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Früher war Magnolita die »Königin der Lüfte« - ihre Schönheit und ihr Mut am Trapez wurden von allen Zeitungen der Welt gepriesen. Selbst der König von Indien lag ihr zu Füßen. Heute ist sie ein kläglicher Fleischberg und kann es kaum erwarten, endlich Witwe zu werden. Tarcisius, der einst berühmte, riesenhafte Zirkusdirektor, dämmert auf der Veranda dem Tod entgegen. Bald hundertjährig, schiebt er seinen Tod hinaus und beobachtet das wachsende Unglück seiner Familie. Die drei missratenen Söhne hängen am Rockzipfel der Alten und buhlen um deren Liebe. Tiefer kann sie nicht sinken, die…mehr

Produktbeschreibung
Früher war Magnolita die »Königin der Lüfte« - ihre Schönheit und ihr Mut am Trapez wurden von allen Zeitungen der Welt gepriesen. Selbst der König von Indien lag ihr zu Füßen. Heute ist sie ein kläglicher Fleischberg und kann es kaum erwarten, endlich Witwe zu werden. Tarcisius, der einst berühmte, riesenhafte Zirkusdirektor, dämmert auf der Veranda dem Tod entgegen. Bald hundertjährig, schiebt er seinen Tod hinaus und beobachtet das wachsende Unglück seiner Familie. Die drei missratenen Söhne hängen am Rockzipfel der Alten und buhlen um deren Liebe. Tiefer kann sie nicht sinken, die legendäre Zirkusdynastie, die nach ihrem Ruin in einer schäbigen Hütte am australischen Wüstenrand gestrandet ist. In diesem Schlangennest familiärer Zerstörung entwickelt sich ein Drama von epischer Dimension.
Autorenporträt
Catherine Rey, geboren 1956 im französischen Saintes, lebt seit mehreren Jahren in Westaustralien. 1994 veröffentlichte sie ihren ersten, viel beachteten Roman L'ami intime, der sie über Nacht bekannt machte. Für den Roman Was Jones erzählt war Catherine Rey 2003 sowohl für den Prix Fémina als auch für den Prix Renaudot nominiert; ausgezeichnet wurde sie mit dem Prix des Libraires.

Claudia Kalscheuer, geboren 1964, übersetzt seit 1994 aus dem Französischen, u. a. Werke von Marie NDiaye, Alexander von Humboldt, Henry Bauchau, Marie-Sabine Roger. 2002 wurde sie mit dem André-Gide-Preis ausgezeichnet, 2010 erhielt sie mit Marie NDiaye den Internationalen Literaturpreis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.08.2005

Abendland trifft Outback
Gestaltete Scheußlichkeit: Catherine Reys groteskes Familienepos

Allein die Namen. Tarcisius Nagalingam heißt der Typ, Magnolita Rosaria Desmond seine Frau. Die Söhne: Abraham, Sutter, Todd. Die Enkelin: Trinity. Samuel Aaron Jones del Peissis der Erzähler. Um mit letzterem zu beginnen, er hat ein Auge vorne und eines hinten, einen Papagei auf dem Kopf; er steht irgendwo auf einem Podest und brüllt sich die Seele aus dem Leib. Jones ist ein hoffärtiger Marktschreier, dessen Aufgabe darin besteht, den Aufstieg und den Fall eines Clans darzubieten.

Zu ihren Glanzzeiten waren die Nagalingams eine Zirkusdynastie. Tarcisius hat Löwen gebändigt, seine dreißig Jahre jüngere Frau mit atemberaubender Geschwindigkeit am Trapez geschwungen. Ihr gemeinsamer Zirkus hieß Queen Pigmy Circus, benannt nach einer lebenden halben Frau, die Tarcisius einst zwischen Vogelkäfigen in Schanghai entdeckt hatte. Queen Pigmys Alabasterbusen wurde die Hauptattraktion. Trotzdem war eines Tages das Geld alle. Die Tiere fraßen einander auf. Die Familie ließ sich in einem Goldgräbernest am Rande der Wüste nieder. Die Gegenwart der Erzählung begann.

Catherine Rey, die Autorin dieses ungewöhnlichen Romans, wurde in Frankreich geboren. Mit fünf erfolgreichen Büchern gehörte sie zum inneren Kreis der Literaturszene. Mit vierzig Jahren stieg sie aus - sie war Lehrerin in Bourdeaux - und zog nach Westaustralien. Seit acht Jahren lebt sie in Perth, an der Westküste. Dort, wo Australien besonders australisch ist; wo nach einem schmalen Küstenstreifen die Wüste Gibson beginnt und wo der Mythos vom Busch ungebrochen überlebt hat.

Ihr Roman "Was Jones erzählt" ist das Ergebnis eines radikalen Wechsels der Kulturperspektive - Abendland meets Outback. Die literarischen Spuren ihrer Erzählung reichen von Rabelais und der Bibel bis hin zur griechischen Tragödie. Der Schauplatz aber liegt am Rande der Zivilisation. In der ehemaligen Goldgräbersiedlung Tompton gibt es wenig außer Fliegen und Langeweile. Gleich zum Auftakt des Romans ist von den Januarfliegen die Rede. Lieber Leser, aufgepaßt, wir befinden uns in den Antipoden, hier gurgelt das Wasser linksherum durch den Ausguß. Hier sind die bekannten Naturgesetze aufgehoben.

Jones, der Erzähler, rezitiert mit dem heiseren Geschrei des Bänkelsängers: "Dieser Mann ist erleuchtet, glauben Sie mir!" Seine anfängliche Süffisanz weicht unverhohlener Schadenfreude, als klar wird, daß bei dieser Familie nichts zu retten ist. Tarcisius Nagalingam, seinem Namen nach dürfte er ein Schwarzer sein, liegt im Sterben. Er ist fast hundert, er riecht schon, die Januarfliegen umkreisen ihn, seine Beinahe-Witwe Magnolita greift in die alte Zirkusschachtel, um die Trauergarderobe zu finden. Doch der Kerl läßt sich Zeit. Magnolita läßt ihn auf die Veranda schaffen, wo er noch weitere 35 Jahre lang vor sich hinsiecht.

Derweil beendet seine Frau ihr mütterliches Zerstörungswerk. Sie hat ihre Wespentaille von einst verloren. Nunmehr ist sie ein Koloß schwabbelnden Fleisches und mit einem Haß auf die Welt im allgemeinen, ihre Nachkommen im besonderen gesegnet. Ihre Söhne Abraham, Sutter und Todd hat sie gelehrt, "das Geld zu ehren und die Menschen zu verachten". Nach alter Manier der britischen Gentry geht der älteste zum Militär, der mittlere zum Priesterseminar, der jüngste wird Farmer.

Es läuft alles nach Plan. Abraham zündelt, plündert und vergewaltigt in Flandern, später auch im heimischen Tompton. Sutter, er hat nur einen Arm und muß die Soutane knoten, steigt gerne auf einen Plastikkanister, um der Dorfstraße das Jüngste Gericht zu predigen. Todd, der Jüngste, lügt, betrügt und stiehlt. Er heiratet auch. Nachdem ihm die fleischige Mary ein Mädchen geboren hat, wird sie in den Lagerraum gesperrt, wo sie fortan mit Nagalingam um die Wette krepiert, während der Rest der Familie flucht, säuft und prügelt. So viel schwarzer Humor, so viel gestaltete Scheußlichkeit war selten. Catherine Rey entfaltet ihr Pandämonium mit knappen und präzisen Bildern. Claudia Kalscheuers glanzvolle Übersetzung hat hierbei alle Aufmerksamkeit verdient.

Trotz der gleichfalls gelungenen Übertragung von Andrew Reimers haben die australischen Leser mit höflicher Reserve reagiert. Das mag daran liegen, daß sie ihr Outback nicht gerne verhunzt sehen; und wenn schon, so erledigen sie es am liebsten selbst: "Rey scheint so gut wie nichts über Australien zu wissen", mäkelte ein Kritiker in der "Canberra Times". Tja. Von hier aus gesehen, wo das Wasser rechtsherum abfließt, stören solche Details nicht, man kichert unverdrossen mit. Wie heißt es noch so schön zu Magnolita? "Ihre Seele war ein Schlammloch, in dem selbst der Teufel ersoffen wäre." Dem ist nichts hinzuzufügen.

TANYA LIESKE

Catherine Rey: "Was Jones erzählt". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Claudia Kalscheuer. Unionsverlag, Zürich. 265 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"So viel schwarzer Humor, so viel gestaltete Scheußlichkeit war selten!" jubelt Rezensentin Tanya Lieske über diesen Roman, in dem es ihren Informationen zufolge um "Aufstieg und Fall" eines nicht sonderlich sympathischen australischen Zirkus-Klans geht. Im Roman werde geplündert, gezündelt, vergewaltigt, geprügelt, geflucht und gesoffen, teilt die Rezensentin genüsslich mit. Mit "knappen und präzisen Bildern" entfalte Catherine Rey ihr groteskes "Pandämonium". Selbst die Namen der verschiedenen Typen des Romans findet die Rezensentin noch bemerkenswert. Im Mittelpunkt steht, wie wir lesen, ein "Koloss schwabbelnden Fleisches" namens Magnolita Rosaria Desmond, die am Anfang des Romans Lieske zufolge noch eine Wespentaille hat. Margolinas Hass auf die Welt, ihren Mann und ihre Kinder wird als Motor der Geschichte beschrieben. Der titelgebende Samuel Aaron Jones del Peissis fungiert laut Lieske als Erzähler in Bänkelsängermanier, was dem Roman der französischen Autorin eine weitere Würze zu verleihen scheint. Auch die Übersetzung von Claudia Kalscheuer wird als "glanzvoll" hochgelobt.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Zwischen drei Generationen wirbelt der Erzähler Jones gewitzt hin und her. Ein Sittengemälde der ganz besonderen Art!« Rheinischer Merkur