht zu entmutigen. Obgleich sie zu denen gehörte, die doppelt gelitten haben, denn ihr Zuhause in Prag ist ihr zweimal abhanden gekommen. Die große Geschichte lässt wiederum die individuelle Wirklichkeit im Nebel verschwinden. Aber gab es da nicht etwas, um dessentwillen Flucht und Entbehrungen, Heimatlosigkeit und Todesgefahr ertragbar wurden? „Gutmensch” ist das Schimpfwort der Zeit, Solidarität wird mit Spott quittiert, Antifaschismus hat einen Hautgout bekommen, „Hausengel” (Leitfigur der zweiten großen Erzählung), „geduldige Zubringer guten Mutes”, sind entlassen. Von Lebenserfahrungen zu erzählen wie Lenka Reinerová, das ist heute politisch und ästhetisch nicht sonderlich opportun, weil wir eines Besseren belehrt scheinen. Gerade deshalb sind die Geschichten dieser Schriftstellerin beachtenswert, lesenswert.
HILTRUD HÄNTZSCHEL
LENKA REINEROVÁ: Zu Hause in Prag – manchmal auch anderswo. Erzählungen. Aufbau-Verlag, Berlin 2000. 200 Seiten, 29,90 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Kritisch aber nicht ohne Sympathie bespricht Peter Demetz diesen Band mit Erzählungen. Als "originelle Idee" lobt er die Entscheidung, Erlebnisse in Prag und im Exil mit der Geschichte der verschiedenen Quartiere zu verbinden, in denen die Protagonisten der Erzählungen hausen. Doch die Autorin neige zu nostalgischer Verklärung bei den Erinnerungen an das Exil, und ihr "Hang zum Tröstlichen" stört den Rezensenten. Als gelungenste Erzählung nennt er "Die Schiffskarte", die spannend sei und "Einsicht in menschliche Verhältnisse" beweise. Hier findet der Rezensent "melancholische Lebenswahrheit", der er literarischen Rang zuspricht. Doch bemängelt er die Neigung der Autorin, das Politische zu allgemein zu behandeln und sich lieber in romantische Betrachtung über das Wetter zu ergehen. Die Autorin habe sich in ihren Erzählungen nicht entschieden, ob es sie eher zu sachlichen Chroniken oder zu ästhetisierenden Schilderungen hinziehe, darin sieht der Rezensent den eigentlichen Makel dieses Prosabandes.

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